\section*{Motivation} \markboth{}{Motivation} In der klassischen Analyis haben wir Funktionen im $\K^n$, wobei $\K$ entweder $ℝ$ oder $ℂ$ ist, untersucht. Dabei war das Betrachten von Eigenschaften wie Konvergenz, Stetigkeit und Differenzierbarkeit sehr nützlich. Die Funktionalanalysis beschäftigt sich nun mit vergleichbaren Problemen in üblicherweise unendlich"=dimensionalen Funktionenräumen. Hierfür werden wir versuchen, die aus der klassischen Analysis bekannten Untersuchungsmethoden zu verallgemeinern. Doch zunächst ein paar Probleme, für deren Lösung man die Funktionalanalysis benötigt. \begin{problem-nn} Ein klassisches Beispiel aus der Variationsrechnung: Wir wollen die Funktion \[ f(u) = \int_0^\pi |u'(x)|^2 dx \] unter den Nebenbedingungungen $u(0) = u(\pi ) = 0$ und $\int_0^\pi |u(x)|^2 dx = 1$ minimieren. In der klassischen Analysis haben wir für Minimierungsprobleme mit Nebenbedingungungen Lagrange-Multiplikatoren genutzt. Im unendlich"=dimensionalen Fall ist das jedoch nicht so einfach. Wir betrachten $f : Y → ℝ$ wie oben, wobei $Y$ eine Teilmenge des unendlich"=dimensionalen Funktionenraums \[ X = \left\{ u ∈ C^1[0,\pi ]: u(0) = u(\pi ) = 0 \right\} \] ist, die durch \[ Y = \left\{ u ∈ X: \int_0^\pi |u(x)|^2 dx = 1 \right\} \] gegeben ist. Zwar ist $Y$ (in der $\L^2([0,\pi ])$-Metrik) beschränkt und abgeschlossen, jedoch nicht kompakt. \end{problem-nn} \begin{problem-nn} Sei $\mathcal T = \{ 1, \cos t, \sin t, \cos (2t), \sin (2t), … \} = \{\phi_i\}_{i ∈ ℕ}$. Dann ist bekanntlich \[ \langle \phi_i, \phi_j \rangle = ∫_0^{2\pi } φ_i(t) φ_j(t) dt = 2\pi \delta _{i,j}, \] wobei $\delta _{i,j}$ das Kronecker-Delta bezeichne. Also lässt sich durch Normierung ein Orthonormalsystem aus $\mathcal T$ gewinnen. Jetzt fragen wir uns, ob sich jede $2\pi $-periodische Funktion $u$ bezüglich eines geeigneten Konvergenzbegriffs in eine Reihe $u = \sum_{i ∈ ℕ} \alpha _i φ_i$ mit $\alpha _i ∈ ℝ$ entwickeln können. Bereits bekannt ist, dass das für das entsprechende endlich-dimensionale Problem geht: Sei $T = \{ e_1,…,e_n\}$ die kanonische Standardbasis des $ℝ^n$ Dann gilt bekanntlich \[ \langle e_i, e_j \rangle_{ℝ^n} = \delta _{i,j} \] und für jedes $x ∈ ℝ^n$ ist \[ x = \sum_{i=1}^n \alpha _i e_i, \quad \alpha _i = \langle x, e_i \rangle_{ℝ^n}. \] Wir fragen uns nach den Zusammenhängen zwischen den Problemen im endlich- und unendlich"=dimensionalen. \end{problem-nn} \begin{problem-nn} Das Biegemoment eines Trägers kann man als Randwertaufgabe (gesucht ist $u: [0,1] → ℝ$, gegeben sind $p,r: [0,1] → ℝ$) \[ u''(t) + p(t) u(t) = r(t), \quad u(0) = u(1) = 0 \] bestimmen. Mit Hilfte der sogenannten Green'schen Funktion lässt sich diese Randwertaufgabe in eine Integralgleichung \[ (T_u)(t) \coloneq ∫_0^1 G(t,s) \big(r(s)-p(s)u(s)\big) ds = u \] umwandeln. Das heißt, man sucht einen Fixpunkt eines Integraloperators $T$ in einer geeigneten Menge von Funktionen. \end{problem-nn} Diese Probleme lassen sich mit der klassischen Analysis nicht mehr behandeln. In der Funktionalanalysis behandeln wir nun im Wesentlichen „Analysis in $\infty$-dimensionalen Räumen“ (meist Funktionenräume). Das heißt, wir wollen jetzt anstelle des $\K^n$ allgemeinere Räume betrachten, die jodoch immer noch folgende beide Charakteristika aufweisen: \begin{enumerate} \item Die lineare Struktur (das heißt, Elemente lassen sich addieren und mit einem Skalar multiplizieren) \item Die topologische Struktur (also insbesondere ein Konvergenzbegriff) \end{enumerate} Unser Ziel ist es zunächst, die beiden Strukturen zu erarbeiten. \chapter{Die lineare Struktur} \section{Der lineare Raum} Sei im folgenden stets $\K = ℝ$ oder $\K = ℂ$. Zunächst die \begin{definition}[Vektorraum] Sei $\K$ ein Körper. Eine Abelsche Gruppe $(X,+)$ zusammen mit einer Abbildung \[ \cdot : \K × X → X \] heißt $\K$-Vektorraum, falls für alle $\alpha , β ∈ \K$ und $x, y ∈ X$ gilt: \begin{enumerate}[label=(V\arabic*)] \item $\alpha x+y) = \alpha x + βy$ \item $(\alpha +β)x = \alpha x + βx$ \item $(\alpha β)x = \alpha (βx)$ \item $1 \cdot x = x$ \end{enumerate} \end{definition} \begin{bemerkung-nn} Je nachdem, ob $\K = ℂ$ oder $\K = ℝ$ gilt, heißt $X$ ein \emph{komplexer} oder ein \emph{reeller} Vektorraum. \end{bemerkung-nn} \begin{bemerkung-nn} Eine nichtleere Teilmenge $Y ⊂ X$ ist bereits dann ein linearer Raum, falls aus $\alpha , β ∈ \K$, $x, y ∈ Y$ bereits $\alpha x + βy ∈ Y$ folgt, also $Y$ abgeschlossen unter den Vektorraumoperationen ist. $Y$ heißt dann \emph{linearer Teilraum} oder auch \emph{linearer Unterraum}. \end{bemerkung-nn} \begin{bemerkung-nn} Zu jeder Teilmenge $M ⊂ X$ bildet die Menge aller Linearkombinationen von je endlich vieler Elemente einen linearen Teilraum von $X$. Dieser heißt die \emph{lineare Hülle} von $M$ oder der \emph{Aufspann} von $M$ \[ \lspan M = \left\{ x ∈ X: ∃ l ∈ ℕ, \alpha _1,…,\alpha _l ∈ \K, m_1,…,m_l ∈ M \text{ mit } \sum_{i=1}^l \alpha _i m_i = x \right\}. \] \end{bemerkung-nn} \begin{bemerkung-nn} $M = \{x_\lambda \}_{\lambda ∈ \Lambda } ⊂ X$ heißt \emph{Basis} oder \emph{Hamel-Basis} von $X$, falls $M$ \emph{linear unabhängig}, das heißt, $0 ∈ X$ lässt sich nur auf triviale Art und Weise als Linearkombination endlich vieler der $x_\lambda $ schreiben, und $\lspan M = X$ ist. \end{bemerkung-nn} \begin{bemerkung-nn} Besitzt $X$ eine Basis von $n < \infty $ Elementen, dann heißt $n$ die \emph{Dimension} von $X$ und wir schreiben $\dim X = n$. Andernfalls heißt $X$ \emph{unendlich-dimensional} ($\dim X = \infty $). \end{bemerkung-nn} \begin{bemerkung-nn} Seien $X_1, X_2 ⊂ X$ lineare Teilräume. Dann ist \[ X_1 + X_2 \coloneq \left\{ \alpha x_1 + βx_2: \alpha , β ∈ \K, x_1 ∈ X_1, x_2 ∈ X_2 \right\} \] ebenfalls ein linearer Teilraum. Falls $X_1 ∩ X_2 = \{ 0\}$, schreiben wir $X_1 \oplus X_2$ und nennen die Summe \emph{direkt}. \end{bemerkung-nn} \begin{bemerkung-nn} Sei $Y$ ein linearer Teilraum von $X$. Definiere die Äquivalenzrelation $\sim$ auf $X$ durch $x \sim y \Leftrightarrow x - y ∈ Y$. Dann wird die Menge der Äquivalenzklassen mit vertreterweiser Addition und Multiplikation auch ein $\K$-Vektorraum. Wir schreiben für diesen Vektorraum $X/Y$. \end{bemerkung-nn} \section{Beispiele} \begin{beispiel} Der $ℝ^n$ ist ein linearer Raum über dem Körper $ℝ$. Der $ℂ^n$ ist sowohl ein $ℂ$- als auch ein $ℝ$-Vektorraum. \end{beispiel} \begin{beispiel} Sei $[a,b] ⊂ ℝ$, $a < b$. Dann ist \[ C[a,b] = \{x: [a,b] → \K, x \text { ist stetig}\} \] ein $\K$-Vektorraum mit $\dim C[a,b] = \infty $. Zum Beispiel sind die Monome $(t^k)_{k ∈ ℕ}$ ein unendliches linear unabhängiges System, jedoch keine Basis. Tatsächlich ist jede Basis dieses Raumes überabzählbar. \end{beispiel} \section{Lineare Abbildungen} \begin{definition} Seien $X, Y$ lineare Räume über $\K$. $A: X → Y$ heißt \emph{linear}, falls für alle $x_1, x_2 ∈ X$ und $\alpha , β ∈ \K$ gilt: \[ A(\alpha x_1 + βx_2) = \alpha A(x_1) + βA(x_2). \] $A: X → \K$ heißt \emph{lineares Funktional}. Für $A$ linear heißt $R(A) = \im A = \{A(x): x ∈ X\}$ der \emph{Bildraum} von $A$ und $N(A) = \ker A = \{ x ∈ X: A(x) = 0\}$ der \emph{Kern} von $A$. \end{definition} \begin{bemerkung} Sei $A: X → Y$ linear. \begin{enumerate} \item Sei $M ⊂ X $ ein linearer Unterraum. Dann ist $A(M) ⊂ Y$ wieder ein linearer Unterraum und es gilt $\dim A(M) \le \dim M$ mit Gleichheit bei Injektivität. \item Es gilt \[ A \text{ injektiv} \Longleftrightarrow N(A) = \{ 0\}. \] Allgemeiner ist \[ X/(N(A)) \cong \im A. \] \item Falls $\dim X = \dim Y = n < \infty $, dann ist $A$ genau dann injektiv, wenn $A$ surjektiv ist. \item $A: X → Y$ ist linear und bijektiv genau dann, wenn es eine lineare Umkehrabbildung $A^{-1}: Y → X$ gibt. \item Falls so ein $A: X → Y$ linear und bijektiv existiert, nennen wir $X$ und $Y$ \emph{linear isomorph.} $A$ heißt dann ein \emph{linearer Isomorphismus}. Nur falls $\dim X = \dim Y < \infty $ sind $X$ und $Y$ auch „topologisch“ isomorph. In diesem Fall erhält man die Prototypen $ℝ^n$ und $ℂ^n$ für endlich-dimensionale Vektorräume und andere gitbt es nicht (die sie auch als Topologische Räume isomorph sind). \end{enumerate} \end{bemerkung} \begin{beispiel-nn} $X = \{ x: [a,b] → ℝ, x, \dot x, \ddot x \text{ stetig},\; x(a) = \dot x(a) = 0\}$ ist ein linearer Raum. Sei $Y = C[a,b]$ und $A: X → Y$ gegeben durch \[ (Ax)(t) \coloneq \ddot x(t) + c_1 (t) \dot x (t) + c_2 (t) x(t), \quad t ∈ [a,b], c_1,c_2 ∈ C[a,b]. \] Dann ist $A$ linear, weil differenzieren linear ist und $A$ ist injektiv: Zunächst ist $x = 0$ eine Lösung der linearen Differentialgleichung zweiter Ordnung $Ax = 0$. Die Theorie der Differentialgleichungen sagt uns, dass diese Differentialgleichung eine eindeutige Lösung des Anfangswertsproblems ist. $A$ ist aber auch surjektiv: Sei $y ∈ Y$ gegeben, dann suchen wir $x ∈ X$ mit $Ax = y$. Also wollen wir eine inhomogene Differentialgleichung zweiter Ordnung lösen. Auch diese ist nach der Theorie von gewöhnlichen Differentialgleichungen eindeutig lösbar. Also ist $A$ bijektiv, das heißt, es gibt eine lineare Abbildung $A^{-1}: Y → X$. Diese Inverse ist in der Regel schlecht anzugeben. Einen einfacheren Spezialfall dazu wird in der Übung behandelt. \end{beispiel-nn} \begin{beispiel-nn} Sei $X = Y = C[a,b]$, $A: X → X$ gegeben durch \[ (Ax)(t) \coloneq ∫_a^b k(s,t) x(s) ds, \quad t ∈ [a,b], \] wobei $k : [a,b] × [a,b] → ℝ$ stetig und gegeben ist. Dann ist $A$ linear, da das Integral linear ist. Auch ist, wenn $\lambda ∈ ℝ$ ein Parameter ist, die Abbildung \[ (A_\lambda x)(t) \coloneq \lambda x(t) - (Ax)t), \quad t ∈ [a,b] \] linear. Die Probleme $Ax = y$ (bei gegebenem $y ∈ Y$ und gesuchtem $x ∈ X$) oder $A_\lambda x = 0$ (gesucht ist $\lambda ∈ ℝ$ und eine nichttriviale Lösung $x ∈ X \setminus \{ 0\}$) heißen Integralgleichungen erster und zweiter Ordnung. \end{beispiel-nn} \begin{beispiel-nn} Sei $X = C[a,b]$, $A : X → ℝ$ mit \[ Ax = x(t_0), \] wobei $t_0 ∈ [a,b]$ fest gewählt sei. Eine andere lineare Abbildung $A: X → ℝ$ ist gegeben durch \[ Ax = ∫_a^b x(t) dt \] Dann sind beide Abbildungen $A$ linear und nicht injektiv, aber surjektiv. \end{beispiel-nn} \begin{beispiel-nn} Sei $X = \ell^2$, $A: X → X$. Für $x = (ξ_n)_{n ∈ ℕ}$ sei \[ Ax = (0,ξ_1, ξ_2, \dots) ∈ \ell^2. \] $A$ heißt (Rechts-)Shiftoperator und ist linear und injektiv, jedoch nicht surjektiv. Solche Abbildungen gibt es für $\dim X = \dim Y < \infty $ nicht. \end{beispiel-nn} \section{Duale Räume} $A: X → \K$ sei ein lineares Funktional, $X$ ein linearer Raum. Wir verwenden ein neues Symbol (statt $A$) \[ x': X → \K = \begin{cases} ℝ \\ ℂ \end{cases} \text{ linear}. \] Wir schreiben nun \[ x'(x) =: \langle x, x' \rangle = \langle x, x' \rangle_{X × X^f} ∈ \K. \] Wir setzen \[ X^f \coloneq \left\{ x': x' \text{ ist lineares Funktional auf } X \right\}. \] Hierbei sollte man nicht $x'$ nicht mit der Ableitung von $x$ verwechseln. Auch ist $\langle -, - \rangle_{X × X^f}$ kein Skalarprodukt. Der Raum $X^f$ wird auf natürlicher Weise zum linearen Raum mit \[ (\alpha x_1' + βx_2')(x) \coloneq \alpha x_1'(x) + βx_2'(x), \quad x ∈ X, x_1', x_2' ∈ X^f, \alpha , β ∈ \K. \] So ist \[ \langle -,- \rangle_{X×X^f}: X × X^f → \K \] bilinear. \begin{definition} $X^f$ heißt der \emph{algebraische Dualraum} zu $X$. $X^{ff} \coloneq (X^f)^f$ heißt der \emph{biduale Raum} zu $X$. \end{definition} \begin{beispiel-nn} $X^{ff}$ liefert die kanonische Abbildung \[ J: X → X^{ff}, \; x ↦ J(x) = x'' \] mit \[ \langle x', x'' \rangle \coloneq \langle x. x' \rangle \quad ∀x' ∈ X^f. \] Damit ist $x'': X^f → \K$ linear wohldefiniert. \end{beispiel-nn} \begin{definition} Der lineare Raum $X$ heißt \emph{algebraisch reflexiv}, falls $J$ bijektiv ist (und damit $X$ linear isomorph zu $X^{ff}$) ist. \end{definition} \begin{bemerkung} $X$ ist genau dann algebraisch reflexiv, wenn $\dim X < \infty $ ist. Im Fall $\dim X < \infty $ lässt sich leicht eine duale Basis angeben: Sei dazu $M \coloneq \{x_1,…,x_n\}$ eine Basis von $X$. Dann wird durch \[ \langle x_i, x_k' \rangle \coloneq \delta _{i,k} \] und linearer Fortsetzung die Menge $ M \coloneq \{x_1',…,x_n'\} ⊂ X^f$ erklärt. Dann ist $M'$ eine Basis von $X'$, die die \emph{duale Basis} von $M$ genannt wird. Tatsächlich ist $X^f$ im Falle $\dim X = \infty $ wesentlich größer. Man wählt deshalb eine (neue) Defintion des Dualraums: \end{bemerkung} \begin{definition}[Dualraum] Zu einem linearen Raum $X$ ist \[ X' \coloneq \left\{ x' : X → \K, x' \text{ linear und stetig} \right\} ⊂ X^f \] der Dualraum von $X$. \end{definition} Um Allerdings von Stetigkeit reden zu können, müssen wir zunächst \emph{Topologien} einführen. \chapter{Topologie} \section{Topologische Räume} \begin{definition} Sei $X$ eine Menge und $\mathcal T ⊂ \Pot X$ eine Menge von Teilmengen von $X$. $\mathcal T$ heißt eine \emph{Topologie} auf $X$, falls $\mathcal T$ unter endlichen Durchschnitten und beliebigen Vereinigungen abgeschlossen ist. Insbesondere muss $\mathcal T$ $\emptyset$ als leere Vereinigung und $X$ als leeren Schnitt enthalten. $(X,\T)$ heißt dann \emph{topologischer Raum}. Die Elemente von $\T$ heißen \emph{offene Mengen} \end{definition} \begin{beispiele} \begin{enumerate}[label=(\alph*)] \item Für alle Mengen $X$ ist $\T = \{ ∅, X\}$ eine Topologie auf $X$, die sogenannte \emph{indiskrete Topologie}, \emph{gröbste Topologie} oder auch \emph{Klumpentopologie}. \item Für alle Mengen $X$ ist $\T = \Pot X$ eine Topologie, die sogenannte \emph{diskrete Topologie} oder \emph{feinste Topologie} auf $X$. \item In Analysis I wird eine Menge $U ⊂ ℝ$ für offen erklärt, wenn es zu jedem $x ∈ U$ ein $\epsilon > 0$ gibt, so dass für alle $ y ∈ ℝ$ mit $|x - y| < \epsilon $ auch $y ∈ U$ gilt. Aus der Analysis ist bekannt, dass die so definierten offenen Mengen den Axiomen genügen. Diese Topologie $\Tnat$ wird \emph{natürliche Topologie} genannt. \item Sei $X$ eine beliebige Menge. Die \emph{cofinite Topologie} auf $X$ wird definiert als \[ \Tcof = \{ Y ⊂ X: Y = ∅\; \text{oder}\; \complement_X Y\, \text{ist endlich}\} \] \item Der \emph{Sierpinski-Raum} ist die Menge $\{0,1\}$ versehen mit der Topologie $\{ ∅, \{0\}, \{0,1\}\}$. \end{enumerate} \end{beispiele} \begin{definition} Sei $M ⊂ X$. \begin{enumerate} \item $M$ heißt \emph{abgeschlossen}, wenn $X \setminus M$ offen ist. \item $U ⊂ X$ heißt \emph{Umgebung von $A$}, wenn es eine offene Menge $V$ gibt mit $A ⊂ V ⊂ U$. Wir setzen \[ \U_A \coloneq \U_A (\T) \coloneq \{ U ⊂ X : U\; \text{Umgebung von $A$}\}. \] $\U_A$ heißt \emph{Umgebungssystem} oder \emph{Umgebungsfilter} von $A ⊂ X$. Für $x ∈ X$ setzen wir $\U_x \coloneq \U_{\{x\}}$. $x$ heißt dann \emph{innerer Punkt} von $U$ für alle $U ∈ \U_x$. \item $x ∈ X$ heißt \emph{Häufungspunkt} von $M$, falls jede Umgebung von $x_0$ ein $y ∈ M$ enthält mit $y \ne x$.k \item Das \emph{Innere von M} ist \[ M^\circ \coloneq \bigcup \left\{ U ∈ \T: U ⊂ M \right\} \] die größte offene Menge, die in $M$ enthalten ist. \item Der \emph{Abschluss von} M ist \[ \cl M \coloneq \bigcap \left\{ U ⊂ M: U \text{ abgeschlossen} \right\} \] die kleinste abgeschlossene Menge, die $M$ enthält. \item $M$ heißt \emph{kompakt}, falls jede offene Überdeckung von $M$ eine endliche Teilüberdeckung besitzt. \item $M$ heißt \emph{dicht}, falls $\cl M = X$. \item $M$ heißt \emph{nirgends dicht}, falls $(\cl M)^\circ = \emptyset$. \end{enumerate} \end{definition} \begin{bemerkung} \begin{enumerate} \item $M^\circ ⊂ M ⊂ \cl M$. \item $M^\circ$ ist die Menge der inneren Punkte von $M$. \item $M$ ist genau dann abgeschlossen, wenn $M = \cl M$. \end{enumerate} \end{bemerkung} %%%%% VORLESUNG VOM DONNERSTAG, 19. OKTOBER FEHLT \begin{definition}[Hausdorff-Raum] Sei $(X,\T)$ eine topologischer Raum. Für alle $x,y \in X$ mit $x \neq y$ existieren $U \in \U_x, V \in \U_x$ mit $U \cap V = \emptyset$. Dann heißt $(X,\T)$ Hausdorff-Raum bzw. genügt dem Trennungsaxiom. \end{definition} \begin{definition}[Konvergenz] Eine Folge $\{x_{n}\}_{n \in \N} \subset X$ heißt konvergent gegen $x_{0} \in X$, falls zu jeder Umgebung $U \in \U_{x_{0}}$ ein $n_{0} \in \N$ existiert, sodass $x_{n} \in U$ für alle $n \geq n_{0}$. \end{definition} \begin{bemerkung} Man überlegt sich leicht, dass der Grenzwert $x_{0}$ in der Regel nicht eindeutig ist. Bsp: In $\T=\{X,\emptyset\}$ konvergiert jede Folge gegen jeden Punkt. Ist $(X,\T)$ jedoch ein Hausdorff-Raum, so ist jeder Grenzwert eindeutig. \end{bemerkung} \begin{beweis} Seien $x_{0} \neq x'_{0}$ Grenzwerte von $(x_{n})_{n \in \N} \subset X$. Dann existieren disjunkte Umgebungen $U,U' ∈ \U_{x_0}$. Weiterhin gibt es ein $n_{0} \in \N$, so dass $x_{n} \in U$ für alle $n \geq n_{0}$ und $n_0' \in \N$, so dass $x_{n} \in U'$ für alle $n \geq n_0'$. Also gilt $x_{\max\{n_0,n'_0\}} \in U \cap U'$ Das ist ein Widerspruch zur Disjunktheit der Umgebungen. \end{beweis} \begin{definition}[Häufungspunkt] $x_{0} \in X$ heißt Häufungspunkt von $\{x_{n}\}_{n \in \N} \subset X$, falls zu jeder Umgebung $U \in \U_{x_{0}}$ und für alle $k \in \N$ ein $n \geq k \in \N$ existiert, sodass $x_{n} \in U$. \end{definition} \begin{beispiel} $\{x_{n}\}_{n \in \N} \subset \R$ mit natürlicher Topologie. $x_{n}=(-1)^n$ hat zwei HP $\pm 1$ Achtung: $M=\{x_{n}:n \in \N\}=\{-1,1\}$ hat als Menge keine HP. \end{beispiel} \begin{bemerkung} Für die indiskrete Topologie ist jeder Punkt in X HP jeder Folge. \end{bemerkung} \begin{definition}[Stetigkeit] $f : (X,\T_{X}) \rightarrow (Y,\T_{Y})$ heißt stetig, falls für alle $V \in \T_{Y}$ gilt, dass $f^{-1}(V) \in \T_{X}$. \end{definition} \begin{bemerkung} $f$ ist stetig $\Longleftrightarrow$ $f$ ist stetig in jedem Punkt \end{bemerkung} \begin{definition}[Homöomorphismus] Ist $f : (X,\T_{X}) \rightarrow (Y,\T_{Y})$ bijektiv und stetig, und $f^{-1} : (Y,\T_{Y}) \rightarrow (X,\T_{X})$ auch stetig, dann heißt $f$ Homöomorphismus. $X$ und $Y$ heißen homöomorph, falls so ein Homöomorphismus existiert. \end{definition} \begin{definition}[Basis von Topologien und Umgebungen] \begin{enumerate} \item Eine Familie $B \subset \T$ heißt Basis der Topologie in $(X,\T)$, falls $T={\cup M: M \subset B}$. \item Eine Familie $B \subset \U_{x}$ von $x \in X$ heißt Umgebungsbasis des Punktes $x$, falls für alle $U \in \T, x \in U$ existiert ein $V \in B$ mit $x \in V \in U$. \end{enumerate} \end{definition} \begin{beispiel} Für die natürliche Topologie auf $\R^n$ ist eine Basis der Topologie gegeben durch ${B_{\eps}(x): x \in X, \eps > 0}$ mit den offenen Kugeln $B_{\eps}(x)={y \in R^n : \norm{x-y}<\eps}$. Sei $x \in \R^n$ fest. Dann ist ${B_{1/n}(x):n \in \N}$ eine abzählbare Umgebungsbasis von x \end{beispiel} \begin{definition}[Relativtopologie oder Spurtopologie] $M \subset \T$ eines topologischen Raumes $(X,\T)$ lässt sich in natürlicher Weise zu einem topologischen Raum machen, nämlich mit $\T' \coloneq {M \cap V : V \in \T}$. \end{definition} \begin{bemerkung} $M = M \cap X \in \T'$ da $X \in \T$, d.h. $M$ ist offen in der Spurtopologie. Achtung: $M$ muss nicht offen in $X$ sein. \end{bemerkung} \begin{definition} Seien zwei Topologien $\T_{1},\T_{2}$ auf X gegeben. Wir sagen $\T_{1}$ ist feiner als $\T_{2}$, falls $\T_{1} \supset \T_{2}$. Wir sagen $\T_{1}$ ist gröber als $\T_{2}$, falls $\T_{1} \subset \T_{2}$. Wir sagen die Topologien sind gleich, falls $\T_{1}=\T_{2}$. \end{definition} \begin{bemerkung} Sei $\T_{1}$ feiner als $\T_{2}$. Die feinere Topologie $\T_{1}$ enthält mehr offene Mengen, und damit zu jedem Grenzwert $x_{0}$ weniger konvergte Folgen. Man zeigt leicht: $\T_{1}$ ist feiner als $\T_{2}$ $\Longleftrightarrow$ Für alle $x \in X$ gilt: Seien $B_{1} \subset T_{1},B_{2} \subset T_{2}$ Umgebungsbasen von $x$, dann gilt für alle $U \in B_{1}$, dass ein $V \in B_{2}$ existiert mit $V \subset U$. \end{bemerkung} \begin{beispiel} Folgende Topolgien auf $\R^n$ sind gleich. $\T_{1}$ sei die Topologie, die durch die Kugeln $B_{\eps}(x)={y \in R^n : \norm{x-y}<\eps}$ erzeugt wird. $\T_{2}$ sei die Topologie, die durch die Quader $B_{\eps}(x)={y \in R^n : \max_{1 \leq i \leq n} |y_{i}-x_{i}|<\eps}$ erzeugt wird. \end{beispiel} \begin{definition}[Produkttopologie] Seien $(X,\T_{X}),(Y,\T_{Y})$ topologische Räume. Dann sit die Familie von Mengen $\{U_{X} \times U_{Y} : U_{X} \in \T_{X}, U_{Y} \in \T_{Y} \} \subset 2^{X \times Y}$ eine Basis der Topologie $\T_{X \times Y}$ im kartesischen Produkt $X \times Y$. Bemerkung: Es genügt auch wenn $U_{X},U_{Y}$ über Basen von $\T_{X},\T_{Y}$ genommen werden. \end{definition} \section{Metrische Räume} \begin{lemma}[Eigenschaften metrischer Räume] Sei $(X,d)$ ein metrischer Raum. \begin{enumerate} \item Jeder Punkt $x ∈ X$ besitzt eine abzählbare Umgebungsbasis \[ \{ B_{1/n} (x), n ∈ ℕ\}. \] \item Es gilt \[ \lim_{n \to \infty } x_n = x \; \Longleftrightarrow \; \lim_{n→\infty } d(x,x_n) = 0. \] \item Es ist $x_0 ∈ M$ genau dann ein innerer Punkt von $M ⊂ X$, wenn ein $\epsilon > 0$ existiert mit $B_\epsilon (x_0) ⊂ M$. \item $M$ ist nirgends dicht in $X$ genau dann, wenn es zu jeder Kugel $B_\epsilon (x_0)$ mit $x_0 ∈ X, \epsilon > 0$ eine Kugel $B_\delta (x_1) ⊂ B_\epsilon (x_0)$ mit $B_\delta(x_1) ∩ M = \emptyset$ gibt. \item Seien $(X,d_X)$ und $(Y,d_Y)$ metrische Räume. Dann ist auch $(X×Y,d_{X×Y})$ ein metrischer Raum vermöge der Metrik \[ d_{X×Y}((x_1,y_1),(x_2,y_2)) \coloneq \max\{d_x(x_1,x_2),d_y(y_1,y_2)\} \] oder auch mit \[ d_{X×Y}((x_1,y_1),(x_2,y_2)) \coloneq \sqrt{d_x^2(x_1,x_2)+d_y^2(y_1,y_2)}. \] Tatsächlich induzieren diese beiden Metriken die gleiche Topologie (nämlich die Produkttopologie) \item Homöomorphismen $f: X → Y$ (für metrische Räume $X, Y$), die die Metrik respektieren, das heißt \[ d_X(x_1,x_2) = d_Y(f(x_1),f(x_2)) \quad ∀x_1, x_2 ∈ X \] heißen \emph{Isometrien}. \item Ein metrischer Raum muss im allgemeinen keine lineare Struktur haben. Man betrachte hierzu die Menge $X \coloneq \{1,2,3,4,5,6\}$ mit der diskreten Metrik. Diese kann keine Vektorraumstruktur haben, da $|X| = 6$ keine Primzahlpotenz ist. \end{enumerate} \end{lemma} \begin{proof} Der Beweis wird aufgrund seiner Trivialität den Lesern zur Übung überlassen, da er wirklich nur Einsetzen der Definitionen ist. \end{proof} Nun ein paar Charakterisierungen von kompakten Mengen in metrischen Räumen. \begin{satz} Im metrischen Raum $(X,d)$ sind äquivalent: \begin{enumerate} \item $K ⊂ X$ ist kompakt (überdeckungskompakt) \item Jede Folge in $K$ besitzt mindestens einen Häufungspunkt in $K$ (abzählbar kompakt) \item Jede Folge in $K$ besitzt eine konvergente Teilfolge mit Grenzwert in $K$ (folgenkompakt) \end{enumerate} \end{satz} \begin{bemerkung} Der Satz gilt so im allgemeinen Hausdorff-Raum \emph{nicht}. Für „$(b) \Rightarrow (a)$“ benötigt man zusätzlich das zweite Abzählbarkeitsaxiom, also die Existenz einer abzählbaren Basis der Topologie. Für „$(b) \Rightarrow (c)$“ benötigt man das erste Abzählbarkeitsaxiom, also die Existenz von abzählbaren Umgebungsbasen für jeden Punkt. \end{bemerkung} \section{Vollständigkeit in metrischen Räumen und der Satz von Baire} \begin{definition} Eine Folge $(x_n)_{n ∈ ℕ} ⊂ X$ in $(X,d)$ heißt \emph{Cauchy-Folge}, falls zu jedem $\epsilon > 0$ ein $N = N(\epsilon )$ existiert mit $d(x_m,x_n) < \epsilon $ für alle $n,m \ge N$. \end{definition} \begin{lemma} Jede Konvergente Folge $(X_n)_{n ∈ ℕ} ⊂ X$ ist auch eine Cauchy-Folge. \end{lemma} \begin{definition} Der metrische Raum $(X,d)$ heißt \emph{vollständig}, falls jede Cauchy-Folge in $(X,d)$ konvergiert. \end{definition} Nicht jeder metrische Raum braucht vollständig zu sein (man betrachte hierfür z.B. $ℚ$ und die Folge der Partialsummen der Dezimalbruchentwicklung von $\sqrt 2$), jedoch lässt sich jeder metrische Raum zu einem vollständigen Erweitern. \begin{satz} Jeder metrische Raum $(X,d)$ lässt sich in einen bis auf Isometrie eindeutig bestimmten kleinsten vollständigen metrischen Raum $(\tilde X, \tilde d)$ einbetten. Dieser Raum $(\tilde X, \tilde d)$ heißt die Vervollständigung von $(X,d)$. \end{satz} \begin{proof} Zwei Cauchyfolgen $(x_n)_{n ∈ ℕ}$ und $(y_n)_{n ∈ ℕ}$ seien äquivalent, falls $d(x_n,y_n) \xrightarrow[n → \infty ]{} 0$. Hierdurch ist eine Äquivalenzrelation definiiert. Sei $[(x_n)_{n ∈ ℕ}]$ die vom Repräsententaten $(x_n)_{n ∈ ℕ}$ erzeugte Klasse. Man setzt \[ \tilde X \coloneq \{ [ (x_n)_{n ∈ ℕ}] : (x_n)_{n ∈ ℕ} \text{ ist Cauchy-Folge in }(X,d)\} \] und \[ \tilde d([(x_n)_{n ∈ ℕ}],[(y_n)_{n ∈ ℕ}]) \coloneq \lim_{n → \infty } d(x_n,y_n). \] Dann ist $(d(x_n,y_n))_{n ∈ ℕ}$ eine Cauchy-Folge in $ℝ$, da \[ |d(x_n,x_m) - d(y_m,y_m) | \le \underbrace{d(x_n,x_m)}_{→ 0} + \underbrace{d(y_n,y_m)}_{→ 0}. \] Da $ℝ$ bekanntlich vollständig ist, existiert somit der Grenzwert. Ferner ist $\tilde d$ Repräsentatenunabhängig, also wohldefiniert: Seien $(\tilde x_n)$ und $(\tilde y_n)$ andere Repräsentaten. Dann ist \[ d(x_n,y_n) \le \underbrace{d(x_n,\tilde x_n)}_{→ 0} + d(\tilde x_n,\tilde y_n) + \underbrace{d(\tilde y_n, y_n)}_{→ 0}. \] Die umgekehrte Ungleichung ergibt sich aus Vertauschung der Rollen. Man rechnet leicht nach, dass $(\tilde X, \tilde d)$ ein vollständiger Raum ist. Wir können $(X,d)$ durch die entsprechenden konstanten Folgen isometrisch in $\tilde X$ einbetten. \end{proof} \begin{bemerkung-nn} Wendet man diese Technik auf $ℚ$ mit der natürlichen Metrik an, dann erhält man $(ℝ,d)$ als vollständige Hülle. Man beachte jedoch, dass dies nicht für die Konstruktion von $ℝ$ ausreicht, da hier schon die Existenz von $ℝ$ verwenden wird -- Aber das funktioniert größtenteils analog. \end{bemerkung-nn} \begin{satz}[Schachtelsatz]\label{schachtelsatz} Sei $(X,d)$ ein vollständiger metrischer Raum und seien $(x_n)_{n * ℕ} ⊂ X$ und $(r_n)_{n ∈ ℕ} ⊂ (0,\infty ) $ Folgen mit der Eigenschaft \begin{enumerate} \item $\cl B_{r_{n+1}}(x_{n+1}) ⊂ B_{r_n} (x_n)$ \item $\lim_{n \to \infty } r_n = 0$. \end{enumerate} Dann gibt es genau ein $x_0 ∈ X$ mit $x_0 ∈ \bigcap_{n ∈ ℕ} \cl B_{r_n} (x_n)$. \end{satz} \begin{proof} Für $p ∈ ℕ$ beliebig gilt \[ \cl B_{r_{n+p}} (x_{n+p}) ⊂ \cl B_{r_n} (x_n). \] Also \[ d(x_{n+p},x_n) \le r_n \xrightarrow[n → \infty ]{} 0. \] Damit ist $(x_n){n ∈ ℕ}$ eine Cauchyfolge und damit konvergiert gegen ein $x_0 ∈ X$. Außerdem gilt \[ d(x_p,x_n) \le \underbrace{d(x_0, x_{n+p})}_{→ 0 (p → \infty )} + \underbrace{d(x_{n+p},x_n)}_{ \le r_n}. \] Damit folgt für $p → \infty $ \[ d(x_0, x_n) \le r_n \quad ∀ n ∈ ℕ \] also $x_0 ∈ \bigcap_{n ∈ ℕ} \cl B_{r_n}(x_n)$. Für die Eindeutigkeit sei $\tilde x_0$ ebenfalls in $\bigcap_{n ∈ ℕ} \cl B_{r_n}(x_n)$. Dann folgt \[ d(x_0,\tilde x_0) \le \underbrace{d(x_0,x_n)}_{\le r_n} + \underbrace{d(x_n, \tilde x_0)}_{\le r_n} \le 2r_n \xrightarrow[n → \infty ]{} 0. \] Doch damit war bereits $x_0 = \tilde x_0$. \end{proof} \begin{definition} Eine Teilmenge $M$ eines metrischen Raumes $(X,d)$ heißt \emph{von erster Kategorie} oder \emph{mager}, falls sie die Vereinigung abzählbar vieler in $X$ nirgends dichter Mengen ist. Andernfalls heißt $M$ \emph{von zweiter Kategorie}. \end{definition} Der folgende Satz wird beim Beweis mehrerer fundamentaler Sätze benötigt, z.B beim Prinzip der gleichmäßigen Beschränktheit oder dem Open-Mapping-Theorem. \begin{satz}[Baire]\label{baire} Jede nichtleere offene Menge eines vollständigen metrischen Raumes $(X,d)$ ist von zweiter Kategorie (insbesondere $X$ selbst) \end{satz} \begin{proof} Sei $ \emptyset \ne M ⊂ X$ offen. Wir nehmen umgekehrt an, $M$ wäre von erster Kategorie, das heißt \[ M ⊂ \bigcup_{n ∈ ℕ} M_n \] mit $M_n ⊂ X$ nirgends dicht. Wähle $x_0 ∈ M$. Da $M$ offen ist, gibt es ein $r = r_0 > 0$ mit $B_{r_0}(x_0) ⊂ M$. Da $M_1$ nirgends dicht ist, gibt es $r_1 > 0$ und $x_1 ∈ X$ mit \[ B_{r_1}(x_1) ⊂ B_{r_0/2} (x_0) \] und $B_{r_1}(x_1) ∩ M_1 = \emptyset$. Analog finden wir, da $M_2$ nirgends dicht ist, $r_2 > 0$ und $x_2 ∈ X$ mit \[ B_{r_2}(x_2) ⊂ B_{r_1/2} (x_1) \] und $B_{r_2}(x_2) ∩ M_2 = \emptyset$. Durch Fortsetzen dieses Schemas finden wir eine Folge $(x_n)_{n ∈ ℕ} ⊂ X$ und Radien $(r_n)_{n ∈ ℕ} ⊂ (0,\infty )$ mit $r_n \le r/2^n \xrightarrow[n → \infty ]{} 0$. Damit sind alle Voraussetzungen von \cref{schachtelsatz} erfüllt. Folglich existiert genau ein \[ \tilde x ∈ \bigcap_{n ∈ ℕ} B_{r_n} (x_n) ⊂ B_r(x_0) ⊂ M. \] Aber $\tilde x \not\in M_n$ für alle $n ∈ ℕ$ Folglich ist auch $\tilde x$ nicht in $\bigcup_{n ∈ ℕ} M_n = M$. Das ist ein Widerspruch. Also ist $M$ von zweiter Kategorie. \end{proof} % \begin{satz}[Satz von Baire]\label{44-baire} % Sei $(X,\T)$ ein vollständig metrisierbarer oder lokalkompakter Hausdorff\hyp{}Raum % \begin{enumerate} % \item % Sei $(U_n)_{n ∈ ℕ}$ eine Folge offener, dichter Teilmengen von $X$. % Dann ist auch $\bigcap_{n ∈ ℕ} U_n ⊂ X$ dicht. % \item % Sei $(A_n)_{n ∈ ℕ}$ eine Folge nirgends dichter Teilmengen. Dann ist % $\bigcup_{n ∈ ℕ} A_n \ne X$. % \item % Sei $(A_n)_{n ∈ ℕ}$ eine Folge abgeschlossener Teilmengen mit % $\bigcup_{n ∈ ℕ} A_n = X$. Dann gilt für mindestens ein $n ∈ ℕ$, dass $A_n^\circ % \ne \emptyset$. % \end{enumerate} % \end{satz} % \begin{proof} % \begin{enumerate} % \item % Sei $W ⊂ X$ offen und nichtleer. Zu zeigen: $\bigcap_{n ∈ ℕ} U_n ∩ W \ne % \emptyset$. Sei zunächst $X$ vollständig metrisierbar durch die Metrik % $d$. Da $U_1 ∩ W$ offen und nichtleer nach Annahme gibt es $x_1 ∈ U ∩ W$ % und $0 < r_1 < 1$ mit $B_{r_1}(x_1) ⊂ U_1 ∩ W$. Wir wählen nun induktiv % Punkte $x_n ∈ X$ und Zahlen $0 < r_n < 1$ (für $n \ge 2$) mit folgenden % Eigenschaften: % \begin{enumerate}[label=(\roman*)] % \item % $0 < r_n < \frac 1 n$ % \item % $\cl{B_{r_n}(x_n)} ⊂ U_n ∩ B_{r_{n-1}} (x_{n-1})$ % \end{enumerate} % Dazu beachte man, dass $U_n ∩ B_{r_{n-1}}(x_{n-1})$ nichtleer und offen % ist, also existiert $x_n$ und $\frac 1 n > \epsilon > 0$ mit $B_\epsilon (x_n) ⊂ U_n ∩ % B_{r_{n-1}} (x_{n-1})$ und $r_n = \frac \epsilon 2$ ist wie gewünscht. Für $m % \ge n$ impliziert (ii), dass $x_m ∈ B_{r_n}(x_n)$ und aus (i) folgt, % dass die Folge $(x_n)_{n ∈ ℕ}$ damit eine Cauchyfolge ist. Damit % konvergiert $(x_n)_{n ∈ ℕ}$ gegen ein $x ∈X$. Sei nun $N ∈ ℕ$ und $m > % N$. Dann folgt aus $x_m ∈ B_{r_N}(x_N)$, dass % \begin{align*} % x &= \lim_{m → \infty } x_m ∈ \cl{B_{r_N}(x_n)} ⊂ U_N ∩ B_{r_{N-1}}(x_{N-1}) \\ % & ⊂ U_N ∩ B_{r_1}(x_1) ⊂ U_N ∩ W, % \end{align*} % also $x ∈ \bigcap_{n ∈ ℕ} U_N ∩ W$. % Sei Nun $X$ lokalkompakt. Da $U_1 ∩ W$ offen und nichtleer ist, gibt es % $x ∈ U_1 ∩ W$, und es ist $U_1 ∩ W ∈ \U_x$. Wähle $B_1 ∈ \U_x$ kompakt % mit $B_1 ⊂ U_1 ∩ W$. Wir konstruieren nun sukzessive kompakte Mengen % $B_k$ (zu $k \ge 2$) mit folgenden Eigenschaften: % \begin{enumerate}[label=(\roman*)] % \item % $B_k ⊂ B_{k-1}$ % \item % $\emptyset \ne B_k^\circ ⊂ B_k ⊂ U_k$. % \end{enumerate} % Ist $B_{k-1}$ gegeben, so ist wegen $B_{k-1}^\circ \ne \emptyset$ und % der Dichtheit von $U_k$ der Schnitt $B_{k-1}^\circ ∩ U_k$ offen und % nichtleer. Es gibt also ein $x ∈ B_{k-1}^\circ ∩ U_k$ und damit auch % eine kompakte $x$-Umgebung $B_k ⊂ U_k ∩ B_{k-1}$. % Die Familie $(B_k)_{k ∈ ℕ}$ nichtleerer Teilmengen der kompakten Menge % $B_1$ ist absteigend, besitzt also die endliche Durschnittseigenschaft. % Da $X$ hausdorffsch und die $B_k$ kompakt sind, ist zudem jedes $B_k$ % abgeschlossen, somit folgt % \[ % \emptyset \ne \bigcap_{k ∈ ℕ} B_k ⊂ \bigcap _{k ∈ ℕ}U_k % \] % sowie % \[ % \bigcap_{k ∈ ℕ} B_k ⊂ B_1 ⊂ W. % \] % Insgesamt also % \[ % \emptyset \ne \bigcap_{k ∈ ℕ} B_k ⊂ \bigcap_{k ∈ ℕ} U_k ∩ W. % \] % \item % Für $n ∈ ℕ$ Sei $U_n = \complement_X \cl{A_n}$. Dann ist $U_n$ offen und % dicht. Mit Teil (a) folgt, dass auch $\bigcap_{n ∈ ℕ U_n }$ dicht, und % somit insbesondere nicht leer, ist. Also ist $\bigcup_{n ∈ ℕ} A_n % ⊂ \bigcup_{n ∈ ℕ} \cl{A_n} = (\bigcap_{n ∈ ℕ} U_n)^\complement \ne X$. % \item % Das ist eine direkte Konsequenz aus (b). % \end{enumerate} % \end{proof} \chapter{Topologische lineare Räume} Erklärtes Ziel dieses Kapitels wird sein, die beiden Strukturen aus den vorherigen beiden Kapiteln, also die Topologie und den linearen Raum zusammenzuführen. \begin{definition} Ein linearer Raum $X$ über dem Körper $\K$ mit Topologie $\T$ heißt \emph{topologischer linearer Raum}, falls die Vektorraumoperationen ($+ : X×X → X$ und $\cdot: \K×X → X$) stetig sind. \end{definition} \begin{bemerkung-nn} Stetigkeit der Vektorraumoperationen sollte als minimales Kompatibilitätskriterium der beiden Strukturen gefordert werden. Tatsächlich ist es im Allgemeinen gar nicht erfüllt. Erst im normierten Raum bekommt man diese Stetigkeit geschenkt. \end{bemerkung-nn} \section{Normierte Räume} \begin{definition} Sei $X$ ein linearer Raum über $\K$. Die Abbildung $\norm\cdot: X → [0,\infty )$ heißt \emph{Norm} auf $X$, falls für alle $x, y ∈ X, \alpha ∈ K$ gilt: \begin{enumerate} \item $\norm x = 0 \Longleftrightarrow x = 0$ \item $\norm{\alpha x} = |\alpha | \norm x$ \item $\norm{x+y} \le \norm x + \norm y$ \end{enumerate} $(X,\norm\cdot)$ heißt dann \emph{normierter Raum}. \end{definition} \begin{bemerkung} Durch $d(x,y) \coloneq \norm{x-y}$ wird ein normierter Raum auch ein metrischer, also insbesondere auch ein topologischer Raum. Diese induzierte Topologie auf $(X, \norm\cdot)$ heißt \emph{Normtopologie}. Ohne die lineare Struktur macht der normierte Raum gar keinen Sinn, da für die Definition einiger der Normaxiome die Vektorraumoperationen verwendet werden. \end{bemerkung} \begin{beispiele} \begin{enumerate} \item Betrachte den $ℝ^n$ mit $\norm x _{p} \coloneq \left( \sum_{i=1}^n |x_i|^p \right)^{1/p}$ mit $1 \le p < \infty $ ist ein normierter Raum, genauso wie mit $\norm{x}_{\infty } \coloneq \max_{1 \le i \le n} |x_i|$. Insbesondere gibt es im $ℝ^n$ überabzählbar viele verschiedene Normen. Wir werden jedoch später sehen, dass diese Normen alle die gleiche Topologie erzeugen. \item Der Raum aller stetigen Funktionen auf einem kompaktem Intervall $C[a,b]$ mit $\norm{x}_{\infty } \coloneq \max_{t ∈ [a,b]} |x(t)|$ ist ein normierter Raum. Außerdem wird durch \[ \norm x \coloneq ∫_a^b |x(t)| dt \] ebenfalls eine Norm definiert. \item Sei $\Omega ⊂ ℝ^n$ offen und beschränkt. Dann wird $C(\cl{\Omega})$ mit \[ \norm{x}_{\infty } \coloneq \max_{t ∈ \cl \Omega} |x(t)| \] auch zu einem normierten Raum. \item $L^p(\Omega) = \L^p(\Omega)/\mathcal N$, wobei $\mathcal N = \{ f: \Omega → \R, f(t) = 0 \text{ fast überall}\}$ ist mit \[ \norm x \coloneq \left(∫_{\Omega} |x(t)|^p dt \right)^{1/p} \] ein normierter Raum, wobei $1 \le p < \infty $. \item $\ell^p$ mit \[ \norm x _{p} \coloneq \left( \sum_{i=1}^n |x_i|^p \right)^{1/p} \] ist ebenfalls ein normierter Raum, wobei $1 \le p < \infty $. \end{enumerate} \end{beispiele} \begin{lemma} Sei $(X, \norm\cdot)$ ein normierter Raum. Dann sind die Abbildungen $+$, $\cdot$ und $\norm\cdot$ stetig. \end{lemma} \begin{proof} Für beliebige Folgen $(x_n)_{n ∈ ℕ},(y_n)_{n ∈ ℕ} ⊂ X, (\alpha _n)_{n ∈ ℕ}$ mit $\lim x_n = x$, $\lim y_n = y$, $\lim \alpha _n = \alpha $ gelten \[ \norm{(x_n + y_n) - (x+y)} \le \norm{x-x_n} + \norm{y -y_n} \] sowie \[ \norm{\alpha _nx_n - \alpha x} \le |\alpha _n| \norm{x_n-x} + \norm{x} |\alpha _n - \alpha | \] und \[ |\norm{x_n} - \norm{x}| \le \norm{x_n - x} \] nach der umgekehrten Dreiecksungleichung. Folglich sind die zu betrachtenden Abbildungen alle folgenstetig, und, da metrische Räume stets dem ersten Abzähhlbarkeitsaxiom genügen, auch stetig. \end{proof} \begin{korollar} Jeder normierte Raum versehen mit der Normtopologie ist ein topologischer linearer Raum. Deshalb ist auch keine Unterscheidung zwischen normierten Räumen und normierten linearen Räumen nötig. \end{korollar} \section{Topologische lineare Räume} \begin{bemerkung-nn} Hierbei sei stetis die Topologie von $X×X$ die Produktopologie, bei den Körpern $\K = \begin{cases} ℝ \\ ℂ \end{cases}$ die übliche Topologie. Wir schreiben im Folgenden für Mengen $M, M_1, M_2 ⊂ X$ und $\alpha ⊂ \K$ nun \[ M_1 + M_2 \coloneq s(M_1,M_2) \coloneq \{x+y : x ∈ M_1, y ∈ M_2\}, \] \[ A \cdot M \coloneq m(A,M) \coloneq \{ \alpha x: \alpha ∈ A, x ∈ M\}. \] \end{bemerkung-nn} \begin{lemma} Hat der topologische Raum $(X,\T)$ auch eine lineare Struktur, so sind äquivalent: \begin{enumerate} \item Die Addition $s$ ist stetig. \item Für beliebiges $x, y ∈ X$ gilt: Zu jeder Umgebung $O_{x+y} ∈ \T$ existieren Umgebungen $O_x ∈ \T$ von $x$ und $O_y ∈ \T$ von $y$ mit $O_x + O_y ⊂ O_{x+y}$ \end{enumerate} \end{lemma} \begin{proof} $s$ ist stetig in $(x,y)$ genau dann, wenn zu jeder Umgebung $O_{x,y} ∈ \T_X$ von $(x,y)$ existiert eine Umgebung $U ⊂ \T_{X×X}$ von $(x,y)$ mit $s(U) ⊂ O_{x+y}$. Nach Definition der Produkttopologie existieren dann Umgebungen $O_x ∈ \U_x$ und $O_y ∈ \U_y$ mit $O_x × O_y ⊂ U$. Damit ist \[ O_x + O_y = s(O_x, O_y) = s(O_x × O_y) ⊂ s(U) ⊂ O_{x+y}. \] Analog zeigt man die entsprechende Aussage für die skalare Multiplikation: \end{proof} \begin{lemma} Hat der topologische Raum $(X,\T)$ auch eine lineare Struktur, so sind äquivalent: \begin{enumerate} \item Die Addition $m$ ist stetig. \item Für beliebiges $\alpha ∈ \K, x ∈ X$ gilt: Zu jeder Umgebung $O_{\alpha x} ∈ \T$ existieren Umgebungen $O_x ∈ \T$ von $x$ und $O_\alpha ∈ \T$ von $y$ mit $O_\alpha × O_x ⊂ O_{\alpha x}$. \end{enumerate} \end{lemma} Betrachtet man insbesondere die Stetigkeit am Punke $\alpha =0$ und $x ∈ X$ beliebig, dann gilt also: Für jede Umgebung $O_0 ∈ \U_0 ⊂ X$ existiert eine Umgebung $O_x ∈ \U_x$ und ein $r > 0$, so dass \[ ∀β: |β| 0 ∃ \delta > 0 ∃ r> 0 ∀β ∈ \K ∀y ∈ X: \begin{rcases} |β - \alpha | < r \\ d(x,y) < \delta \end{rcases} \implies d(βy,\alpha x) < \epsilon \] \begin{lemma} \label{lemma-metrischer-linearer-raum-charak} Sei $(X,d)$ ein metrischer Raum mit linearer Struktur und mit einer translationinvarianten Metrik. Dann ist $X$ mit der von $d$ erzeugten Topologie ein \emph{metrischer linearer Raum} genau dann, wenn für alle $\alpha ∈ \K, x ∈ X$ und beliebige Nullfolgen $(x_n)_{n ∈ ℕ} ⊂ X, (\alpha _n)_{n ∈ ℕ)} ⊂ \K$ gilt \begin{gather*} \alpha x_n \xrightarrow[n → \infty ]{} 0 \\ \alpha x_n \xrightarrow[n → \infty ]{} 0 \\ \alpha _nx_n \xrightarrow[n → \infty ]{} 0 \end{gather*} \end{lemma} \begin{proof} „$⇒$”: Skalare Multiplikation ist im metrischen linearen Raum stetig, also folgen die Aussagen sofort. „$⇐$“: Wegen der Äquivalenz von Stetigkeit und Folgenstetigkeit ist zu zeigen \[ \begin{rcases} \alpha _n \xrightarrow[n → \infty ]{} \alpha ∈ \K \\ x_n \xrightarrow[n → \infty ]{} x ∈ X \end{rcases} \implies \alpha _n x_n \xrightarrow[n → \infty ]{} \alpha x. \] Sei dazu $z_n \coloneq x_n - x ∈ X$, $γ_n \coloneq \alpha _n - \alpha ∈ \K$. Dann ist \[ γ_n z_n + γ_n x + \alpha z_n = (\alpha _n - \alpha )(x_n-x) + (\alpha _n-\alpha ) x + \alpha (x_n-x) = \alpha _n x_n - \alpha ×. \] Somit ist \begin{align*} d(\alpha _nx_n,\alpha x) &= d(\alpha nx_n - \alpha x,0) = d(γ_nz_n + γnx + \alpha z_n, 0) \\ &\le \underbrace{d(γ_nz_n,0)}_{→ 0} + \underbrace{d(γ_nx, 0)}_{→ 0} + \underbrace{d(\alpha z_n, 0)}_{→ 0} \xrightarrow{n → \infty } 0. \end{align*} Da die Addition ohnehin immer stetig ist, sind wir fertig. \end{proof} \begin{definition} Eine Abbildung $|\cdot|: X → [0,\infty )$ heißt \emph{Quasi-Norm} auf dem Linearen Raum $X$, falls gilt: \begin{enumerate}[label=(Q\arabic*)] \item $|x| \ge 0$ für alle $x ∈ X$ und $|x| = 0$ genau dann, wenn $x = 0$. \item $|-x| = |x|$ für alle $x ∈ X$ \item $|x+y| \le |x| + |y|$ für alle $x,y ∈ X$ \item $|\alpha x_n| \xrightarrow[n → \infty ]{} 0$ für $\alpha ∈ \K$, falls $|x_n| → 0$ \item $|\alpha _nx| \xrightarrow[n → \infty ]{} 0$ für $x ∈ X$, falls $|\alpha _n| → 0$ \item $|\alpha _nx_n| \xrightarrow[n → \infty ]{} 0$ falls $|x_n| → 0$ und $|\alpha _nx_n| → 0$ \end{enumerate} $(X,|\cdot|)$ heißt dann \emph{quasi-normierter} Raum. \end{definition} \begin{bemerkung} Jeder normierte Raum ist auch ein quasi-normierter Raum. \end{bemerkung} \begin{satz} \begin{enumerate} \item Ist $|\cdot|$ eine Quasi-Norm auf $X$, so wird durch $d(x,y) \coloneq |x-y|$ eine translationsinvariante Metrik definiert, welche $X$ zu einem metrischen linearen Raum macht. \item Ist $(X,d)$ ein metrischer linearer Raum mit translationsinvarianter Metrik $d$, so ist $(X,|\cdot|)$ mit $|x| \coloneq d(x,0)$ ein quasi-normierter Raum. \end{enumerate} \end{satz} \begin{proof} Das folgt direkt aus den Axiomen und \cref{lemma-metrischer-linearer-raum-charak}. \end{proof} Speziell für die Anwendung sehr wichtige metrische lineare Räume werden von Semi-Normen erzeugt. \begin{definition} Sei $X$ ein linearer Raum. Eine Abbildung $p: X → ℝ$ heißt \emph{Semi-Norm} oder \emph{Halbnorm}, falls folgendes gilt: \begin{enumerate}[label=(S\arabic*)] \item $∀x ∈ X: p(x) \ge 0$ \item $∀ x ∈ X, \alpha ∈ \K: p(\alpha x) = |\alpha | p(x)$ \item $∀ x, y ∈ X: p(x+y) \le p(x) + p(y)$ \end{enumerate} $(X,p)$ heißt dann \emph{semi-normierter} Raum. \end{definition} \begin{beispiel-nn} $\L^p(\Omega)$ ist ein semi-normierter Raum. \end{beispiel-nn} \begin{bemerkung-nn} Jeeder semi-normierte Raum $(X,p)$ erzeugt einen normierten Raum $(X/N,p)$, wobei $N = \{ x ∈ X: p(x) = 0\}$ ein linearer Unterraum ist. \end{bemerkung-nn} \begin{satz} \label{satz-abzaehlbares-prod-seminormierter-raeume} Es seien $p_n: X → ℝ, n ∈ ℕ$ abzählbar viele Semi-Normen auf einem linearen Raum mit der Eigenschaft \begin{equation} p_n(x) = 0 \text{ für alle n ∈ ℕ } \implies x = 0. \label{eq:seminorm-folge-blub} \end{equation} Dann ist \[ d(x,y) \coloneq \sum_{n = 1}^\infty 2^{-n} \frac{p_n(x-y)}{1+p_n(x-y)} \] eine translationsinvariante Metrik auf $X$, welche $X$ zum metrischen linearen Raum macht. \end{satz} \begin{bemerkung} $p_n: X → ℝ$ sind auf $(X,d)$ stetig. Das folgt aus (für $x_i → x_0$ in $X$) \[ |p_n(x_i) - p_n(x_0)| \le p_n(x_i-x_0) \xrightarrow{} 0 \] und einer Übungsaufgabe. \end{bemerkung} \begin{satz} \label{satz-umgebungsbasis-produkt-von-seminorm} Sei $(X,d)$ der in \cref{satz-abzaehlbares-prod-seminormierter-raeume} gegebene metrische lineare Raum (mit der von der Metrik erzeugten Topologie). Dann bilden die Mengen ($\epsilon _n > 0$) \[ U (p_n,\epsilon _n) \coloneq \bigcup B^{p_n}_{\epsilon _n}(0) = \{ x ∈ X: p_n(x) < \epsilon _n\} \] und deren endliche Durchschnitte eine Umgebungsbasis von $0 ∈ X$ \end{satz} \begin{bemerkung-nn} Nach dem Invarianzprinzip ist damit durch $\bigcup B^{p_n}_{\epsilon _n}$ die ganze Topologie bestimmt. Mit anderen Worten: Die Topologie welche über die Metrik bestimmt ist, ist dieselbe wie die, welche von den $U(p_n,\epsilon _n)$ und endlichen Schnitten davon erzeugt wird. \end{bemerkung-nn} \begin{proof}[\cref{satz-umgebungsbasis-produkt-von-seminorm}] Zunächst ist $U (p_n,\epsilon _n) ∈ \T$: Sei $n ∈ ℕ$ und $\epsilon _n > 0$ fest und $y ∈ U(p_n,\epsilon _n)$ beliebig gegeben. Dann ist $p_n(y) < \epsilon _n$. Dann wähle $ρ = ρ(y) > 0$, so dass $p_n(y) + ρ < \epsilon _n$. Dann gilt für $r \coloneq 2^{-n} \frac{ρ}{1+ρ} > 0$: \[ x ∈ B_r(y) \implies p_n(x+r) < ρ. \] Dazu ist \[ \frac{p_n(x-y)}{1+p_n(x-y)} \le 2^n \underbrace{d(x,y)}_{< r} < 2^n r = \frac{ρ}{1+ρ}, \] also $p_n(x-y) < ρ$. Mit diesem $r$ gilt $B_r(y) ⊂ U(p_n,\epsilon _n)$: Sei $x ∈ B_r(y)$. Dann gilt \[ p_n(x) \le \underbrace{p_n(x-y)}_{< ρ} + p_n(y) < p_n(y) + ρ = \epsilon _n \] wie gewünscht. Sei $ B_r(0), r > 0$ gegeben. Wähle $n_0 ∈ ℕ$ mit \[ \sum_{n=n_0}^\infty 2^{-n} < \frac r 2. \] mit $\epsilon \coloneq \frac r 2 $ gilt dann \[ \bigcap_{n=1}^{n_0} U(p_(,\epsilon ) ⊂ B_r(0). \] Sei dazu $x ∈ \bigcap_{n=1}^{n_0} U(p_n,\epsilon )$ beliebig. Dann ist \[ d(x,0) \le \sum_{n=1}^{n_0} 2^{-n} \frac{p_n(x)}{1+p_n(x)} + \sum_{n=n_0}^\infty 2^{-n} < \epsilon \sum_{n=1}^{n_0} 2^{-n} + \frac r 2 < \epsilon + \frac r 2 = r, \] somit also $x ∈ B_r(0)$. \end{proof} \begin{bemerkung} Die Mengen $U(p_n,\epsilon _n)$ und deren endlichen Schnitte sind konvexe Mengen, das heißt \[ x, y ∈ U(p_n,\epsilon _n),\alpha ∈ [0,1] \implies \alpha x+(1-\alpha )y ∈ U(p_n,\epsilon _n) \] \end{bemerkung} \begin{proof} Es ist \[ p_n(\alpha x + (1-\alpha )y) \le |\alpha | \underbrace{p_n(x)}_{< \epsilon _n} + |1-\alpha |\underbrace{p_n(y)}_{< \epsilon _n} = \epsilon _n. \] \end{proof} Also besitzt der in \cref{satz-abzaehlbares-prod-seminormierter-raeume} gewonne metrische lineare Raum $(X,d)$ eine Umgebungsbasis von $0$, die nur aus konvexen elementen besteht. \begin{definition} Ein topologischer linearer Raum $(X,\T)$, in dem jedes $x ∈ X$ eine Umgebungsbasis besitzt, die nur aus konvexen Mengen besteht, heißt \emph{lokalkonvex}. \end{definition} \begin{satz} Sei $X$ ein linearer Raum mit Semi-Normen $p_i, i ∈ I$, wobei $I$ eine beliebige Indexmenge ist, mit der Eigenschaft \[ p_i(x) = 0 \text { für alle } i ∈ I \implies x = 0. \] Dann sind die Mengen \[ U(p_i,\epsilon _i) = \{ x ∈ X: p_{(x) < \epsilon _i}\}, \quad \epsilon _i > 0, i ∈ I \] und deren endliche Schnitte eine konvexe Umgebungsbasis von $0 ∈ X$. Die dadurch gewonne Topologie $\T$ macht $X$ zu einem \emph{lokalkonvexen Hausdorff"=Raum}. \end{satz} \section{Beispiele} Wir werden die unten angegebenen Beispiele auch gleich auf Vollständigkeit untersuchen. \begin{definition} \begin{enumerate} \item Ein metrischer linearer Raum $(X,d)$ der vollständig ist, heißt \emph{Fréchet"=Raum}. \item Ein normierter Raum $(X,\norm\cdot)$, der vollständig ist, heißt \emph{Banach"=Raum}. \end{enumerate} \end{definition} \begin{beispiel-nn}[$\ell^p$-Räume] \begin{enumerate} \item $(\ell^p,\norm\cdot_p)$, $1 \le p < \infty $ ist normierter Raum mit \[ \norm x _p = \left( \sum_{i=1}^\infty |x_i|^p \right)^{1/p}. \] \item $(\ell^\infty ,\norm\cdot_\infty)$, ist normierter Raum mit $\norm x _\infty = \sup_{i ∈ ℕ} |x_i|$. \item $(\ell^p,|\cdot|_p = \norm\cdot_p^p)$, $0 \le p < 1$ ist quasi-normierter Raum. \end{enumerate} \end{beispiel-nn} \begin{bemerkung} Für $0 < p < q \le \infty $ gilt $\ell^p ⊂ \ell^q ⊂ \ell^\infty $. \end{bemerkung} \begin{beweis} Sei $x ∈ \ell^p$ mit $|x| = 1 = \sum_{i ∈ ℕ} |x_i|^p$. Dann ist für alle $i ∈ ℕ$ $|x_i|^p \le 1$, also auch $|x_i| < 1$. Dann folgt auch $\sum_{i ∈ ℕ} |x_i|^q < 1$, also $x ∈ \ell^q$ und $\sup_{i ∈ ℕ} |x_i| \le 1$, also $x ∈ \ell^\infty $. \end{beweis} \begin{satz} Für $1 \le p \le \infty $ ist $(\ell^p,\norm\cdot_p)$ ein Banachraum. Für $0 < p < \infty $ ist $(\ell^p,|\cdot|_p)$ ein Fréchet-Raum. \end{satz} \begin{proof} Nur für $1 \le p < \infty $. Sei dazu $(x_n)_{n ∈ ℕ} ⊂ \ell^p$ eine Cauchy-Folge, also $x_n = (ξ_k^n)_{k ∈ ℕ}$ und für jedes $\epsilon > 0$ gibt es ein $n_0$ mit \[ ∀n,m > n_0: \norm{x_n-x_m}_p = \left( \sum_{k=1}^\infty |ξ_k^n-ξ_k^m|^p \right)^{1/p} < \epsilon . \] Sei $k_0 ∈ ℕ$ beliebig. Dann ist $(ξ_k^n)_{n ∈ ℕ}$ eine Cauchy-Folge in $\K$, besitzt also einen Grenzwert $ξ_{k_0}$. Setze nun $x \coloneq (ξ_k)_{k ∈ ℕ} ∈ \K^\infty = s$. Wir vermuten $x$ als Grenzwert unserer Cauchy-Folge. Also müssen wir zeigen, dass $x ∈ \ell^p$, und dass unsere Folge tatsächlich gegen $x$ konvergiert. Es gilt \[ \norm{x_n}_! \le \underbrace{\norm{x_n-x_{n_0}}}_{< \epsilon } + \norm{x_{n_0}} \quad \forall n \ge n_0 \] Deshalb existiert ein $M > 0$ mit $\norm{x_n}_p < M$ für alle $n ∈ ℕ$, also \[ \sum_{k=1}^N |ξ_k^n|p < \sum_{k =1}^\infty |ξ_k^n|^p \le M^p < \infty . \] Also haben wir \[ \sum_{k=1}^N |ξ_k^p| \le M^p \quad ∀ n ∈ ℕ, \] also durch Grenzwertbildung $N → \infty $ auch $\norm{x}_p^p \le M^p$ bzw. $x ∈ \ell^p$. Ferner haben wir \[ \sum_{k=1}^N |ξ_k^n-ξ_k^m|^p < \epsilon ^p \quad ∀ N ∈ ℕ, n, m \ge n_0(\epsilon ). \] Für $n → \infty $ folgt \[ \sum_{k=1}^N |ξ_k-ξ_k^m|^p < \epsilon ^p \quad ∀N ∈ ℕ, m \ge n_0, \] und mit $N → \infty $ \[ \sum_{k=1}^\infty |ξ_k-ξ_k^m|^p < \epsilon ^p \quad ∀m \ge n_0, \] also die Konvergenz. \end{proof} \begin{beispiel-nn} Betrachte den Folgenraum $S = \K^\infty = \{x = (ξ_n)_{n ∈ ℕ}, ξ_n ∈ \K\}$. Dann ist \[ p_n(x) \coloneq |ξ_n|, \quad p_n: \K^\infty → ℝ \] eine abzählbare Familie von Halbnormen mit \[ p_n(x) = 0 ∀n ∈ ℕ \implies x = 0 ∈ \K^\infty \] Nach \cref{satz-abzaehlbares-prod-seminormierter-raeume} folgt, dass $(\K^\infty , d)$ mit \[ d(x,y) \coloneq \sum_{n ∈ ℕ} 2^{-n} \frac{p_n(x-y)}{1+p_n(x-y)} \] ein metrischer linearer Raum ist. Der Konvergenzbegriff entspricht gerade der komponentenweisen Konvergenz, das heißt, für eine Folge $(x_k)_{k ∈ ℕ}$ mit $x_k = (ξ^k_n)_{n ∈ ℕ}$ gilt \begin{align*} x_k \xrightarrow[k→\infty ]{} 0 &\gdw d(x_n,0) \xrightarrow[k→\infty ]{} 0 \\ &\gdw p_n(x_k) \xrightarrow[k→\infty ]{} ∀ n ∈ ℕ \\ &\gdw |ξ_n^k| \xrightarrow[k→\infty ]{} 0 ∀ n ∈ ℕ. \end{align*} Wir fragen uns nun, ob auf dem $\K^\infty $ auch eine Topologie existiert, so dass der induzierte Konvergenzbegriff der der gleichmäßigen Konvergenz in allen Komponenten entspricht. Also \[ x_k \xrightarrow[k → \infty ]{\text{glm}} 0 ∈ \K^\infty \gdw ∀\epsilon > 0 ∃ k_0 ∈ ℕ: |ξ_n^k| < \epsilon ∀ k \ge k_0 ∀n ∈ ℕ. \] Wenn $\K^\infty $ ein topologischer linearer Raum sein soll, ist das nicht möglich. Notwendig wäre, dass für eine Folge $x  ∈ \K^\infty $ \[ \alpha _k \xrightarrow[k → \infty ]{} 0 \text{ in } \K \implies \alpha _k x \xrightarrow[k→\infty ]{} \text{ in } X = \K^\infty . \] Wähle dazu die Nullfolge $(\alpha _k)_{k ∈ ℕ} = (1/k)_{k ∈ ℕ} ⊂ ℝ$, $x= (n)_{n ∈ ℕ} ⊂ X$. Dann ist \[ \alpha _k x = (n/k)_{n ∈ ℕ} ∈ \K^\infty \] zwar eine Nullfolge in $\K^\infty$ ist, diese Konvergenz ist jedoch nicht gleichmäßig in $n$. Man kann zeigen, dass $\K^\infty $ mit $d$ vollständig, also ein Fréchet-Raum, ist. Ist $\K^\infty $ auch normierbar? Also gibt es auf $\K^\infty $ eine Norm, welche die gleiche Topologie erzeugt wie die $d$? Auch das ist nicht möglich: \end{beispiel-nn} \begin{lemma} \label{lemma-s-metrikkugeln-enthalten-unterraeme} In $(\K^\infty ,d)$ gilt: \begin{enumerate} \item $B_1(0) = \K^\infty $ \item Betrachte den linearen Unterraum $M_{n_0} \coloneq \{ x = (ξ_n)_{n ∈ ℕ}$ mit $ξ_n = 0$ für $n = 1,…,n_0 \}$. Dann gibt es für jeden Radius $r > 0$ ein $n_0 ∈ ℕ$, so dass $M_{n_0} ⊂ B_{r}(0)$. Das heißt, jede noch so kleine Metrikkugel enthält einen nichttrivialen Unterraum. \end{enumerate} \end{lemma} \begin{proof} \begin{enumerate} \item Das ist trivial. \item Sei $r > 0$ gegeben. Wähle nun $n_0$, so dass $\sum_{n=n_0+1}^\infty 2^{-n} < r$. Dann gilt \[ ∀ x ∈ M_{n_0}: d(x,0) = \sum_{n ∈ ℕ} 2^{-n} \frac{p_n(x)}{1+p_n(x)} = \sum_{n=n_0}^\infty 2^{-n} \frac{p_n(x)}{1+p_n(x)} \le \sum_{n=n_0}^\infty 2^{-n} < r. \] \end{enumerate} \end{proof} Wäre nun die Topologie auf $(\K^\infty ,d)$ nun auch von einer Norm erzeugt, dann wären die Normkugeln \[ B_r^{\norm\cdot}(0) = \{ x ∈ \K^\infty : \norm x < \tilde r \} \] auch eine Umgebungsbasis der Null. Das heißt insbesondere würden wir zu jedem $\tilde r$ ein $r$ finden, so dass $0 ∈ B_r^d(0) ⊂ B_r^{\norm\cdot} (0)$. Mit \cref{lemma-s-metrikkugeln-enthalten-unterraeme} folgt also \[ M_{n_0} ⊂ B_r(0) ⊂ B_r^{\norm\cdot}(0) \] für ein geeignetes $n_0$. Sei nun ein $0 \ne x ∈ M_{n_0}$. Dann ist, da $M_{n_0}$ ein Unterraum ist, auch $\alpha x ∈ M_{n_0}$ für alle $\alpha ∈ \K$. Das heißt, \[ |\alpha | \cdot \norm x = \norm{\alpha x} < \tilde r \text{ für alle } \alpha ∈ \K, \] was bereits $\alpha = 0$ impliziert. Das ist ein Widerspruch. \begin{beispiel-nn}[Räume beschränkter Funktionen] Sei $S$ eine beliebige Menge und $B(S) \coloneq \{ f: S → \K, f(s)$ ist beschränkt $\}$. Dann wird $B(S)$ mit \[ \norm f _{B(S)} \coloneq \sup_{x ∈ S} |f(x)| < \infty , \] der $\sup$-Norm, zu einem Banachraum. Dabei ist offensichtlich, dass $\norm\cdot_{B(S)}$ tatsächlich eine Norm ist, und wir werden in einer Übung zeigen, dass die induzierte Metrik tatsächlich vollständig ist. \end{beispiel-nn} \begin{lemma-nn} \label{lemma-vollst-ubertragt-abgeschl-teilmengen} Sei $(X,d)$ ein metrischer Raum, $Y ⊂ X$. Es gilt \begin{enumerate} \item Wenn $(X,d)$ vollständig ist und $Y$ abgeschlossen, dann ist auch $(Y,d|_{Y×Y}$ vollständig. \item Wenn $(Y,d|_{Y×Y}$ vollständig ist, so ist $Y$ abgeschlossen in $(X,d)$. \end{enumerate} \end{lemma-nn} \begin{proof} Übungsaufgabe. \end{proof} \begin{beispiel-nn}[Räume stetiger Funktionen] Sei $K ⊂ ℝ^n$ kompakt, also nach Heine-Borel abgeschlossen und beschränkt. Dann ist \[ C(k) = \{ f: K → \K, f \text{ stetig} \} \] ein normierter Raum mit \[ \norm{f}_{C(K)} = \norm{f}_{\infty } = \max_{t ∈ K} |f(t)|, \] der Maximumsnorm. Dieses Maximum wird tatsächlich immer angenommen, da $K$ kompakt ist (Satz von Minimum und Maximum). Insbesondere sind alle stetigen Funktionen auf $K$ beschränkt. Damit gilt offensichtlich $C(K) ⊂ B(K)$ und $\norm{f}_{C(K)} = \norm{f}_{B(K)}$ für alle $f ∈ C(K)$. Da jede stetige Funktion auf kompakten Teilmengen von metrischen Räumen auch gleichmäßig stetig ist, das heißt \[ ∀ \epsilon > 0 ∃ \delta > 0: \left( |t_1-t_2| < \delta \implies |f(t_1)-f(t_2)| < \epsilon \right) ∀ t_1,t_2 ∈ K \] \end{beispiel-nn} \begin{lemma} $C(K)$ ist ein abgeschlossener Unterraum von $(B(K), \norm\cdot_{B(K)})$ und somit insbesondere auch (mit \cref{lemma-vollst-ubertragt-abgeschl-teilmengen}) vollständig. \end{lemma} \begin{proof} Sei $(f_i)_{i ∈ ℕ}$ eine konvergente (in $(B(K),\norm\cdot_{B(K)})$) Folge in $C(K)$. Dann existiert ein $f ∈ B(K)$ mit $f_i \xrightarrow[i → \infty ]{\norm{\cdot}_{B(K)}} f$. Wir müssen zeigen, dass $f$ bereits stetig ist. Für beliebige $t₁, t_2 ∈ K$ gilt \[ |f(t_1)-f(t_2) | \le \underbrace{|f_i(t_1)-f_i(t_2)|}_{< \epsilon /3 \text{ für } |t_1-t_2| < \delta ^{(i)}(\epsilon )} + 2 \underbrace{\norm{f_i - f}_{B(K)}}_{< \epsilon /3 \text{ für } i > i_0} < \epsilon . \] Damit ist $f$ auch gleichmäßig stetig, also insbesondere auch stetig und in $C(K)$. \end{proof} Das heißt, die Stetigkeit der Folgenglieder $(f_i)_{i ∈ ℕ} ⊂ C(K)$ überträgt sich auf die Grenzfunktion und Konvergenz in $(C(K),\norm\cdot_{\infty })$ ist „gleichmäßig auf $K$“. Wegen dieser Eigenschaft ist die Maximumsnorm $\norm\cdot_\infty $ auch die natürliche Norm auf $C(K)$. Andere mögliche Normen (und damit andere Topologien) auf $C(K)$ wären z.B. \[ \norm{f}_p = \left( \int_K |f(t)|^p dt \right)^{1/p}, \quad 1 \le p < \infty . \] Allerdings ist die Konvergenz in dieser Topologie impliziert keine Stetigkeit für die Grenzfunktion. \begin{beispiel-nn} Sei $\Omega ⊂ ℝ^n$ offen und analog \[ C(\Omega) \coloneq \{ f: \Omega → \K, f \text { stetig }\}. \] Hier können Funktionen aber auch unbeschränkt sein. Also braucht $\sup |f|$ nicht mehr zu existieren. \end{beispiel-nn} \begin{definition} Es sei $(K_m)_{m ∈ ℕ}$ eine \emph{Ausschöpfung} von $\Omega$ mit kompakten Mengen $K_= ⊂ \Omega$, das heißt, es gelte \[ \begin{cases} \Omega = \bigcup_{m ∈ ℕ} K_m, \quad K_m ⊂ K_{m+1}, \\ K ⊂ \Omega \text { kompakt } \implies K ⊂ K_m \text { f ür ein } m ∈ ℕ \end{cases} \] \end{definition} Man nehme z.B. \[ K_m = \{ x ∈ \Omega ⊂ ℝ^n: \norm{x} \le m, \operatorname{dist}(x,∂\Omega) \ge 1/m\}, \] wobei $\operatorname{dist}(x,∂\Omega) \coloneq \inf\{ \norm{x-y}: y ∈ ∂\Omega\}$ und $∂M = \cl \Omega \setminus \Omega$. Dann ist $C(\Omega)$ mit der Metrik \[ d(f,0) = \sum_{m ∈ ℕ} 2^{-m} \frac{\norm{f}_{C(K_m)}}{1+\norm{f}_{C(K_m)}} \] ein Fréchetraum, also ein metrisierbarer linearer Raum nach \cref{satz-abzaehlbares-prod-seminormierter-raeume}, da \[ \norm{f}_{C(K_m)} = 0 ∀ m ∈ ℕ \implies f = 0 ∈ C(\Omega). \] Es gilt in diesem Raum \[ d(f_i,f) \xrightarrow[i → \infty ]{} 0 \gdw \norm{f_i-f}_{C(K_m)} \xrightarrow[i → \infty ]{} ∀m ∈ ℕ, \] was ja gerade gleichmäßige Konvergenz auf jeder Kompakten Menge $K ⊂ \Omega$ bedeutet. Damit ist Stetigkeit der Folgenglieder $(f_i)_{i ∈ ℕ} ⊂ C(\Omega)$ impliziert Stetigkeit der Grenzfunktion $f ∈ C(\Omega)$, da Stetigkeit nur eine lokale Eigenschaft ist. Wir werden in der Übung sehen, dass $C(\Omega)$ mit dieser Metrik $d_{C(\Omega)}$ nicht normierbar ist. \begin{beispiel-nn}[Räume differenzierbarer Funktionen] \begin{enumerate} \item Betrachte die Menge $C^\ell(K) = \{ f: K → ℝ, D^\alpha f$ existiert und ist stetig für$|\alpha | < \ell \}$ der $\ell$-mal stetig differenzierbaren Funtktionen auf einer kompakten Menge $K ⊂ ℝ^n$ mit $\ell ∈ ℕ_0$ Dabei ist $\alpha = (\alpha _1,…,\alpha _n) ∈ ℕ_0^n$ ein Multiindex, $|\alpha | = \sum_{i=1}^n \alpha _i$ und \[ D^\alpha f = \frac{∂^{|\alpha |} f}{∂x_1^{\alpha _1}\cdots∂x_n^{\alpha _n}}. \] Dann wird $C^\ell(K)$ mit der Norm \[ \norm{f}_{C^\ell(K)} = \max_{|\alpha | \le l} \max_{x ∈ K} | D^\alpha f(x)| \] zu einem Banachraum. Die meisten Eigenschaften sind klar, die Vollständigkeit folgt unmittelbar aus der Vollständigkeit von $C(K)$ Konvergenz in $C^\ell(K)$ bedeutet gerade gleichmäßige Konvergenz aller partiellen Ableitungen bis zur Ordnung $\ell$ auf ganz $K$. \item Sei $\Omega ⊂ ℝ^n$ offen und $\C^\ell(\Omega) = \{ f: \Omega → ℝ, D^\alpha f$ existiert und ist stetig für$|\alpha | < \ell \}$ der Raum der $\ell$-mal stetig differenzierbaren Funtktionen auf $\Omega$ mit $\ell ∈ ℕ_0$. $C^\ell(\Omega)$ wird mit der Metrik \[ d(f,g) \coloneq \sum_{m ∈ ℕ} 2^{-m} \frac{p_{m,l}(f-g)}{1+p_{m,l}(f-g)}, \quad p_{m,l}(f) = \max_{|\alpha | \le \ell} \norm{D^\alpha f}_{C(K_m)}, \] wobei die $K_m$ Ausschöpfungen von $\Omega$ mit kompakten Mengen sind, zu einem Fréchetraum. Konvergenz in $C^\ell(\Omega)$ bedeutet gerade gleichmäßige Konvergenz aller partiellen Ableitungen bis zur Ordnung $\ell$ auf jedem Kompaktum, das in $\Omega$ enthalten ist. Auch dieser Raum ist nicht normierbar mit einem analogem Argument wie bei den stetigen Funktionen auf $\Omega$. \item Wir betrachten nun einige Unterräume von $\C^\ell(\Omega)$: \begin{enumerate}[label=(\roman*)] \item $\C^\ell_B(\Omega) = \{ f: \Omega → ℝ, D^\alpha f$ existiert, ist beschränkt und ist stetig für$|\alpha | < \ell \}$ wird zum normierten Raum mit \[ \norm{f}_{C^\ell_B(\Omega)} = \max_{|\alpha | \le l} \sup_{x ∈ \Omega} | D^\alpha f(x)| \] Zwar gilt $C^\ell_B(\Omega) ⊂ C^\ell(\Omega)$ (als Mengen), jedoch besitzt $C^\ell_B(\Omega)$ nicht die Relativtopologie von $\C^\ell(\Omega)$, wie wir in einer Übung sehen werden. \begin{definition} \begin{enumerate} \item Für $\Omega ⊂ ℝ^n$ offen und $f: \Omega → ℝ$ heißt \[ \supp f \coloneq \cl{ \{ x ∈ \Omega, f(x) \ne 0 \}} \] der \emph{Träger} oder \emph{Support} von $f$. \item Wir sagen für eine Menge $M ⊂ \Omega$ \emph{$M$ liegt kompakt in $\Omega$}, wenn $\cl M $ kompakt ist und $\cl M ⊂ \Omega$. Wir schreiben dafür $M ⊂⊂ \Omega$. \end{enumerate} \end{definition} \item $C_0^\ell(\Omega) = \{ f ∈ C^\ell(\Omega) : \supp f ⊂⊂ M \}$ Funktionen mit $\supp f ⊂⊂ M $ haben Luft zum Rand von $\Omega$: \[ \operatorname{dist}(\supp(f), ∂\Omega) > 0, \] denn sowohl $\supp f$ als auch $∂\Omega$ sind abgeschlossen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Topologien für $C_0^\ell(\Omega)$ zu wählen: \begin{enumerate} \item $C_0^\ell(\Omega) ⊂ C^\ell(M)$ mit Spurtopologie von der Metrik. \item $C_0^\ell(\Omega) ⊂ C_B^\ell(M)$ mit Spurtopologie von der Norm. \end{enumerate} Diese Topologien sind jedoch nicht identisch. \end{enumerate} \item Sei $\Omega ⊂ ℝ^n$ offen und $C^\infty (\Omega) = \{ f: \Omega → ℝ, D^\alpha f $ existiert und ist stetig für alle $\alpha ∈ ℕ_0^n \} = \bigcap_{\ell ∈ ℕ}C^\ell(\Omega)$. Wir definieren die Topologie wieder über eine Metrik durch Seminormen \[ d(f,g) \coloneq \sum_{m ∈ ℕ} 2^{-m} \frac{p_{m}(f-g)}{1+p_{m}(f-g)}, \quad p_{m}(f) = \max_{|\alpha | \le m} \norm{D^\alpha f}_{C(K_m)}. \] Mit dieser Metrik wird $C^\ell(\Omega)$ zum Fréchetraum. Konvergenz in $C^\infty (\Omega)$ bedeutet gerade gleichmäßige Konvergenz aller partiellen Ableitungen auf jedem Kompaktum, das in $\Omega$ enthalten ist. Auch dieser Raum ist nicht normierbar mit einem analogem Argument wie bei den stetigen Funktionen auf $\Omega$. \item Sei $\Omega ⊂ ℝ^n$ offen und $C_0^\infty (\Omega) = \{ f ∈ C^\infty (\Omega) : \supp f ⊂⊂ M \}$ der \emph{Raum der Testfunktionen}. Ein Beispiel für so eine Funktion ist \[ f(x) = \begin{cases} c \exp \left( - \frac{1}{{1-|x|^2}} \right), & |x| < 1 \\ 0, & |x| \ge 1 \end{cases}, \] wobei $\Omega = B^{\norm\cdot_\infty}_2(0)$, $|\cdot| = \norm\cdot_2$ und $c ∈ ℝ$ konstant. Offensichtlich ist $C_0^\infty (\Omega) ⊂ C^\infty (\Omega)$. Wenn man auf $C_0^\infty (\Omega)$ jedoch die Spurtopologie wählt, bekommt man später Probleme (bestimmte Funktionale auf $C_0^\infty (\Omega)$ sind nicht mehr stetig, wie wir in einer Übungsaufgabe sehen werden. Man nennt Funktionale auf $C_0^\infty (\Omega)$ auch Distributionen). Außerdem wäre der $C_0^\infty (\Omega)$ mit dieser Metrik nicht vollständig -- der Träger der Grenzfunktion muss nicht mehr beschränkt sein. \begin{definition-nn} Sei $M ⊂ X$ und $X$ ein linearer Raum. Dann heißt \[ \conv (M) \coloneq \{ x: ∃\alpha _i > 0, x_i ∈ M, i ∈ \{1,…,k\}: \sum_{i=1}^k \alpha _i = 1, \sum_{i=1}^k \alpha _i x_i = x \} \] die \emph{konvexe Hülle} von $M$. \end{definition-nn} Aus Gründen, die erst später zu verstehen sind, wählt man auf $C^\infty _0(\Omega)$ folgende lokalkonvxe Topologie: Setze \[ p(\xi) \coloneq \sum_{k ∈ ℕ} 2^{-k} \frac{\norm \xi _{C^k(\Omega)}}{1 + \norm \xi _{C^k(\Omega)}}, \quad \xi ∈ C_0^\infty (\Omega) \] Sei $(D_j)_{j ∈ ℕ}$ eine Ausschöpfung von $\Omega$ mit offenen Mengen, also $D_j ⊂ D_{j+1}, D_j ⊂⊂ \Omega, \bigcup_{j ∈ ℕ} D_j = \Omega$. Eine mögliche Wahl wäre beispielsweise $D_j = K_j^\circ$, wobei die $K_j$ wie oben sind. Für $\epsilon = (\epsilon _j)_{j ∈ ℕ} ∈ ℝ^\infty , \epsilon _j > 0$ für alle $ℕ$ definieren wir eine Umgebungsbasis der $0 ∈ C_0^\infty (\Omega)$ durch alle Mengen \[ U_\epsilon \coloneq \conv \left[ \bigcup_{j ∈ ℕ} \{ \xi ∈ C^\infty _0 : p(\xi) < \epsilon _j \} \right] ⊂ C_0^\infty (\Omega). \] mit $\epsilon = (\epsilon _j)_{j ∈ ℕ} ∈ ℝ^\infty , \epsilon _j > 0$ und endliche Schnitte davon. Andere Umgebungen umgeben sich durch Translation. Die so definierte Topologie nennen wir $\T_\D$ und den Raum $C_1^\infty (\Omega)$ auch $\D(\Omega)$. Es stellt sich heraus, dass diese Topologie tatsächlich unabhängig von der gewählten Ausschöpfung ist. Außerdem ist $(\D(\Omega),\T_\D)$ ein topologischer linearer Raum, das heißt, die Vektorraumoperationen sind stetig. \begin{lemma}[Charakterisierung offener Mengen in $\D(\Omega)$] Es gilt \[ O ∈ \T_\D \iff ∀ ξ ∈ O ∃ \epsilon =(e_j)_{j ∈ ℕ} ∈ ℝ^\infty , e_j > 0: e+U_\epsilon ⊂ O. \] Das heißt, die Topologie $\T_\D$ und die Topologie \[ \tilde T_\D = \{ O ⊂ C_0^\infty (\Omega): ∀ ξ ∈ O ∃ \epsilon = (\epsilon _j)_{j ∈ ℕ} ∈ ℝ^\infty , \epsilon _j > 0: \epsilon + U_\epsilon ⊂ O \} \] sind gleich. \end{lemma} \begin{proof} Übung. \end{proof} \begin{korollar} Die Mengen $U_\epsilon$ sind bereits eine Umgebungsbasis der Null. Nach Definition sind sie aber auch Konvex, das heißt $(\D(\Omega),\T_\D)$ ist ein lokalkonvexer Hausdorff-Raum. \end{korollar} \begin{satz} $ξ_m \xrightarrow[m → \infty ]{} 0 \gdw$ \[ \begin{cases} (i), & \text{Es existiert $D$ offen mit $D ⊂⊂ \Omega$ und $ξ_m ∈ C_0^\infty (D)$ für alle $m ∈ ℕ$} \\ (ii), & \text{Für jedes $k ∈ ℕ$ gilt: $\norm{ξ_m}_{C^k(\cl{\Omega})} \xrightarrow[m → \infty ]{} 0$} \end{cases} \] \end{satz} \begin{proof} Zeige nur „$\Leftarrow$“. Sei dazu $(ξ_m)_{m ∈ ℕ}$ eine Folge mit (i) und (ii). Wähle nun $D_j$ von oben mit $D ⊂ D_j$ ($j$ ist fest). Sei nun $\epsilon =(\epsilon _i)_{i ∈ ℕ}, \epsilon _i > 0$ gegeben. Dann müssen wir zeigen, dass für alle $m > m_0$ schon $ξ_m ∈ U_\epsilon $ gilt. Zunächst sind nach (i) $ξ_m ∈ C^\infty _0(D_j)$ . Außerdem gilt \[ p(\xi_m) \le \underbrace{\sum_{k=1}^N 2^{-k} \frac{ \norm{\xi_m}_{C^k(\cl \Omega)} } {1+ \norm{\xi_m}_{C^k(\cl \Omega)} }}_{\text{wegen (i)} < \epsilon _j/2 \text{ für $m \ge m_0(\epsilon _j,N)$}} + \underbrace{\sum_{k=N+1} 2^{-k}}_{<\epsilon _j/2 \text{ für $n$ groß genug}} < \epsilon _j. \] \end{proof} \item Betrachten wir nun Lebesgue-integrierbare Funktionen. Bereits eingeführt wurden die Räume $\L^p(\Omega)$ und $L^p(\Omega)$, $0 < p < \infty $, wobei $\Omega ⊂ ℝ^n$ offen. Diese sind für $1 \le p < \infty $ normiert, und für $0 < p < 1$ quasi-normiert. Für $p = \infty $ setzen wir \[ \L^\infty (\Omega) \coloneq \{ f: \Omega → ℝ ∪ \{ -\infty , \infty \}, f \text{ messbar und fast überall beschränkt} \}. \] Damit haben wir offenbar \[ C(\Omega) ∩ B(\Omega) ⊂ \L^\infty (\omega). \] Sei \[ \norm f _{\L^\infty (\Omega)} \coloneq \supess_{t ∈ \Omega} |f(t)| \coloneq \inf_{M ⊂ \Omega \text{ NM}} \sup_{t ∈ \Omega \setminus M} |f(t)|. \] Dann gilt für $f ∈ \L^\infty (\Omega)$ \[ \norm f = 0 \gdw f = 0 \text{ fast überall} \] Mit $N \coloneq \{ f ∈ \L^\infty (\Omega) : \norm f = 0 \}$ wird \[ L^\infty (\Omega) \coloneq \left( \L^\infty (\Omega)/N, \norm\cdot_{L^\infty (\Omega)} \right) \] zu einem normiertem Raum. \end{enumerate} \end{beispiel-nn} { \LARGE Vorlesung vom Donnerstag, 9. November fehlt (genauso wie vermutlich alle weiteren Donnerstagsvorlesungen ab jetzt)} Seien $f_n → f ∈ L^p(\Omega), h ∈ C_0^\infty (\Omega)$. Dann \[ \lim_{n → \infty } ∫_\Omega f_n(t) h(t) dt = ∫_\Omega f(t) h(t) dt, \] denn \begin{align*} ∫_\Omega (f_n(t) - f(t)) h(t) dt &\le ∫_{\supp h} M |f_n(t) - f(t)| dt \\ & \stackrel{\mathclap{\text{Hölder}}}{\le} \; M [ \supp(h)]^{1/q} \norm{f_n-f}_{L^p(\Omega)} → 0. \end{align*} \section{Beschränkte und kompakte Mengen in metrischen linearen Räumen} Wir wissen bereits nach dem Satz von Heine-Borel, dass eine Teilmenge $K ⊂ ℝ^n$ genau dann kompakt ist, wenn sie abgeschlossen und beschränkt ist. Beschränktheit bedeutet hier Beschränktheit in einer (beliebigen, da alle äquivalent) Norm. Nun wollen wir so ein Konzept für Beschränktheit auch in allgemeinen metrischen (topologischen) linearen Räumen finden. \begin{problem-nn} Die natürliche Übertragung $d(x,0) \le M$, $x ∈ B$ definiert \emph{keine} Beschränktheit. Gründe dafür sind: \begin{enumerate} \item In einigen metrischen Räumen gilt ohnehin $d(x,0) \le 1$ für alle $x ∈ X$. \item Ist $d$ eine Metrik auf $X$. Dann ist $\tilde d \coloneq \frac d {1+d} \le 1$ eine zu $d$ äquivalente Metrik auf $X$, wie wir in Topologie gesehen haben. \end{enumerate} \end{problem-nn} \begin{definition} Sei $(X,\T)$ ein topologischer linearer Raum, $B ⊂ X$ heißt \emph{beschränkt}, falls zu jeder offenen Umgebung $U$ von $0 ∈ X$ ein $\alpha > 0$ existiert, so dass $B ⊂ \alpha U = \{\alpha u: u ∈ U\}$, das heißt jede Nullumgebung lässt sich so weit „aufblasen“, dass sie $B$ überdeckt. \end{definition} \begin{bemerkung-nn} Der Begriff „Beschränktheit“ hängt also von der Topologie ab. \end{bemerkung-nn} \begin{satz} Sei $(X,d)$ ein metrischer linearer Raum, dessen Metrik gemäß \cref{satz-abzaehlbares-prod-seminormierter-raeume} von abzählbar vielen Seminormen $(p_n)_{n ∈ ℕ}$ induziert ist. Dann ist eine Teilmenge $B ⊂ X$ genau dann beschränkt, wenn für jedes $k ∈ ℕ$ ein $M_k > 0$ existiert mit $p_k(x) \le M_k$ für alle $x ∈ B$. \end{satz} \begin{proof} „⇒“: Sei $k ∈ ℕ$ gegeben. Setze $r_k \coloneq \frac 1 {2^{k+1}}$ und $U \coloneq B_{r_k}(0)$. Da $B$ beschränkt ist, gibt es $\alpha = \alpha _k > 0$, dass \begin{align*} & B ⊂ \alpha U = \alpha B_{r_k}(0) \\ \gdw & \alpha ^{-1} B ⊂ B_{r_k} (0) \\ \gdw &d(\alpha ^{-1} x, 0) < r_k ∀ x ∈ B \end{align*} Dann gilt schon $p_k(x) \le M_k \coloneq \alpha _k$ für alle $x ∈ B$, denn \[ \frac 1 {2^{k+1}} = r_k > d(\alpha _k^{-1} x, 0 \ge 2^k \frac {p_k(\alpha _k^{-1}x)}{1+p_k(\alpha _k^{-1} x)} = 2^{-k} \frac{\alpha _k^{-1} p_k(x)}{1+\alpha _k^{-1} p_k(x)}. \] Also mit $\eta \coloneq \alpha _k^{-1} p_k(x)$ gilt $\frac 1 2 > \frac \eta {1+\eta}$, also $\eta < 1$ oder $p_k(x) \le M_k$ für alle $x ∈ B$. „⇐“: Sei also $p_k(x) \le M_k$ für alle $x ∈ B$ und $k ∈ ℕ$. Wir müssen nun zeigen, dass es für jedes $r > 0$ ein $\alpha > 0$ gibt mit $B ⊂ \alpha B_r(0)$, also $\alpha ^{-1} B ⊂ B_r(0)$. Sei also $r > 0$ gegeben. Wähle nun $m_0 ∈ ℕ$ mit $\sum_{n=m_0+1}^\infty 2^{-n} < r/2$. Wähle $\alpha > 0$ mit $\sum_{n=1}^{m_0} 2^{-n} \frac{\alpha ^{-1} M_k}{1+\alpha ^{-1} M_k} < r/2$. Dann gilt für alle $x ∈ B$ \begin{align*} d(\alpha ^{-1} x, 0) &= \sum_{n ∈ ℕ} 2^{-n} \frac{\alpha ^{-1} p_n(x)}{1+\alpha ^{-1} p_n(x)} \\ &\le \sum_{n=1}^{m_0} 2^{-n} \frac{\alpha ^{-1} p_n(x)}{1+\alpha ^{-1} p_n(x)} + \sum_{n=m_0+1}^\infty 2^{-n} < r/2 + r/2 = r. \end{align*} \end{proof} \begin{korollar} Sei $(X,\norm\cdot)$ ein normierter linearer Raum, Dann ist eine Teilmenge $B ⊂ X$ genau dann beschränkt, wenn $M > 0$ existiert mit $\norm{x} \le M$ für alle $x ∈ B$. \end{korollar} \begin{proof} Wähle $p_1(x) = \norm x$ und $p_k \equiv 0$ für $k \ge 2$ und verwende den vorherigen Satz. \end{proof} \begin{bemerkung} Kugeln $B_r(0)$ in $(X,d)$, wobei $d$ wie in \cref{satz-abzaehlbares-prod-seminormierter-raeume}, sinid also immer unbeschränkt, weil nichttriviale Unterräume $M_{n_0} ⊂ B_r(x)$ existieren. Insbesondere ist dies gültig in den Räumen $\K^\infty , C(\Omega), C^\ell(\Omega)$ und $C^\infty (\Omega)$. \end{bemerkung} \begin{definition} Ein topologischer linearer Raum $(X,\T)$ heißt \emph{lokalbeschränkt}, falls $0 ∈ X$ eine beschränkte Umgebung besitzt. \end{definition} \begin{bemerkung} Normierte Räume sind lokalbeschränkt und lokalkonvex. Es gilt aber auch die Umkehrung: \end{bemerkung} \begin{satz}[Kolmogorov] Ein topologischer linearer Raum $(X, \T)$ ist genau dann normierbar, das heißt, die Topologie wird von einer Norm induziert, wenn $(X,\T)$ lokalkonvex und lokalbeschränkt ist. \end{satz} \begin{beispiel-nn} Die Räume $\K^\infty , C(\Omega), C^\ell(\Omega)$ und $C^\infty (\Omega)$ sind nicht lokalbeschränkt, aber lokalkonvex. Somit sind sie auch nicht normierbar. Auch $L^p(0,1)$ mit $0 < p < 1$ ist nicht lokalkonvex, aber lokalbeschränkt, also nicht normierbar. \end{beispiel-nn} \begin{definition} Sei $(X,\T)$ ein topologischer linearer Raum. Eine Umgebung $U$ der Null heißt \emph{kreisförmig} oder \emph{balanced}, falls \[ t U ⊂ U, \quad |t| < 1 \] \end{definition} \begin{lemma} Sei $(X,\T)$ ein topologischer linearer Raum. Dann besitzt die Null eine Umgebungsbasis aus kreisförmigen Mengen. \end{lemma} \begin{proof} Übung. \end{proof} \begin{warnung-nn} Metrikkugeln müssen im Allgemeinen nicht kreisförmig sein (obwohl die uns bekannten Kugeln dies sind). Gegenbeispiel: $X = ℝ$, $d(x,y) \coloneq \left| ∫_x^y 1+\ind{ℝ_-}(s)\; ds \right|$. \end{warnung-nn} \begin{lemma} Sei $(X,\T)$ ein topologischer linearer Raum und $V ∈ \T$ eine Umgebung der 0. Dann gilt \[ X = \bigcup_{n ∈ ℕ} n V. \] \end{lemma} \begin{proof} „$\supset$“: klar. „⊂“: Sei $x ∈ X$. Setze $β_n = 1/n, n ∈ ℕ$. Dann gilt \[ β_n x \xrightarrow[n → \infty ]{} 0, \] also $β_n ∈ V$ für $n \ge n_0$. Damit haben wir aber $x ∈ n_0 V$. \end{proof} \begin{satz} Sei $(X,\T)$ ein topologischer linearer $T_2$-Raum und $K ⊂ X$ kompakt. Dann ist $K$ abgeschlossen und beschränkt. \end{satz} \begin{definition-nn} Falls auch die Umkehrung gilt, dann besitzt $X$ die \emph{Heine"=Borel"=Eigenschaft}. \end{definition-nn} \begin{warnung-nn} Im Allgemeinen ist die Umkehrung falsch. \end{warnung-nn} \begin{proof} Nach einer Übungsaufgabe ist $K$ bereits abgeschlossen. Also müssen wir nur zeigen, dass $K$ auch beschränkt ist. Sei $V ∈ \T$ eine Nullumgebung. Sei $W ⊂ \T$ eine kreisförmige Umgebung der $0$, die ganz in $V$ enthalten ist. Da \[ K ⊂ X = \bigcup_{n ∈ ℕ} n W \] eine offene Überdeckung von $K$ ist, besitzt diese wegen $K$ kompakt eine endliche Teilüberdeckung \[ K ⊂ \bigcup_{i=1}^s n_i W \stackrel{(*)}= n_s W, \quad n_1 < n_2 < … < n_s, \] also folgt die Behauptung mit $\alpha = n_s$. $(*)$ gilt wegen der Kreisförmigkeit und $\left|\frac {n_i}{n_s}\right| \le 1$. \end{proof} \begin{bemerkung-nn} Ohne die Hausdorff-Eigenschaft gilt dies nicht. Gegenbeispiel: $X = ℝ$ mit der Klumpentopologie. Dann ist jede Teilmenge von $ℝ$ kompakt, aber nur $\emptyset$ und $ℝ$ sind abgeschlossen. \end{bemerkung-nn} \begin{definition} \begin{enumerate} \item In einem topologischen Raum $(X,\T)$ heißt eine Menge $A ⊂ X$ \emph{relativ kompakt}, falls $\cl A$ kompakt ist. \item In einem metrischen Raum $(X,d)$ heißt eine Menge $A ⊂ X$ \emph{präkompakt}, falls für jedes $\epsilon > 0$ die Menge $A$ von endlich vielen Bällen mit Radius $\epsilon $ überdeckt werden kann. \end{enumerate} \end{definition} \begin{satz} Sei $(X,d)$ ein metrischer Raum, $\emptyset \ne A ⊂ X$. Dann sind äquivalent: \begin{enumerate} \item $A$ ist kompakt. \item $A$ ist folgenkompakt. \item $(A,d|_{A×A})$ ist vollständig und $A$ präkompakt. \end{enumerate} \end{satz} \begin{proof} $(a) \iff (b)$ wurde bereits gezeigt. Wir zeigen nur $(b) ⇒ (c)$: Sei $(x_n)_{n ∈ ℕ} ⊂ A$ eine Cauchy-Folge. Nach (b) besitzt $(x_n)_{n ∈ ℕ}$ einen Häufungspunkt $x^*$. Da $(x_n)_{n ∈ ℕ}$ Cauchy-Folge ist, konvergiert $(x_n)_{n ∈ ℕ}$ schon gegen $x^*$. Damit ist $A$ vollständig. Angenommen, $A$ wäre nicht präkompakt. Dann gibt es $\epsilon > 0$, so dass $A$ keine endliche Überdeckung mit $\epsilon $-Kugeln besitzt. Dadurch kann man eine Folge $(x_k)_{k ∈ K}$ definieren, mit $d(x_k,x_j) > \epsilon $ für $k \ne j$. Dann besitzt $(x_k)_{k ∈ K}$ offensichtlich keine Cauchy-Teilfolge, also auch keinen Häufungspunkt. Also $A$ präkompakt. \end{proof} Hier fehlt eine Vorlesung. \section{?} \begin{satz} 3.6.4. \end{satz} Hier gilt $M = \inf \{ c \ge 0:$ mit $C$ gilt (5) $\}$. \begin{proof} $(1) \iff (2)$ schon gezeigt. $(3) \iff (4)$ klar durch die Charakterisierung von beschränkten Mengen in normierten Räumen und Ausnutzung der Linearität. $(2) \Rightarrow (4)$. Sei $T$ stetig in $x^*$. Wähle $\epsilon > 0$, so dass $T(\cl B_\epsilon (x^*)) ⊂ B_1(T(x^*))$. Dann gilt für alle $x ∈ \cl B _1 (0)$ \[ x^* + \epsilon x ∈ \cl B_\epsilon (x^*) \] und $T(x^*) + \epsilon T(x) = T(x^* + \epsilon x) ∈ B_1(T(x^*))$, das heißt $\epsilon T(x) ∈ B_1(0)$ oder $\norm{T(x)}_Y \le \frac 1 {\epsilon } =: M$ $(4) \Rightarrow (5)$. Für $x \ne 0$ gilt \[ \norm{T(x)} \le \norm x \norm{T\left( \frac x {\norm x} \right)} \le M \norm x, \] also gilt die Aussage mit $C \coloneq M$. $(5) \Rightarrow (1)$. Für $x, x_1 ∈ X$ gilt \[ \norm{T(x) - T(x_1)} = \norm {T(x-x_1)} \le C \norm x-x_1 \xrightarrow[x → x_1]{} 0. \] Damit ist $T$ stetig in $x_1$. \end{proof} \begin{korollar} Sei die Situation wie in 6.4 Ist $T$ zusätzlich bijektiv, so ist $T$ genau dann ein Homöomorphismus, wenn es Konstanten $m, M > 0$ gibt mit \[ m \norm x \le \norm {T(x)} \le M \norm {x} \] für alle $x ∈ X$ \end{korollar} \begin{beweis} klar. \end{beweis} \begin{warnung-nn} $T$ linear, bijektiv und stetig impliziert selbst in normierten Räumen noch nicht, dass auch die Inverse Abbildung $T^{-1}$ auch stetig ist, wie wir in der Übung sehen werden. Sind $X$ und $Y$ aber Banachräume, so gilt dies aber (Satz von der offenen Abbildung). \end{warnung-nn} Nun zur Charakterisierung von Stetigkeit in metrischen linearen Räumen. \begin{satz} Sei $T: X → Y$ linear, $X$, $Y$ lineare metrische Räume. Dann ist $T$ genau dann stetig, wenn $T$ beschränkt ist. \end{satz} In topologischen linearen Räumen gilt dies jedoch nciht. \begin{satz} 3.6.7 \end{satz} \begin{proof} Nur „$\Leftarrow$“: Nach 6.6 reicht es, Beschränktheit von $T$ zu zeigen, also dass, wenn $B ⊂ X$ beschränkt ist, auch $T(B) ⊂ Y$ beschränkt ist. $B ⊂ X$ ist genau dann beschränkt, wenn für alle $k ∈ ℕ$ $C_k > 0$ existieren mit $p_k(x) \le C_k$ für alle $x ∈ B$. Nach Voraussetzung ist dann aber auch für alle $x ∈ B$ \[ q_m(Tx) \le M_m(C_{n_1} + … + C_{n_k}) =: K_m, \] was nach 5.2 heißt, dass $T(B)$ beschränkt in $Y$ ist. \end{proof} \begin{definition} Seien $X, Y$ topologische lineare Räume. Dann bezeichnet $\L(X, Y) \coloneq \{ T: X → Y: T$ linear und stetig $\}$ den \emph{Raum der stetigen (beschränkten) Operatoren}. Im Spezialfall $Y = \K$ sei $X' \coloneq \L(X, \K)$ der \emph{Raum der stetigen Funktionale} oder auch der \emph{Dualraum von $X$}. \end{definition} \begin{bemerkung-nn} \begin{enumerate} \item $\L(X,Y)$ ist wieder ein linearer Raum. \item Metrische lineare Räume haben Dualräume, die im Allgemeinen nicht mehr metrisierbar sind. \item $X' = \{ 0\}$ ist möglich, wie wir in der Übung sehen werden \item Ist $X$ jedoch normierbar, so folgt aus den Hahn-Banach-Sätzen, dass $X'$ nichttrivial ist. \item Falls $X$ und $Y$ normierte Räume sind, dann wird $\L(X, Y)$ ebenfalls zu einem normierten Raum mit der Operatornorm \begin{align*} \norm T &\coloneq \norm T _{\L(X,Y)} \coloneq \sup \{\norm x _X \le 1\} \norm {Tx}_Y \\ &= \inf \{ C \ge 0: ∀x ∈ X: \norm {Tx} \le C \norm x \}. \end{align*} Das heißt, wir haben \begin{equation} \label{eq:61} ∀x ∈ X: \norm {Tx}_Y \le \norm T \norm x _X \end{equation} Also haben wir \[ \norm{(T_1 + T_2)x} = \norm{T_1x + T_2x} \le \norm{T_1x} + \norm{T_2x} \le \left( \norm{T_1} + \norm{T_2} \right) \norm{x}, \] und somit $T_1 + T_2 ∈ \L(X,Y)$ und $\norm{T_1 + T_2} \le \norm{T_1} + \norm{T_2}$ nach \eqref{eq:61}. \item Auf $\L(ℝ^n,ℝ^m)$ ergeben sich die bekannten Matrixnormen. \end{enumerate} \end{bemerkung-nn} \begin{satz} Seien $X, Y$ normierte Räume, $Y$ vollständig. Dann ist $\L(X,Y)$ ein Banachraum. Insbesondere ist $X'$ immer ein Banachraum. Sei $Z$ ebenfalls ein normierter Raum. Ist $T ∈ \L(X,Y)$, $S ∈ \L(Y,Z)$, so ist $ST ∈ \L(X,Z)$ und $\norm{ST}_{\L(X,Z)} \le \norm S \norm T$. \end{satz} \begin{proof} Es ist nur noch die Vollständigkeit zu zeigen. Sei dazu $(T_n)_{n ∈ ℕ}$ eine Cauchy-Folge in $\L(X,Y)$. Das heißt, für jedes $\epsilon > 0$ existiert ein $N_0$ mit $\norm {T_n - T_m} < \epsilon $ für $n, m > N_0$. Also mit \eqref{eq:61} $\norm {T_n x - T_mx} \le \norm {T_n - T_m} \norm x < \epsilon \norm x$ für alle $x ∈ X$ und $n,m > N_0$. Insbesondere ist $(T_nx)_{n ∈ ℕ}$ eine Cauchy-Folge in $Y$. Da $Y$ vollständig ist, besitzt diese Folge einen Grenzwert $y_x ∈ Y$. Wir definieren eine Abbildung \[ T: X → Y, x ↦ y_x. \] Dann ist $T$ linear, weil alle $T_n$ linear sind. Also ist nur die Stetigkeit von $T$ und die Konvergenz von $(T_n)_{n ∈ ℕ}$ gegen $T$ zu zeigen. Für die Stetigkeit bekommt man unter Verwendung der Dreicksunglechung direkt \[ \left| \norm {T_n} - \norm{T_m} \right| \le \norm {T_n - T_m} < \epsilon \quad ∀ n, m \ge N_0, \] also eine Cauchyfolge $\left( \norm{T_n} \right)_{n ∈ ℕ}$ in $ℝ$, die wegen der Vollständigkeit von $ℝ$ konvergent, also insbesondere auch beschränkt ist. Damit gibt es $M > 0$ mit $\norm {T_n} \le M$ für alle $n ∈ ℕ$, also mit~\eqref{eq:61} \[ \norm{Tx} \xleftarrow[n → \infty ]{} \norm{T_nx } \le M \norm x, ∀ x ∈ X, \] also die stetigkeit von $T$. Jetzt zur Konvergenz: Für $\norm x \le$ 1 gilt \[ \norm {T_n x - T_m x } < \epsilon , \quad ∀n, m \ge N_0, \] also durch Grenzwertbildung $n → \infty $ \[ \norm {T_n x - T x } < \epsilon , \quad ∀n \ge N_0, \] und mit~\eqref{eq:61} \[ \norm {T_n -T} = \sup_{\norm x \le 1} \norm {T_n x - T_x} < \epsilon , \quad ∀ n \ge N_0, \] das heißt $T_n → T$ wie gewünscht. Für den Zusatz haben wir \[ \norm {S(Tx)} \le \norm S \norm {Tx} \le \norm S \norm T \norm x. \] Da das für alle $x ∈ X$ gilt, haben wir $\norm {ST} \le \norm S \norm T$. \end{proof} \begin{korollar} Ist $X$ ein Banachraum, dann ist $\L(X) \coloneq \L(X,X)$ eine \emph{Banachalgebra}, das heißt ein vollständiger normierter Vektorraum mit einer Multiplikation, so dass für $T, S ∈ \L(X)$ gilt: \[ \norm {TS} \le \norm T \norm S. \] \end{korollar} \begin{bemerkung} Ist $T ∈ \L(X,Y)$, so ist $\ker T$ als Urbild der abgeschlossenen Menge $\{ 0\}$ stets abgeschlossen in $X$. Das Bild hingegen $R(T) \coloneq \im T$ ist im Allgemeinen jedoch nicht abgeschlossen. Wann sind Elemente in $\L(X)$ invertierbar? \end{bemerkung} \begin{satz} Sei $X$ ein Banachraum und $\T ∈ \L(X)$ mit $\limsup\limits_{m → \infty } \norm{T}^{1/m} < 1$. Dann ist $(\id - T)^{-1} ∈ \L(X)$ und es gilt \[ (\id-T)^{-1} = \ lim_{m → \infty } \sum_{n = 0}^m T^n =: \sum_{n = 0}^\infty T^n ∈ \L(X). \] mit Konvergenz in $\L(X)$. \end{satz} \begin{proof} Wähle $m_0$ und $\Theta < 1$ mit $\norm {T^n} < \Theta ^n$ für $n \ge m_0$. Für $S_k = \sum_{n=0}^k T^n$ gilt dann für $m_0 \le k < l$ \[ \norm{ S_l - S_k} = \norm { \sum_{n=k+1}^l T^n} \le \sum_{n=k+1}^l \norm{ T^k} \le \sum_{n=k+1}^l \Theta ^n < \epsilon , \quad k, l \ge N_0. \] Damit ist $(S_k)_{k ∈ ℕ}$ eine Cauchy-Folge in $\L(X)$ und somit konvergent. Sei $S$ der Grenzwert. Dann gilt für jedes $x ∈ X$ auch $S_k x \xrightarrow[k → \infty ]{\norm\cdot_{X}} Sx$, also damit ist für alle $x∈ X$ \[ (\id - T) Sx = \lim_{k → \infty } (\id -T) S_k x = \lim_{k → \infty } \sum_{n=0}^k (T^n -T^{n-1})x = \lim_{k→\infty } x - T^{k+1}x = x. \] Damit ist $(\id -T)S = \id$. Da sich analog $S(\id-T) = \id$ auch zeigen lässt, folgt die Behauptung. \end{proof} \begin{lemma} 3.7.6 \end{lemma} \begin{bemerkung-nn} Mit $\Theta = 1$ geht es nicht immer. Gegenbeispiel: Sei $X = C[0,1] ∩ \{ x(0) = 0 \}$ und $M = \{ x ∈ X : g∫_0^1 x(t) dt = 0 \}$. Dann ist $M$ ein abgeschlossener linearer Unterraum, weil $T: X → ℝ, ∫_0^1 \cdot$ stetig ist und somit $M = T^{-1}(\{0\})$ als Urbild einer abgeschlossenen Menge in $ℝ$ abgeschlossen ist. Angenommen, ($\Theta =1$), es existierte ein $x_\Theta = x ∈ X$ mit $\norm x_1 = $ und $\norm {x-x_1} \ge 1 $ für alle $x ∈ M$. Dann setze \[ c(y) \coloneq \frac{∫_0^1 x_1(t) dt}{∫_0^1 y(t) dt} ∈ ℝ \] für alle $y \not\in M$. Man beachte, dass dies wohldefiniert ist. Dann ist $x_1 - c(y)y ∈ M$, also $1 \le \norm{ x_1 - c(y)y - x_1} = |c(y)|\norm y$. Dann $∫_0^1 x_1 c(y)y\; dt = 0 $ oder $\frac {1}{|c(y)} \le \norm y $ oder $\left| ∫_0^1 y(t)\;dt \right| \le \left| ∫_0^1x_1(t)\;dt \right| \norm y$ für alle $y ∈ X \setminus M)$. Wähle $y_n(t) = t^{1/n} ∈ X$, also $\norm {y_n} = 1$. Es gilt $\left| ∫_0^1 y_n(t) dt \right| \le \left| ∫_0^1 x_1(t) dt \right| \le 1$ für alle $n ∈ ℕ$, also $∫_0^1 x_1(t) dt = 1$ und $x_1(t) \le 1$, was aber bereits impliziert, dass $x_1$ identisch 1 ist. Damit ist $x_1 \not\in X$. \end{bemerkung-nn} \begin{satz} 7.7 \end{satz} \begin{proof} „⇐“ war Korollar 7.4. „⇒“. Angenommen, $\dim X = \infty.$ Sei $S^1 \coloneq \{ x ∈ X: \norm x = 1\}$. Da $S^1$ abgeschlossen und beschränkt ist, ist $S^1$ nach Annahme kompakt. Wähle $x_1 ∈ S^1$ und $M_1 \coloneq \lspan \{ x_1 \} \subsetneq X$. $M_1$ ist ein abgeschlossener Unterraum nach Korollar 7.5. Nach Ries existiert ein $x_2 ∈ S_1$ mit $\norm {x_2-x_1} \ge \Theta \coloneq \frac 1 2 $. Setze nun $M_2 \coloneq \lspan \{x_1,x_2\}$. Da $M_2$ ein abgeschlossener Unterraum ist, existiert ein $x_3 ∈ S_1$ mit $\norm {x_3 - x} \ge \Theta $ für alle $x ∈ M_2$, also insbesondere $\norm {x_3-x_1} \ge \Theta = \frac 1 2$ und $\norm {x_3-x_2} \ge \Theta = \frac 1 2$. Iterativ (da $\dim X = \infty $) existiert $x_n ∈ S_1$ mit $\norm {x_m - x_n} \ge \frac 1 2$ für $m \ge n$. Somit haben wir eine Folge $(x_n)_{n ∈ ℕ}$ ohne Häufungspunkt in $S^1$ gefunden im Widerspruch zu $S^1$ kompakt. \end{proof} Damit sind in unendlich-dimensionalen normierten Räumen weder die Sphären noch die abgeschlossenen Kugeln kompakt. \begin{definition} Ein topologischer linearer Raum $X$ heißt \emph{lokalkompakt}, wenn $0 ∈ X$ eine Umgebung $U$ besitzt, deren Abschluss kompakt ist. \end{definition} \begin{korollar} Sei $X$ normiert, $\dim X = \infty $. Dann ist $X$ nicht lokalkompakt. \end{korollar} \begin{proof} Angenommen, dass doch. Dann gibt es $r > 0$, so dass $S_r = \{ x ∈ X : \norm x = r\} ⊂ \cl U$. Da $\cl U$ nach Annahme kompakt ist und $S_r$ abgeschlossen, ist $S_r$ ebenfalls kompakt. Das ist ein Widerspruch. \end{proof} \chapter{Unitäre Räume und Hilberträume} \section{Grundbegriffe} Sei wieder $\K = \R$ oder $\K = ℂ$. \begin{definition} Sei $X$ ein linearer Raum über $\K$. Eine Abbildung $\langle \cdot, \cdot \rangle: X × X → \K$ heißt \emph{Skalarprodukt} auf $X$, falls gilt \begin{enumerate}[label=(U\arabic*)] \item $\langle x, x \rangle > 0$ für alle $0 \ne x ∈ X$. \item $\langle x, y \rangle = \cl {\langle y, x \rangle}$ für alle $x, y ∈ X$. \item $\langle x, \alpha y + β z \rangle = \alpha \langle x, y \rangle + β \langle x,z \rangle$ für alle $\alpha , β ∈ \K$, $x,y,z ∈ X$. \end{enumerate} $(X,\langle -,- \rangle)$ heißt \emph{Skalarproduktraum}, \emph{unitärer Raum} oder \emph{Prähilbertraum}. \end{definition} \begin{bemerkung-nn} Offenbar ist $\langle -,- \rangle$ in der ersten Komponente konjugiert linear. \end{bemerkung-nn} \begin{satz} Sei $(X, \langle -,- \rangle)$ ein unitärer Raum. Dann gelten die folgenden Aussagen: \begin{enumerate} \item Durch $\norm x \coloneq \sqrt{\langle x, x \rangle}$ wird eine Norm definiert. Dadurch wird jeder unitäre Raum auf natürliche Art und Weise normiert und trägt dadurch die induzierte natürliche Topologie. \item $|\langle x,y \rangle| \le \norm x \norm y$ mit Gleichheit genau dann, wenn $x$ und $y$ linear abhängig (Cauchy-Schwarz-Ungleichung). \item $\norm {x+y}^2 + \norm{x-y}^2 = 2(\norm x^2 + \norm y^2)$ (Parallelogrammgleichung), \item Für $\K = ℝ$ gilt \[ \langle x,y \rangle = \frac 1 4 \left( \norm { x+y}^2 - \norm{x-y}^2 \right), \] für $\K = ℂ$ \[ \langle x, y \rangle = \frac 1 4 \left( \norm {x+y}^2 - \norm{x-y}^2 - i \norm{x+iy}^2 + i\norm{x-iy}^2 \right). \] \end{enumerate} \end{satz} \begin{proof} \begin{enumerate} \item Einfaches Nachrechnen unter Verwendung von (b) \item Für $y = 0$ ist die Behauptung klar. Sei also $y \ne 0, \alpha ∈ ℂ$. Dann \[ \langle x + \alpha y, x+\alpha y \rangle = \langle x, x \rangle + \cl \alpha \langle y, x \rangle + \alpha \langle x,y \rangle + |\alpha |^2 \langle y,y \rangle. \] Speziell für $\cl \alpha \coloneq - \frac{\langle x,y \rangle}{\langle y,y \rangle}$ ergibt sich \[ 0 \le \langle x + \alpha y, x+\alpha + \rangle = \langle x,x \rangle - \frac{|\langle x,y \rangle^2|}{\langle y,y \rangle} - \frac{|\langle x,y \rangle^2|}{\langle y,y \rangle} + \frac{|\langle x,y \rangle^2|}{\langle y,y \rangle} = \langle x,x \rangle - \frac{|\langle x,y \rangle^2|}{\langle y,y \rangle}. \] Durch Umstellen ergibt sich \[ \langle x, x \rangle \ge \frac{|\langle x,y \rangle|^2}{\langle y,y \rangle} \gdw |\langle x,y \rangle|^2 \le \norm x ^2 \norm y^2. \] Die CSU erhält man durch Wurzel ziehen. Gleichheit gilt genau dann, wenn \[ \langle x+ \alpha y, x+\alpha y \rangle = 0 \gdw x + \alpha y = 0, \] also wenn $x$ und $y$ linear abhängig sind. \item Es gilt \[ \norm {x \pm y}^2 = \norm x^2 \pm 2\Re(\langle x,y \rangle) + \norm y ^2. \] Addieren dieser Gleichungen für $+$ und $-$ ergibt die Behauptung. \item Es gilt \begin{align*} \norm {x+y}^2 - \norm{x-y}^2 &= (\norm x^2 + 2 \Re \langle x,y\rangle + \norm y^2) - (\norm x^2 - 2 \Re \langle x,y \rangle + \norm y^2) \\ & = 4 \Re \langle x,y \rangle. \end{align*} Analog haben wir \[ -i \norm{x+iy}^2 + i \norm{x-iy}^2 = … = 4i \Im \langle x,y \rangle, \] was die Behauptung impliziert. \end{enumerate} \end{proof} \begin{satz} Sei $(X,\norm\cdot)$ ein normierter Raum, der die Parallelogrammgleichung erfüllt. Dann definieren \[ \langle x,y \rangle = \frac 1 4 \left( \norm { x+y}^2 - \norm{x-y}^2 \right), \] und \[ \langle x, y \rangle = \frac 1 4 \left( \norm {x+y}^2 - \norm{x-y}^2 - i \norm{x+iy}^2 + i\norm{x-iy}^2 \right). \] Skalarprodukte auf $X$ (für $\K = ℝ$ bzw $ℂ$). \end{satz} \begin{proof} Stupides nachrechnen (oder so ähnlich). \end{proof} \begin{bemerkung} \begin{enumerate} \item Die Paralellogrammgleichung ist somit charakteristisch für unitäre Räume. \item $(C(S),\norm\cdot_\infty )$ mit $S ⊂ ℝ^n$ kompakt erfüllt dies nicht. \item Die Abbildung $\langle \cdot,\cdot \rangle$ in unitären Räumen ist stetig in beiden Komponenten als unmittelbare Konsequenz aus der Stetigkeit der Norm. \end{enumerate} \end{bemerkung} \begin{definition} Ein bezüglich der Norm $\norm \cdot \coloneq \sqrt{ \langle \cdot,\cdot \rangle}$ vollständiger unitärer Raum $(X,\langle \cdot,\cdot \rangle)$ heißt \emph{Hilbertraum}. \end{definition} Hier fehlt eine VL. \begin{korollar} $\hat y$ erfüllt die Gleichung aus dem vorherigen Satz genau dann, wenn $(x- \hat y) \perp Y$ gilt. \end{korollar} \begin{proof} „⇐“: Sei also $\hat y ∈ Y$ mit $x-\hat y \perp Y$, also $x-\hat y \perp (\hat y - y)$ für $y ∈ Y$ beliebig. Dann gilt mit Pythagoras \[ \norm{x-y}^2 = \norm{x-\hat y + \hat y - y}^2 = \norm{x-\hat y}^2 + \norm{\hat y - y}^2 \ge \norm{x-\hat y}^2, \] was die Behauptung impliziert. \end{proof} \begin{bemerkung-nn} Damit gilt im Hilbertraum das Riesz'sche Lemma (3.7.6) mit $\Theta = 1$. Setze dazu $ x_{\Theta =1} \coloneq \frac{x-\hat y }{\norm{x-\hat y}} $ für ein $x \notin Y$. Dann ist $\norm{x_\Theta } = 1$ und für alle $z ∈ Y$ gilt $\norm {z-x_\Theta }^2 + 2 \Re \langle z,x_\Theta \rangle + \norm{x_\Theta }^2 \ge 1 = \Theta $. \end{bemerkung-nn} \begin{satz} Es sei $Y$ ein vollständiger Unterraum eines unitären Raums $X$. Dann existiert zu jedem $x ∈ X$ eine eindeutige Zerlegung der Form \[ x= y + v \] mit $y ∈ Y$ und $v ∈ Y^\perp$, das heißt $X = Y \oplus Y^\perp$. \end{satz} \begin{proof} Jedes $x ∈ X$ lässt sich als $x = \hat y + (x- \hat y)$ schreiben, wobei $\hat y$ wie im Vorherigen Satz ist. Dann ist $\hat y ∈ Y$ und $(x-\hat y) ∈ Y^\perp$. Für die Eindeutigkeit seien $x = y_1 + v_1 = y_2 + v_2$ zwei Darstellungen von $x$ mit $y_i ∈ Y, v_i ∈ Y^\perp, i=1,2$. Dann $y_1 - y_2 = v_2 - v_1$, wobei die linke Seite in $Y$ ist und die rechte in $Y^\perp$, aber $Y ∩ Y^\perp = \{ 0\}$ nach einem vorherigen Resultat, also $y_1 = y_2$ und $v_1 = v_2$. \end{proof} \begin{bemerkung-nn} Weil für jedes $x ∈ X$ das Element $y = \hat y(x) ∈ Y$ in dieser Darstellung eindeutig ist, lässt sich dadurch eine Abbildung $P: X → X, x ↦ y$ definieren. Diese Abbildung ist eine Projektion, das heißt $P \circ P = P$. Wir schreiben für $P$ auch $\Proj_Y : X → X$ mit Wertebereich $\im P = Y$ und $P|_Y = \id|_Y$. \end{bemerkung-nn} \begin{korollar} Falls $M ⊂ X$ ein Unterraum des Hilbertraums $X$ ist, dann gilt \[ \cl M = (M^\perp)^\perp. \] \end{korollar} \begin{proof} „⊂“ wurde bereits in Definition 2.1 gezeigt. „$\supset$“: Falls $(M^\perp)\perp \ne \cl M$, dann existiert $x_0 ∈ (M^\perp)^\perp \setminus \cl M$. Da $X$ ein Hilbertraum ist, ist $\cl M$ vollständig. Nach dem Satz vom orthogonalen Komplement gibt es eine eindeutige orthogonale Zerlegung von $x_0 = \hat x_0 + h_0^\perp$ mit $\hat x_0 = \Proj_M(x_0) ∈ \cl M$ und $x_0^\perp ∈ (\cl M)^\perp$. Da $x_0^\perp ∈ (\cl M)^\perp$, ist auch $x_0^\perp ∈ (M)^\perp$ und $x_0 ∈ (M^\perp)^\perp$, also insbesondere $\langle x_0, x_0^\perp \rangle = 0$. Das bedeute mit Hilfe der Zerlegung \[ 0 = \langle x_0, x_0^\perp \rangle = \langle \hat x_0 + x_0^\perp, x_0^\perp \rangle = \langle \hat x_0, x_0 ^\perp \rangle + \langle x_0^\perp, x_0^\perp \rangle = \langle x_0^\perp, x_0^\perp \rangle = \norm{x_0^\perp}^2. \] somit ist bereits $x_0^\perp = 0$, also $x_0 = \hat x_0 ∈ \cl M$. Damit ist $\cl M = (M^\perp)^\perp$. \end{proof} \begin{bemerkung-nn} Die Abbildung $P$ ist beschränkt mit Operatornorm $\norm P = \sup\limits_{x \ne 0} \frac{\norm{P(x)}}{\norm x} \le 1$, denn für jedes $x = y + v$ mit $y ∈ Y, v ∈ Y^\perp$ gilt \[ \norm{P(x)}^2 = \norm{y^2} \le \norm y^2 + 2 \Re \langle y, v \rangle + \norm{v}^2 = \norm{y +v}^2 = \norm{x}^2. \] Desweiteren ist $P$ symmetrisch, das heißt für alle $x_1, x_2 ∈ X $ ist \[ \langle P(x_1), x_2 \rangle = \langle x_1, P(x_2) \rangle. \] Ist $x_1 = y_1 + v_2$, $x_2 = y_2 + v_2$ mit $y_i ∈ Y, v_i ∈ Y^\perp, i=1,2$, dann ist \[ \langle P(x_1), x_2 \rangle = \langle y_1,x_2 \rangle = \langle y_1,y_2 + v_2 \rangle = \langle y_1,y_2 \rangle = \langle y_1+v_1, y_2 \rangle = \langle x_1, P(x_2) \rangle. \] \end{bemerkung-nn} \begin{korollar} Es Sei $Y \ne \{0\}$ ein vollständiger Unterraum des unitären Raums $X$ mit der Projektion $P = \Proj_Y: X → Y ⊂ X$. Dann gilt \begin{enumerate} \item $x-P(x) \perp Y $ für alle $x ∈ X$. \item $P$ ist symmetrisch. \item $P$ ist beschränkt mit Operatornorm $\norm P = 1$. \end{enumerate} \end{korollar} \begin{proof} (1) und (2) wurden bereits gezeigt. Bei (3) fehlt nur noch „$\ge$“. Da $P_Y = \id|_Y$ und $Y \ne \{0\}$ ist das aber ebenfalls klar. \end{proof} Zentral in der Hilbertraumtheorie ist der Begriff der Hilbertraumbasis. \begin{definition} Ein Orthonormalsystem $(\hat e_k)_{k ∈ ℕ}$ eines unitären Raums $X$ heißt eine Orthonormalbasis oder eine \emph{Hilbertraumbasis}, falls eine der folgenden äquivalenten Bedingungen erfüllt ist: \begin{enumerate} \item Für alle $x ∈ X$ gilt die Vollständigkeitsrelation \[ \lim_{n → \infty } \norm{x - \sum_{k=1}^n \langle \hat e_k, x \rangle \hat e_k} = 0 \] \item Für alle $x, y ∈ X$ ist \[ \langle x,y \rangle = \sum_{k=1}^\infty \cl{\langle \hat e_k. x \rangle} \langle \hat e_k, y \rangle. \] \item Für alle $x ∈ X$ gilt die Parseval-Gleichung \[ \norm{x}^2 = \sum_{k=1}^\infty \left| \langle \hat e_k, x \rangle \right|^2. \] \end{enumerate} \end{definition} \begin{proof} Übung. \end{proof} \begin{bemerkung-nn} \begin{enumerate} \item Statt (a) kann man auch \[ x = \lim_{n → \infty } \sum_{k=1}^n \langle \hat e_k, x \rangle \hat e_k = \sum_{k=1}^\infty \langle \hat e_k,x \rangle \hat e_k \] schreiben. Dies nennt man die Fourier-Reihe von $x$. \item Die approximierenden Elemente \[ \sum_{k=1}^n \langle \hat e_k, x \rangle \hat e_k \] liegen offenbar in $\lspan S$ wenn $S = \{ \hat e_k : k ∈ ℕ \}$ ist, was sich nicht notwendigerweise auf den Grenzwert überträgt. Falls $X$ aber vollständig ist (also ein Hilbertraum), so sind diese Aussagen äquivalent zu $\cl{\lspan S}^{\norm\cdot} = X$. \end{enumerate} \end{bemerkung-nn} \begin{satz} \begin{enumerate} \item Für einen unitärer Raum $X$ gilt: Jede Hilbertraumbasis ist auch ein vollständiges Orthonormalensystem. \item Ist zusätzlich $X$ ein Hilbertraum und $(\hat e_k)_{k ∈ ℕ}$ ein vollständiges Orthonormalensystem, dann ist $(\hat e_k)_{k ∈ ℕ}$ auch eine Hilbertraumbasis. \end{enumerate} \end{satz} \begin{proof} \begin{enumerate} \item Sei $S$ wie oben. Sei $x ∈ X$ mit $x \perp S$. Nach (c) gilt dann \[ \sum_{k=1}^\infty \big| \underbrace{\langle \hat e_k^\infty , x \rangle}_{=0} \big|^2 = \norm x ^2, \] also $\norm x = 0$ und $x = 0$. \item Sei nun $S$ ein abzählbares vollständiges Orthonormalensystem und $X$ ein Hilbertraum. Führe den Beweis indirekt. Angenommen, $S$ wäre keine Hilbertraumbasis. Dann gelten die Eigenschaften (a)-(c) aus der Definition nicht und wegen der obigen Bemerkung ist dann $Y \coloneq \cl{\lspan S} \subsetneq X$. $Y$ ist also ein abgeschlossener Unterraum von $X$, und da $X$ Hilbertraum ist, damit vollständig. Nach Satz 2.9 ist $X = Y \oplus Y^\perp$. Insbesondere ist also $Y^\perp \ne \{ 0\}$. Damit gibt es ein $x ∈ X \setminus \{ 0\}$ mit $x ∈ Y^\perp$, also \[ \langle \hat e_k, x \rangle = 0 \] für alle $k ∈  ℕ$ im Widerspruch zur Vollständigkeit von $S$. \end{enumerate} \end{proof} \begin{frage-nn} Hat jeder Hilbertraum $H$ mit $\dim H = \infty $ ein abzählbares vollständiges ONS (also eine Hilbertbasis)? \end{frage-nn} Die Antwort darauf ist nein, aber falls $H$ zusätzlich separabel ist, dann ist sie ja. Dagegen ist die Existenz eines vollständigen Orthonormalensystems (also eventuell überabzählbar, also keine ONB) kein Problem: \begin{satz} In jedem Hilbertraum $X \ne \{ 0\}$ gibt es ein vollständiges Orthonormalensystem. Es lässt sich sogar jedes ONS $S_0$ zu einem vollständigen Orthonormalensystem $\tilde S_0$ mit $S_0 ⊂ \tilde S_0$ ergänzen. \end{satz} \begin{proof} Simple Anwendung von Zorns Lemma. \end{proof} \begin{beispiel} \begin{enumerate} \item Sei $X = L^2(0,2\pi), \K = ℝ$. Dann ist ein VONS in $X$ gegeben durch \[ S = \left\{ \frac 1 {\sqrt{2\pi }}\right\} ∪ \left\{ \frac 1 {\sqrt{\pi }} \cos(nx) : n ∈ ℕ\right\} ∪ \left\{ \frac 1 {\sqrt{\pi }} \sin(nx) : n ∈ ℕ\right\}. \] In der klassischen Fourieranalysis werden Entwicklungen nach diesem VONS $S$ untersucht. Man zeigt dort, dass $\lspan S$ bezüglich $\norm\cdot_\infty $ dicht liegt in $C_{\text{per}}([0,2\pi]) = \{ f: \R → \R: f$ ist stetig und $2\pi $-periodisch $\}$. Die Aussage von 2.13(2) und (2.10) liefert nur die Begründung für die Dichtheit von $\lspan S$ in $\norm-_{L^2}$. \item Durch $(f,g)_\mu \coloneq ∫_a^b \mu (t) f(t) g(t)\; dt $, wobei $\mu > 0$ und stetig auf $(a,b)$, ist auf $L^2(a,b)$ ein reelles Skalarprodukt definiert. Für verschiedene Gewichtsfunktionen $\mu $ und verschiedene Wahlen von $(a,b)$ erhält man $\mu $-orthogonale Polynomsysteme durch Anwendung des Gram-Schmidt-Verfahrens auf die Monome $\{t^i: i ∈ ℕ_0\}$. \begin{enumerate}[label=(\roman*)] \item $a=-1, b=1$, $\mu (t) = 1$ liefert die Legendre-Polynome. \item $a=-1, b=1$, $\mu (t) = \frac 1 {\sqrt{1-t^2}}$ liefert die Tschebyscheff-Polynome. \item $a=0, b=\infty $, $\mu (t) = \exp(-t)$ liefert die Laguerre-Polynome. \item $a=-\infty , b=\infty $, $\mu (t) = \exp(-t^2)$ liefert die Hermite-Polynome. \end{enumerate} \item Ist $X$ ein unitärer Raum mit ONB, kann er formal vervollständigt werden: Sei also $(\hat e_k)_{k ∈ ℕ} ⊂ X$ diese ONB, dann ist \[ H \coloneq \left\{ \sum_{k=1}^\infty c_k \hat e_k: (c_k)_{k ∈ ℕ} ∈ \ell^2 \right\} \] ist ein Hilbertraum, den man die Vervollständigung von $X$ nennt. Das Skalarprodukt zwischen $x = \sum_{k ∈ ℕ} c_k \hat e_k$ und $y = \sum_{k ∈ ℕ} d_k \hat e_k$ wird definiert als \[ \langle x,y \rangle \coloneq \sum_{k=1}^\infty \cl{c_k} d_k. \] Tatsächlich kann $H$ mit dem Koordinatenraum $\ell^2 = \ell^2(ℕ)$ identifiert werden. Die Abbildung \[ \Phi: \ell^2(ℕ) → H, (c_k)_{k ∈ℕ} ↦ \sum_{k=1}^\infty c_k \hat e_k \] ist linear, bijektiv und normerhaltend wegen der Parsevalgleichung \[ \norm{x}^2 = \sum_{k=1}^\infty \left| \langle \hat e_k, x \rangle \right|^2. \] Also $\ell^2(ℕ)$ und $H$ isometrisch und insbesondere $H$ vollständig. \end{enumerate} \end{beispiel} % VL NÄCHSTE WOCHE Der Satz 4.1 liefert also, dass die Abbildung $J_x: X → X', y ↦ y'$ definiert durch $y': X → \K, x ↦ \langle y,x \rangle$ bijektiv ist. Wir schreiben nun \[ \lAngle J_x(y),x \rAngle = \lAngle J_x(y),x \rAngle_{X'×X} \coloneq J(x)(y)[x] = \langle y,x \rangle. \] Diese Abbildung ist sesquiliniear, das heißt \[ J_x (y_1 + y_2) = J_x (y_1) + J_x(y_2), \quad y_1, y_2 ∈ X, \] \[ J_x(\alpha y) = \cl{\alpha} J_x(y), \quad \alpha ∈ \K, \] denn \[ \lAngle J_x(\alpha y),x \rAngle = \langle \alpha y, x \rangle = \cl \alpha \langle y, x \rangle = \cl \alpha J_x(y) [x] = \cl \alpha \lAngle J_x(y), x \rAngle \lAngle \cl \alpha J_x(y), x \rAngle, \] also $X \cong X'$ sesquilinear isomorph. Gilt da sauch topologisch? Die Topologie von $X'$ sei hierbei die von $\L(X, \K)$, also die von der Norm $\norm{y'}_{X',N} = \sup_{\norm{x} \le 1}|y'[x]|$ erzeugte. \begin{satz} $X$ und $X'$ sind Hilberträume und $J_x: X → X'$ ist kanonischer sesquilinearer Isomorphismus, der die Norm erhält, also eine Isometrie. Genauer gilt: \begin{enumerate} \item $\langle y_1', y_2' \rangle_{X'} \coloneq \cl{ \langle y_1, y_2 \rangle_X}$, wobei $J_x(y_1) = y_1', J_x(y_2) = y_2'$, macht $X'$ zum Skalarproduktraum. \item Die durch $\langle -,- \rangle_{X'}$ induzierte Norm \[ \norm{y'}_{X',S} = \sqrt{\langle y', y' \rangle_{X'}} \] ist gerade die von $X' = \L(X, \K)$ bekannte, das heißt, $\norm{y'}_{X',S} = \norm{y'}_{X',N}$. \item Da $(X',\norm-_{X',N})$ schon bekanntlich vollständndig ist, ist $(X', \langle -,- \rangle)$ damit ein Hilbertraum. \item $J_x: X → X'$ ist eine Isometrie. \end{enumerate} \end{satz} \begin{proof} \begin{enumerate} \item Beispielsweise ist \[ \langle \alpha y_1' , y_2' \rangle_{X'} \stackrel{\text{def}}{=} \cl{\langle \cl \alpha y_1, y_2 \rangle_X} = \cl{ \alpha \langle y_1, y_2 \rangle_X} = \cl{\alpha} \langle y_1',y_2' \rangle_{X'}, \] die anderen Eigenschaften folgen analog. \item Wegen $y'[x] = \langle y,x \rangle$ und $\norm{y'}_{X',S} = \sqrt{\langle y', y' \rangle_{X'}} = \sqrt{\langle y, y \rangle_X} = \norm{y}$, das heißt, es genügt, zu zeigen, dass \[ \norm{y'}_{X',N} = \sup_{\norm x \le 1} |y'[x]| = \norm{y}_{X} \quad \text{für alle $y ∈ X$}. \] hierbei ist aber „$\le$“ gerade die Cauchy"=Schwarzsche Ungleichung, für „$\ge$“ wähle $x = \frac y {\norm y _{X}}$ für $y \ne 0$ ($y=0$ ist sowieso klar). \item nichts zu zeigen. \item $J_x: X → X'$ ist eine Isometrie, denn $y ↦ J_x(y) = y'$ und $\norm{J_X(y)}_X = \norm{y'}_{X'} = \norm{y}_X$ für alle $y ∈ X$. \end{enumerate} \end{proof} \section{Separable Hilberträume} \begin{definition} Ein metrischer Raum $(X,d)$ heißt \emph{separabel}, wenn es $U ⊂ X$ dicht und abzählbar gibt. \end{definition} \begin{beispiele} $ℝ^n, ℂ^n, \ell^2, L^2(\Omega)$ für $\Omega ⊂ ℝ^n$ offen sind separable Hilberträume. \end{beispiele} \begin{satz} In einem separablen unendlich"=dimensionalen Hilbertraum $(X,\langle -,- \rangle)$ gilt \begin{enumerate} \item Jedes ONS in $X$ ist höchstens abzählbar. \item Sei $S = (\hat e_i)_{i ∈ ℕ}$ ein VONS in $X$. Dann existiert zu jeder Folge $\alpha = (\alpha _k)_{k ∈ ℕ} ∈ \ell^2$ genau ein $x ∈ X$ mit $\langle \hat e_k, x \rangle = \alpha _k, k ∈ ℕ$ (Satz von \emph{Riesz-Fischer}). \item $X$ ist isometrisch isomorph zum $\ell^2$. Insbesondere sind $L^2(\Omega)$ und $\ell^2$ isometrisch isomorph. \end{enumerate} \end{satz} \section{Riesz'scher Darstellungssatz und Lax-Milgram} Für einen topologischen linearen Raum $X$ ist der Dualraum $X' = \{x': X → \K, x' $ linear und stetig $\}$ definiert. Im Allgemeinen kann auch $X' = \{0\}$ gelten. Ist $X$ jedoch ein Hilbertraum, so ist stets $X' \ne \{0\}$, denn zu $y ∈ X$ ist durch $y'[x] \coloneq \langle y,x \rangle, x ∈ X$ jeweils ein $y' ∈ X'$ erklärt. Tatsächlich bekommt man dadurch sogar schon alle Elemente des Dualraums: \chapter{Der Satz von Hahn-Banach und seine Konsequenzen} \section{Fortsetzbarkeit linearer Funktionale} Wir fragen uns, ob sich Abbildungen so erweitern, dass gewisse Eigenschaften (wie z.B. Linearität oder Stetigkeit) erhalten bleiben. \begin{definition} Eine Abbildung $A: M → Y$ heißt eine Fortsetzung einer Abbildung $A_0: M_0 → X$, falls \begin{enumerate} \item $ M_0 ⊂ M$, \item $∀x ∈ M_0: A_0 x = Ax $. \end{enumerate} Wir schreiben dann $A = A|_{M_0}$. \end{definition} \begin{satz} Seien $(X,\norm-)$ und $(X_0,\norm-)$ normietre Räume, $X_0 ⊂ X$ dicht in $X$. Weiter sei $(Y, \norm-_{Y})$ ein Banachraum und $A_0 : X_0 → Y$ stetig und linear. Dann gibt es genau eine stetige lineare Fortsetzung $A : X → Y$ von $A_0$ auf $X$. Für diese gilt: \[ \norm{A_0}_{\L(X_,Y)} = \norm{A}_{\L(X,Y)}. \] \end{satz} \begin{proof} Zeigen wir zunächst die Existenz der Fortsetzung. Da $X_0$ dicht in $X$ ist, existiert zu jedem $x ∈ X$ eine Folge $(x_n)_{n \ge1}$, die ganz in $X_0$ liegt und gegen $x$ konvergiert. Wir behaupten, dass $(A_0x_n)_{n ∈ ℕ}$ eine Cauchy-Folge in $Y$ ist. Dazu beachte, dass \[ \norm{A_0 x_n - A_0 x_m}_{Y} \le \norm{A_0}_{\L(X_0,Y)} \norm{x_n-x_m} \xrightarrow[n,m → \infty ]{} 0. \] Da $Y$ ein Banachraum ist, ist $(A_0x_n)_{n\ge1}$ konvergiert, etwa gegen $y$. Wir setzen $Ax \coloneq y$. Zunächst ist $A$ wohldefiniert, denn wenn $(z_n)_{n \ge 1}$ eine weitere Folge mit $\lim_{n → \infty } z_n = x$ ist, dann gilt $z_n - x_n \xrightarrow[n→\infty ]{} 0$ und \begin{align*} \norm{A_0 z_n - y} &\le \norm{A_0 z_n - A_0 x_n} + \norm{A_0 x_n - y} \\ & \le \norm{A_0} \norm{z_n - x_n} + \norm{A_0 x_n - y} \xrightarrow[n→\infty ]{} 0. \end{align*} Offensichtlich ist $A$ eine Fortsetzung von $A_0$. Dass $A$ linear ist, ist ebenfalls klar. Zur Stetigkeit ist \begin{align*} \norm{Ax}_Y &= \norm{\lim_{n → \infty } A_0 x_n}_Y = \lim_{n → \infty } \norm{A_0 x_n}_{Y} \\ &\le \lim_{n → \infty } \norm{A_0}_{\L(X_0,Y)} \norm{x_n}_X = \norm{A_0} \norm{x}. \end{align*} Damit ist $A$ beschränkt, also auch stetig. Es gilt $\norm{A_0}_{\L(X_0,Y)} = \norm{A}_{\L(X,Y)}$: „$\ge$“ ist aus dem Vorherigen klar. Für die andere Ungleichung ist \[ \norm{A}_{L(X,Y)} = \sup_{\norm{x \le 1}, x ∈ X} \norm{Ax}_{Y} \ge \sup_{\norm{x \le 1}, x ∈ X_0} \norm{Ax}_{Y} = \norm{A_0}_{\L(X_0,Y)}. \] Für die Eindeutigkeit sei $B: X → Y$ eine weitere stetige, lineare Fortsetzung von $A_0$. Wie oben existiert zu jedem $x ∈ X$ eine Folge $(x_n)_{n ∈ ℕ} ⊂ X$ mit $\lim_{n → \infty } x_n = x$. Dann ist \[ Ax_n = A_0 x_n = Bx_n \quad ∀ n ∈ ℕ \] und für $x ∈ X$ \[ \norm{B_x - A_x} \le \norm{B_x - Bx_n} + \norm{Bx_n - Ax_n} + \norm{Ax_n - Ax} \xrightarrow[n→\infty ]{} 0, \] da $A$ und $B$ stetig sind. Also $Bx = Ax$ für alle $x ∈ X$ und damit $B = A$. \end{proof} \begin{korollar} Ist $A ∈ \L(X,Y)$, $X, Y$ normiert sowie $Y$ vollständig und $M ⊂ X$ dicht, dann gilt: Falls $Ax = 0$ für alle $x ∈ M$, dann ist $A$ schon die Nullabbildung auf $X$. \end{korollar} \begin{proof} ~ \end{proof} Ist $X_0$ nicht dicht in $X$, wird die Fortsetzung schwieriger. \begin{satz} Auf dem linearen Raum $X$ über $ℝ$ gebe es eine Abbildung $p: X → ℝ$ mit: \begin{enumerate}[label=(\roman*)] \item $p(\alpha x) = \alpha p(x)$ für alle $\alpha \ge 0, x ∈ X$ (positiv homogen) \item $p(x+y) \le p(x) + p(y)$ für alle $x, y ∈ X$ (subadditiv) \end{enumerate} Weiter seine $X_0$ ein linearer Teilraum von $X$ und $f_0 : X_0 → ℝ$ eine lineare Abbildung mit \[ ∀x ∈ X_0 : f_0(x) \le p(x). \] Dann gibt es eine lineare Fortsetzung $f: X → ℝ$ von $f_0$, welche die Ungleichung respektiert, das heißt \[ f|_{X_0} = f_0 \quad \text{und} \quad ∀x ∈ X: f(x) \le p(x). \] \end{satz} \begin{bemerkung-nn} Halbnormen oder Normen $p$ Erfüllen die Voraussetzungen dieses Satzes. \end{bemerkung-nn} \begin{proof} Schritt 1. Wir setzen $f_0$ auf $X_1 \coloneq X_0 \oplus \lspan{x_1}$ für ein $x_1 \not\in X$ (existiert immer solange $X_0 \subsetneqq X$). Offenbar hat jedes $x ∈X_1$ eine eindeutig Darstellung als $ y = y + \alpha x_1 $, mit $y ∈ X_0$, $\alpha ∈ ℝ$. Dann ist mit $c ∈ ℝ$ beliebig \[ f(x) = f(y + \alpha (x_1)) \coloneq f_0(y) + \alpha c \] eine lineare Abbildung $X_1 → ℝ$, die $f_0$ fortsetzt. Wir müssen $c$ so wählen, dass $f(x) \le p(x)$ für alle $x ∈ X_1$, also $f_0(y) + \alpha c \le p(y+\alpha x_1)$ für alle $y ∈ X_0, \alpha ∈ ℝ$. Mit (i) ist diese Bedingung äquivalent zu zwei anderen Bedingungen: \begin{enumerate} \item Für $a > 0$: $f_0(y/\alpha ) + c \le p(y/\alpha + x_1)$. \item Für $\alpha < 0$: $f_0(-y/\alpha ) - c \le p(-y/\alpha - x_1)$ \end{enumerate} für alle $y ∈ X_0$. Der Fall $\alpha = 0$ ist nach Annahme ohnehin klar. Um diese Bedingungen erfüllen zu können, muss $c ∈ ℝ$ so gewählt werden, dass \[ ∀y_1, y_2 ∈ X_0: f_0(y_1) - p(y_1 - x_1) \le c \le p(y_2 + x_2) - f_0(y_2). \] Das ist möglich, da \[ f_0(y_1) + f_0(y_2) = f_0(y_1+y_2) \le p(y_1 + y_2) = p(y_1 - x_1 + y_2 + x_1) \le p(y_1 - x_1)+p(y_2+x_1). \] Folglich gilt \[ \sup_{y_1 ∈ X_0} f_0(y_1-p(y_1-x_1)) \le \inf{y_2 ∈ X_0} p(y_2+x_1)-f_0(y_2). \] Schritt 2. Finde eine maximale Fortsetzung mit dem Lemma von Zorn. Betrachte dazu \[ \{: X \supset D_g \supset X_0 → ℝ\}: g|_{X_0} = f_0 ∧ ∀x ∈ D_g: g(x) \le p(x) \}. \] Diese Menge ordnen wir mit $\succeq$ definiert durch \[ h \succeq g \gdw h \text{ ist Fortsetzung von $g$}. \] Nach dem Lemma von Zorn existiert eine maximale Fortsetzung $g^*$ von $f_0$ mit $g^*(x) \le p(x)$ für alle $x ∈ X$. Wäre $D_{g^*}$ nicht $X$, so verfahre wie in Schritt 1 im Widerspruch zur Maximalität. Damit hat $g^*$ die gewünschten Eigenschaften. \end{proof} \begin{bemerkung-nn} \begin{enumerate} \item Ohne die Zusatzforderung $f(x) \le p(x)$ für alle $x ∈X$ ist die lineare Fortsetzbarkeit trivial. \item Eine Fortsetzung für lineare Funktionale $f_0: X_0 → \K = ℂ$ ist analog möglich. % yos IV 4 \end{enumerate} \end{bemerkung-nn} %% HIER FEHLT EINE VORLESUNG \begin{satz}[5.3.1] Sei $(X,\norm\cdot)$ ein normierter Raum über $ℝ$, $M ⊂ X$ abgeschlossen und konvex und $0 ∈ M$. Dann existiert zu jedem $x_0 \not\in M$ ein $f ∈ X'$ mit \[ f(x_0) > 1 ∧ ∀ x ∈ M: f(x) \le 1. \] \end{satz} Die Hyperebene $H = \{ x ∈ X: f(x) = 1 + \epsilon \}$ für $0 < \epsilon < f(x_0) < 1$ trennt also $x_0$ und $M$. \begin{proof} Setze $2r \coloneq \inf_{y ∈ M} \norm{y - x_0}$ (positiv, da $M$ abgeschlossen). Sei $N \coloneq \cl{M + \cl{B_r(0)}} = \cl{\{ z = y + u: y ∈ M, u ∈ \cl{B_r(0)}\}} ⊂ X$. Dann ist (i) $N$ abgeschlossen und (ii) $\cl{B_r(0)} ⊂ N$, da $0 ∈ M$, insbesondere ist $0 ∈ N^\circ$. (iii) ist $N$ konvex: Es genügt, zu zeigen, dass $A = M + B_r(0)$ konvex ist, denn dann ist auch $\cl A$ konvex. Sei $x _i = y_i + v_i, y_i ∈ M, v_i ∈ \cl{B_r(0)}, i=1,2$ und $\alpha ∈ (0,1)$. Dann ist \[ \alpha x_1 + (1-\alpha )x_2 = \underbrace{[\alpha y_1 + (1-\alpha )y_2]}_{∈ M} + \underbrace{[\alpha u_1+(1-\alpha )v_2]}_{∈ \cl{B_r(0)}}. \] (iv) ist $x_0 \not\in N$. Angenommen, $x_0 ∈ N$. Dann existiert eine Folge $z_n = y_n + u_n$ in $A$ mit $z_n → x_0 (n→\infty )$. Dann ist für $n_0$ hinreichend groß \[ \frac r 2 > \norm{z_{n_0} - x_0} = \norm{y_{n_0 - x_0} + u_{n_0}} \ge |\underbrace{\norm{y_{n_0-x_0}}}_{\ge 2r} - \underbrace{\norm{u_{n_0}}}_{\le r}| \ge r. \] Verwende nun das Minkowski-Funktional \[ p_N(x) \coloneq \inf \{ρ > 0: ρ^{-1} x ∈ N\}, \quad x ∈ X. \] Dieses hat die Eigenschaften \begin{enumerate} \item $p_N(\alpha x) = \alpha p_n(x),\quad \alpha \ge 0, x ∈ X$ (positiv homogen) \item $p_N(x+y) \le p_N(x) + p_N(y), \quad x, y ∈ X$ (subadditiv) \item $p_N(x) \le 1 \iff x ∈ N$ \item Ist zusätzlich $\cl{B_r(0)} ⊂ N$, so gilt $p_nNx) \le r^{-1}\norm x$ für alle $x ∈ X$. \end{enumerate} Sei nun $X_0 \coloneq \lspan\{x_0\}$ und $f_0 : X_0 → ℝ$ linear definiert durch $f_0(x_0) \coloneq p_N(x_0)$. Wir behauptung, dass $f_0 (x) \le p_N(x)$ für alle $x = \lambda x_0 ∈ X_0$. Falls $\lambda \ge 0$, so ist $f_0(x) = f_0(\lambda x_0) = \lambda p_N(x_0) = p_N(\lambda x_0) = p_N(x)$. Falls $\lambda < 0$, so ist wegen $p_n \ge 0$ ohnehin $f_0(\lambda x_0) = \lambda p_N(x_0) \le 0 \le p_N(\lambda x_0)$. Da $p_N$ die Bedingungen (i) und (ii) aus Hahn-Banach erfüllt, gibt es eine lineare Fortsetzung $f$ von $f_0$ mit $f(x) \le p_N(x)$ für alle $x ∈ X$. Nun ist $f$ stetig, also $f ∈ X'$, denn für alle $x ∈ X$ gilt \begin{multline*} |f(x) = \max\{f(x), -f(x)\} = \max\{f(x),f(-x)\} \le \max\{p_N(x),p_N(-x)\} \\ \le \max\left\{\frac{\norm{x}}{r},\frac{\norm{-x}}{r}\right\} = \frac{\norm x}{r}. \end{multline*} Außerdem erfüllt $f$ die Gleichung 3.1 (?), denn \[ f(x_0) = f_0(x_0) = p_n(x_0) > 1 \] und für $x ∈ M ⊂ N$ gilt \[ f(x) \le p_N(x) \le 1. \] \end{proof} \section{Einbettung von $X$ in seinen Bidualraum} Zunächst zur Motivation: Sei $X$ ein normierter linearer Raum. Dann existiert $X'$ und ist ein Banachraum. Aber dann existiert auch $X'' \coloneq (X')'$ und ist ebenfalls ein Banachraum. Unser Ziel wird es nun sein, $X$ in $X''$ einzubetten. \begin{definition} Die kanonische Abbildung $J_0: X → X''$ ist definiert durch \[ J_0(x) [x'] = \lAngle J_0(x), x' \rAngle_{X''×X'} \coloneq \lAngle x', x \rAngle_{X'×X} = x'[x] ∈ \K \] für $x ∈ X, x' ∈ X'$. Offensichtlich gilt für $x ∈ X$ fest $J_0(x): X' → \K$ linear, aber $J_0(x)$ ist auch stetig bzw beschränkt: Dazu ist \[ |J_0(x)[x']| = | \langle \langle x',x \rAngle \le \norm{x'}_{X'} \underbrace{\norm{x}_X}_{=: M}. \] Also ist $J_0(x) ∈ X''$, also insbesondere $J_0$ wohldefiniert. Wegen der linearität von $J_0$ in $x$ schreiben wir statt $J_0(x)$ auch $J_0 x$. \end{definition} \begin{satz} Die kanonische Abbildung $J_0: X → X''$ ist eine normerhaltende lineare Einbettung von $X$ in seinen Bidualraum $X''$. \end{satz} \begin{warnung-nn} $J_0$ ist in der Regel nicht surjektiv. \end{warnung-nn} \begin{proof} Zur Injektivität: Seien $x_1, x_2 ∈ X$ mit $J_0x_1 = J_0x_2$. Dann ist für jedes $x' ∈ X'$ \[ \lAngle x',x_1 \rAngle = J_0 x_1[x'] = J_0x_2[x'] = \lAngle x', x_2 \rAngle, \] also wegen Linearität von $x'$ \[ \lAngle x', x_1-x_2 \rAngle = 0. \] Mit Folgerung 2.3(1) folgt $x_1-x_2 = 0$. Zur Isometrieeigenschaft bleibt zu zeigen: $\norm{J_0x} = \norm{x}$ für alle $x ∈ X''$. „$\le$“: Aus (4.1) folgt bereits \[ \norm{J_0(x)}_{X''} = \sup_{\norm{x'} \le 1} |J_0(x)[x'] \le \norm{x}_X. \] „$\ge$“: Zu $x_0 ∈ X$ existiert nach Korollar 2.1 ein $x_0' ∈ X'$ mit $\norm{x_0'}_{X'} = 1$ und $x_0'[x_0]= \norm{x_0}$. Also folgt \[ \underbrace{|J_0x_0[x_0']|}_{\le \norm{J_0x_0}_{X''}} = \lAngle x_0', x_0 \rAngle = \norm{x_0}. \] Da $x_0$ beliebig war, gilt $\norm{J_0x}_{X''} \ge \norm{x}$. \end{proof} \begin{definition} Ein Banachraum $X$ heißt \emph{reflexiv}, wenn $J_0$ surjektiv ist, also $X$ und $X''$ isomorph sind vermöge $J_0$. \end{definition} \begin{bemerkung-nn} Ein unvollständiger normierter Raum hätte offensichtlich keine Chance, reflexiv zu sein. \end{bemerkung-nn} \begin{warnung-nn} „vermöge $J_0$“ in der Definition ist wesentlich, denn es gibt Beispiele mit $X \cong X''$, aber $J_0$ ist nicht surjektiv. %% werner, I 4.7 \end{warnung-nn} \begin{satz} Jeder Hilbertraum $H$ ist reflexiv \end{satz} \begin{proof} Übung. \end{proof} \begin{bemerkung-nn} Offensichtlich sind $H$ und $H''$ isometrisch isomorph: Denn $H$ und $H'$ sind bereits konjugiert linear isomorph via $J_H, X → X'$ (Kapitel IV, \S 5, aus Ries'schem Darstellungssatz). Mit dem gleichen Argument sind $H'$ und $H''$ konjugiert linear isomorph via $J_{H'}$, also $H$ und $H''$ linear isometrisch durch $J_{H'} \circ J_H$. Dies genügt aber nicht für den Nachweis der Reflexivität. Dafür müssen wir zu $x'' ∈ H''$ ein $x ∈ H$ finden mit $J_0x = x''$. \end{bemerkung-nn} \begin{bemerkung-nn} Wozu Reflexivität gut ist, werden wir später im Kapitel über schwache Topologien genauer sehen. Beispielsweise ist $\cl{B_1(0)}$ im reflexiven Banachraum $X$ schwach folgenkompakt, das heißt jede Folge in $\cl{B_1(0)}$ hat eine schwach konvergente Teilfolge mit Grenzwert in $\cl{B_1(0)}$. Dies ist zum Beispiel in der Variationsrechnung sehr wichtig. \end{bemerkung-nn} \begin{definition} Eine Folge $(x_n)_{n ∈ ℕ}$ in einem normierten Raum $X$ heißt \emph{schwach konvergent} gegen $x ∈ X$ (in Zeichen: $x_n \xrightharpoonup[n → \infty ]{} x$), wenn \[ \lim_{n → \infty } x'[x_n] = x'[x] \] für alle $x' ∈ X'$ gilt. \end{definition} \begin{bemerkung-nn} Der Grenzwert (so er denn existiert) ist eindeutig. Denn ist $x'[x] = x'[\tilde x]$ für alle $x' ∈ X'$, so folgt $x = \tilde x$ mit Folgerung 2.3 (2). \end{bemerkung-nn} \begin{beispiel-nn} Für $(\hat e_i)_{i ∈ ℕ}$ Hilbertraumbasis in einem separablem Hilbertraum $X$ gilt \[ \hat e_i \rightharpoonup 0 ∈ X (i → \infty ) \] \end{beispiel-nn} \begin{bemerkung-nn} $(\hat e_i)_{i ∈ ℕ}$ ist nicht konvergent in der Normtopologie, die Folge ist noch nicht mal Cauchy, insbesondere ist $\norm{\hat e_i - 0} \not\rightarrow 0 (i → \infty )$. \end{bemerkung-nn} \begin{proof} Der kanonische Isomorphismus $J_X: X → X', y ↦ y'$ mit $y'[x] = \langle y,x \rangle$ für alle $x ∈ X$ liefert \[ X' = \{ x' : x' ∈ X'\} = \{ J_X(y) : y ∈ X\}. \] Zu zeigen ist $\lim\limits_{i → \infty }x'[\hat e_i] = x'[0]$ für alle $x' ∈ X'$, also äquivalent $\lim\limits_{i → \infty } J_x(y)[\hat e_i] = J_x(y)[0]$ für alle $y ∈ X$ bzw. $\lim\limits_{i → \infty } \langle y, \hat e_i \rangle = \langle y, 0 \rangle$ für alle $y ∈ X$. Sei also $y ∈ X$ fest gewählt. Dann ist $y = \sum_{i=1}^\infty \alpha _i \hat e_i$ mit $\alpha _i = \langle \hat e_i, y \rangle$. Es gilt $\sum_{i=1}^\infty |\alpha _i|^2 < \infty $ (vgl Def 4.2.12). Damit folgt $\alpha _i = \langle \hat e_i, y \rangle → 0 (i → \infty )$, weil $\alpha ∈ \ell^2$. Damit folgt die Schwache Konvergenz von $(\hat e_i)_{i ∈ ℕ}$. \end{proof} \begin{satz} Sei $M$ ein abgeschlossener Unterraum eines Banachraums $(X, \norm -)$. \begin{enumerate} \item Ist $X$ reflexiv, so ist auch $(M, \norm -)$ reflexiv. \item Ist $X$ ist reflexiv, so auch $X'$. \end{enumerate} \end{satz} %%% Local Variables: %%% mode: latex %%% TeX-master: "funkana-ebook" %%% End: