\section*{Motivation} \markboth{}{Motivation} In der klassischen Analyis haben wir Funktionen im $\K^n$, wobei $\K$ entweder $ℝ$ oder $ℂ$ ist, untersucht. Dabei war das Betrachten von Eigenschaften wie Konvergenz, Stetigkeit und Differenzierbarkeit sehr nützlich. Die Funktionalanalysis beschäftigt sich nun mit vergleichbaren Problemen in üblicherweise unendlich-dimensionalen Funktionenräumen. Hierfür werden wir versuchen, die aus der klassischen Analysis bekannten Untersuchungsmethoden zu verallgemeinern. Doch zunächst ein paar Probleme, für deren Lösung man die Funktionalanalysis benötigt. \begin{problem-nn} Ein klassisches Beispiel aus der Variationsrechnung: Wir wollen die Funktion \[ f(u) = \int_0^π |u'(x)|^2 dx \] unter den Nebenbedingungungen $u(0) = u(π) = 0$ und $\int_0^π |u(x)|^2 dx = 1$ minimieren. In der klassischen Analysis haben wir für Minimierungsprobleme mit Nebenbedingungungen Lagrange-Multiplikatoren genutzt. Im unendlich-dimensionalen Fall ist das jedoch nicht so einfach. Wir betrachten $f : Y → ℝ$ wie oben, wobei $Y$ eine Teilmenge des unendlich-dimensionalen Funktionenraums \[ X = \left\{ u ∈ C^1[0,π]: u(0) = u(π) = 0 \right\} \] ist, die durch \[ Y = \left\{ u ∈ X: \int_0^π |u(x)|^2 dx = 1 \right\} \] gegeben ist. Zwar ist $Y$ (in der $\L^2([0,π])$-Metrik) beschränkt und abgeschlossen, jedoch nicht kompakt. \end{problem-nn} \begin{problem-nn}[Fourierreihenentwicklung] Sei $\mathcal T = \{ 1, \cos t, \sin t, \cos (2t), \sin (2t), … \} = \{\phi_i\}_{i ∈ ℕ}$. Dann ist bekanntlich \[ \langle \phi_i, \phi_j \rangle = ∫_0^{2π} φ_i(t) φ_j(t) dt = 2π δ_{i,j}, \] wobei $δ_{i,j}$ das Kronecker-Delta bezeichne. Also lässt sich durch Normierung ein Orthonormalsystem aus $\mathcal T$ gewinnen. Jetzt fragen wir uns, ob sich jede $2π$-periodische Funktion $u$ bezüglich eines geeigneten Konvergenzbegriffs in eine Reihe $u = \sum_{i ∈ ℕ} α_i φ_i$ mit $α_i ∈ ℝ$ entwickeln können. Bereits bekannt ist, dass das für das entsprechende endlich-dimensionale Problem geht: Sei $T = \{ e_1,…,e_n\}$ die kanonische Standardbasis des $ℝ^n$ Dann gilt bekanntlich \[ \langle e_i, e_j \rangle_{ℝ^n} = δ_{i,j} \] und für jedes $x ∈ ℝ^n$ ist \[ x = \sum_{i=1}^n α_i e_i, \quad α_i = \langle x, e_i \rangle_{ℝ^n}. \] Wir fragen uns nach den Zusammenhängen zwischen den Problemen im endlich- und unendlich-dimensionalen. \end{problem-nn} \begin{problem-nn} Das Biegemoment eines Trägers kann man als Randwertaufgabe (gesucht ist $u: [0,1] → ℝ$, gegeben sind $p,r: [0,1] → ℝ$) \[ u''(t) + p(t) u(t) = r(t), \quad u(0) = u(1) = 0 \] bestimmen. Mit Hilfte der sogenannten Green'schen Funktion lässt sich diese Randwertaufgabe in eine Integralgleichung \[ (T_u)(t) := ∫_0^1 G(t,s) \big(r(s)-p(s)u(s)\big) ds = u \] umwandeln. Das heißt, man sucht einen Fixpunkt eines Integraloperators $T$ in einer geeigneten Menge von Funktionen. \end{problem-nn} Diese Probleme lassen sich mit der klassischen Analysis nicht mehr behandeln. In der Funktionalanalysis behandeln wir nun im Wesentlichen „Analysis in $\infty$-dimensionalen Räumen“ (meist Funktionenräume). Das heißt, wir wollen jetzt anstelle des $\K^n$ allgemeinere Räume betrachten, die jodoch immer noch folgende beide Charakteristika aufweisen: \begin{enumerate} \item Die lineare Struktur (das heißt, Elemente lassen sich addieren und mit einem Skalar multiplizieren) \item Die topologische Struktur (also insbesondere ein Konvergenzbegriff) \end{enumerate} Unser Ziel ist es zunächst, die beiden Strukturen zu erarbeiten. \chapter{Die lineare Struktur} \section{Der lineare Raum} Sei im folgenden stets $\K = ℝ$ oder $\K = ℂ$. Zunächst die \begin{definition}[Vektorraum] Sei $\K$ ein Körper. Eine Abelsche Gruppe $(X,+)$ zusammen mit einer Abbildung \[ \cdot : \K × X → X \] heißt $\K$-Vektorraum, falls für alle $α, β ∈ \K$ und $x, y ∈ X$ gilt: \begin{enumerate}[label=(V\arabic*)] \item $α x+y) = αx + βy$ \item $(α+β)x = αx + βx$ \item $(αβ)x = α(βx)$ \item $1 \cdot x = x$ \end{enumerate} \end{definition} \begin{bemerkung-nn} Je nachdem, ob $\K = ℂ$ oder $\K = ℝ$ gilt, heißt $X$ ein \emph{komplexer} oder ein \emph{reeller} Vektorraum. \end{bemerkung-nn} \begin{bemerkung-nn} Eine nichtleere Teilmenge $Y ⊂ X$ ist bereits dann ein linearer Raum, falls aus $α, β ∈ \K$, $x, y ∈ Y$ bereits $αx + βy ∈ Y$ folgt, also $Y$ abgeschlossen unter den Vektorraumoperationen ist. $Y$ heißt dann \emph{linearer Teilraum} oder auch \emph{linearer Unterraum}. \end{bemerkung-nn} \begin{bemerkung-nn} Zu jeder Teilmenge $M ⊂ X$ bildet die Menge aller Linearkombinationen von je endlich vieler Elemente einen linearen Teilraum von $X$. Dieser heißt die \emph{lineare Hülle} von $M$ oder der \emph{Aufspann} von $M$ \[ \lspan M = \left\{ x ∈ X: ∃ l ∈ ℕ, α_1,…,α_l ∈ \K, m_1,…,m_l ∈ M \text{ mit } \sum_{i=1}^l α_i m_i = x \right\}. \] \end{bemerkung-nn} \begin{bemerkung-nn} $M = \{x_λ\}_{λ ∈ Λ} ⊂ X$ heißt \emph{Basis} oder \emph{Hamel-Basis} von $X$, falls $M$ \emph{linear unabhängig}, das heißt, $0 ∈ X$ lässt sich nur auf triviale Art und Weise als Linearkombination endlich vieler der $x_λ$ schreiben, und $\lspan M = X$ ist. \end{bemerkung-nn} \begin{bemerkung-nn} Besitzt $X$ eine Basis von $n < ∞$ Elementen, dann heißt $n$ die \emph{Dimension} von $X$ und wir schreiben $\dim X = n$. Andernfalls heißt $X$ \emph{unendlich-dimensional} ($\dim X = ∞$). \end{bemerkung-nn} \begin{bemerkung-nn} Seien $X_1, X_2 ⊂ X$ lineare Teilräume. Dann ist \[ X_1 + X_2 := \left\{ αx_1 + βx_2: α, β ∈ \K, x_1 ∈ X_1, x_2 ∈ X_2 \right\} \] ebenfalls ein linearer Teilraum. Falls $X_1 ∩ X_2 = \{ 0\}$, schreiben wir $X_1 \oplus X_2$ und nennen die Summe \emph{direkt}. \end{bemerkung-nn} \begin{bemerkung-nn} Sei $Y$ ein linearer Teilraum von $X$. Definiere die Äquivalenzrelation $\sim$ auf $X$ durch $x \sim y \Leftrightarrow x - y ∈ Y$. Dann wird die Menge der Äquivalenzklassen mit vertreterweiser Addition und Multiplikation auch ein $\K$-Vektorraum. Wir schreiben für diesen Vektorraum $X/Y$. \end{bemerkung-nn} \section{Beispiele} \begin{beispiel} Der $ℝ^n$ ist ein linearer Raum über dem Körper $ℝ$. Der $ℂ^n$ ist sowohl ein $ℂ$- als auch ein $ℝ$-Vektorraum. \end{beispiel} \begin{beispiel} Sei $[a,b] ⊂ ℝ$, $a < b$. Dann ist \[ C[a,b] = \{x: [a,b] → \K, x \text { ist stetig}\} \] ein $\K$-Vektorraum mit $\dim C[a,b] = ∞$. Zum Beispiel sind die Monome $(t^k)_{k ∈ ℕ}$ ein unendliches linear unabhängiges System, jedoch keine Basis. Tatsächlich ist jede Basis dieses Raumes überabzählbar. \end{beispiel} \section{Lineare Abbildungen} \begin{definition} Seien $X, Y$ lineare Räume über $\K$. $A: X → Y$ heißt \emph{linear}, falls für alle $x_1, x_2 ∈ X$ und $α, β ∈ \K$ gilt: \[ A(αx_1 + βx_2) = αA(x_1) + βA(x_2). \] $A: X → \K$ heißt \emph{lineares Funktional}. Für $A$ linear heißt $R(A) = \im A = \{A(x): x ∈ X\}$ der \emph{Bildraum} von $A$ und $N(A) = \ker A = \{ x ∈ X: A(x) = 0\}$ der \emph{Kern} von $A$. \end{definition} \begin{bemerkung} Sei $A: X → Y$ linear. \begin{enumerate} \item Sei $M ⊂ X $ ein linearer Unterraum. Dann ist $A(M) ⊂ Y$ wieder ein linearer Unterraum und es gilt $\dim A(M) \le \dim M$ mit Gleichheit bei injektivität. \item Es gilt \[ A \text{ injektiv} \Longleftrightarrow N(A) = \{ 0\}. \] Allgemeiner ist \[ X/(N(A)) \cong \im A. \] \item Falls $\dim X = \dim Y = n < ∞$, dann ist $A$ genau dann injektiv, wenn $A$ surjektiv ist. \item $A: X → Y$ ist linear und bijektiv genau dann, wenn es eine lineare Umkehrabbildung $A^{-1}: Y → X$. \item Falls so ein $A: X → Y$ linear und bijektiv existiert, nennen wir $X$ und $Y$ \emph{linear isomorph.} $A$ heißt dann ein \emph{linearer Isomorphismus}. Nur falls $\dim X = \dim Y < ∞$ sind $X$ und $Y$ auch „topologisch“ isomorph. In diesem Fall erhält man die Prototypen $ℝ^n$ und $ℂ^n$ für endlich-dimensionale Vektorräume und andere gitbt es nicht (die sie auch als Topologische Räume isomorph sind). \end{enumerate} \end{bemerkung} \begin{beispiel-nn} $X = \{ x: [a,b] → ℝ, x, \dot x, \ddot x \text{ stetig},\; x(a) = \dot x(a) = 0\}$ ist ein linearer Raum. Sei $Y = C[a,b]$ und $A: X → Y$ gegeben durch \[ (Ax)(t) := \ddot x(t) + c_1 (t) \dot x (t) + c_2 (t) x(t), \quad t ∈ [a,b], c_1,c_2 ∈ C[a,b]. \] Dann ist $A$ linear, weil differenzieren linear ist und $A$ ist injektiv: Zunächst ist $x = 0$ eine Lösung der linearen Differentialgleichung zweiter Ordnung $Ax = 0$. Die Theorie der Differentialgleichungen sagt uns, dass diese Differentialgleichung eine eindeutige Lösung des Anfangswertsproblems ist. $A$ ist aber auch surjektiv: Sei $y ∈ Y$ gegeben, dann suchen wir $x ∈ X$ mit $Ax = y$. Also wollen wir eine inhomogene Differentialgleichung zweiter Ordnung lösen. Auch diese ist nach der Theorie von gewöhnlichen Differentialgleichungen eindeutig lösbar. Also ist $A$ bijektiv, das heißt, es gibt eine lineare Abbildung $A^{-1}: Y → X$. Diese Inverse ist in der Regel schlecht anzugeben. Einen einfacheren Spezialfall dazu wird in der Übung behandelt. \end{beispiel-nn} \begin{beispiel-nn} Sei $X = Y = C[a,b]$, $A: X → X$ gegeben durch \[ (Ax)(t) := ∫_a^b k(s,t) x(s) ds, \quad t ∈ [a,b], \] wobei $k : [a,b] × [a,b] → ℝ$ stetig und gegeben ist. Dann ist $A$ linear, da das Integral linear ist. Auch ist, wenn $λ ∈ ℝ$ ein Parameter ist, die Abbildung \[ (A_λx)(t) := λx(t) - (Ax)t), \quad t ∈ [a,b] \] linear. Die Probleme $Ax = y$ (bei gegebenem $y ∈ Y$ und gesuchtem $x ∈ X$) oder $A_λ x = 0$ (gesucht ist $λ ∈ ℝ$ und eine nichttriviale Lösung $x ∈ X \setminus \{ 0\}$) heißen Integralgleichungen erster und zweiter Ordnung. \end{beispiel-nn} \begin{beispiel-nn} Sei $X = C[a,b]$, $A : X → ℝ$ mit \[ Ax = x(t_0), \] wobei $t_0 ∈ [a,b]$ fest gewählt sei. Eine andere lineare Abbildung $A: X → ℝ$ ist gegeben durch \[ Ax = ∫_a^b x(t) dt \] Dann sind beide Abbildungen $A$ linear und nicht injektiv, aber surjektiv. \end{beispiel-nn} \begin{beispiel-nn} Sei $X = \ell^2$, $A: X → X$. Für $x = (ξ_n)_{n ∈ ℕ}$ sei \[ Ax = (0,ξ_1, ξ_2, \dots) ∈ \ell^2. \] $A$ heißt (Rechts-)Shiftoperator und ist linear und injektiv, jedoch nicht surjektiv. Solche Abbildungen gibt es für $\dim X = \dim Y < ∞$ nicht. \end{beispiel-nn} \section{Duale Räume} $A: X → \K$ sei ein lineares Funktional, $X$ ein linearer Raum. Wir verwenden ein neues Symbol (statt $A$) \[ x': X → \K = \begin{cases} ℝ \\ ℂ \end{cases} \text{ linear}. \] Wir schreiben nun \[ x'(x) =: \langle x, x' \rangle = \langle x, x' \rangle_{X × X^f} ∈ \K. \] Wir setzen \[ X^f := \left\{ x': x' \text{ ist lineares Funktional auf } X \right\}. \] Hierbei sollte man nicht $x'$ nicht mit der Ableitung von $x$ verwechseln. Auch ist $\langle -, - \rangle_{X × X^f}$ kein Skalarprodukt. Der Raum $X^f$ wird auf natürlicher Weise zum linearen Raum mit \[ (αx_1' + βx_2')(x) := αx_1'(x) + βx_2'(x), \quad x ∈ X, x_1', x_2' ∈ X^f, α, β ∈ \K. \] So ist \[ \langle -,- \rangle_{X×X^f}: X × X^f → \K \] bilinear. \begin{definition} $X^f$ heißt der \emph{algebraische Dualraum} zu $X$. $X^{ff} := (X^f)^f$ heißt der \emph{biduale Raum} zu $X$. \end{definition} \begin{beispiel-nn} $X^{ff}$ liefert die kanonische Abbildung \[ J: X → X^{ff}, \; x ↦ J(x) = x'' \] mit \[ \langle x', x'' \rangle := \langle x. x' \rangle \quad ∀x' ∈ X^f. \] Damit ist $x'': X^f → \K$ linear wohldefiniert. \end{beispiel-nn} \begin{definition} Der lineare Raum $X$ heißt \emph{algebraisch reflexiv}, falls $J$ bijektiv ist (und damit $X$ linear isomorph zu $X^{ff}$) ist. \end{definition} \begin{bemerkung} $X$ ist genau dann algebraisch reflexiv, wenn $\dim X < ∞$ ist. Im Fall $\dim X < ∞$ lässt sich leicht eine duale Basis angeben: Sei dazu $M := \{x_1,…,x_n\}$ eine Basis von $X$. Dann wird durch \[ \langle x_i, x_k' \rangle := δ_{i,k} \] und linearer Fortsetzung die Menge $ M := \{x_1',…,x_n'\} ⊂ X^f$ erklärt. Dann ist $M'$ eine Basis von $X'$, die die \emph{duale Basis} von $M$ genannt wird. Tatsächlich ist $X^f$ im Falle $\dim X = ∞$ wesentlich größer. Man wählt deshalb eine (neue) Defintion des Dualraums: \end{bemerkung} \begin{definition}[Dualraum] Zu einem linearen Raum $X$ ist \[ X' := \left\{ x' : X → \K, x' \text{ linear und stetig} \right\} ⊂ X^f \] der Dualraum von $X$. \end{definition} Um Allerdings von Stetigkeit reden zu können, müssen wir zunächst \emph{Topologien} einführen. \chapter{Topologie} \section{Topologische Räume} \begin{definition} Sei $X$ eine Menge und $\mathcal T ⊂ \Pot X$ eine Menge von Teilmengen von $X$. $\mathcal T$ heißt eine \emph{Topologie} auf $X$, falls $\mathcal T$ unter endlichen Durchschnitten und beliebigen Vereinigungen abgeschlossen ist. Insbesondere muss $\mathcal T$ $\emptyset$ als leere Vereinigung und $X$ als leeren Schnitt enthalten. $(X,\T)$ heißt dann \emph{topologischer Raum}. Die Elemente von $\T$ heißen \emph{offene Mengen} \end{definition} \begin{beispiele} \begin{enumerate}[label=(\alph*)] \item Für alle Mengen $X$ ist $\T = \{ ∅, X\}$ eine Topologie auf $X$, die sogenannte \emph{indiskrete Topologie}, \emph{gröbste Topologie} oder auch \emph{Klumpentopologie}. \item Für alle Mengen $X$ ist $\T = \Pot X$ eine Topologie, die sogenannte \emph{diskrete Topologie} oder \emph{feinste Topologie} auf $X$. \item In Analysis I wird eine Menge $U ⊂ ℝ$ für offen erklärt, wenn es zu jedem $x ∈ U$ ein $ε > 0$ gibt, so dass für alle $ y ∈ ℝ$ mit $|x - y| < ε$ auch $y ∈ U$ gilt. Aus der Analysis ist bekannt, dass die so definierten offenen Mengen den Axiomen genügen. Diese Topologie $\Tnat$ wird \emph{natürliche Topologie} genannt. \item Sei $X$ eine beliebige Menge. Die \emph{cofinite Topologie} auf $X$ wird definiert als \[ \Tcof = \{ Y ⊂ X: Y = ∅\; \text{oder}\; \complement_X Y\, \text{ist endlich}\} \] \item Der \emph{Sierpinski-Raum} ist die Menge $\{0,1\}$ versehen mit der Topologie $\{ ∅, \{0\}, \{0,1\}\}$. \end{enumerate} \end{beispiele} \begin{definition} Sei $M ⊂ X$. \begin{enumerate} \item $M$ heißt \emph{abgeschlossen}, wenn $X \setminus M$ offen ist. \item $U ⊂ X$ heißt \emph{Umgebung von $A$}, wenn es eine offene Menge $V$ gibt mit $A ⊂ V ⊂ U$. Wir setzen \[ \U_A := \U_A (\T) := \{ U ⊂ X : U\; \text{Umgebung von $A$}\}. \] $\U_A$ heißt \emph{Umgebungssystem} oder \emph{Umgebungsfilter} von $A ⊂ X$. Für $x ∈ X$ setzen wir $\U_x := \U_{\{x\}}$. $x$ heißt dann \emph{innerer Punkt} von $U$ für alle $U ∈ \U_x$. \item $x ∈ X$ heißt \emph{Häufungspunkt} von $M$, falls jede Umgebung von $x_0$ ein $y ∈ M$ enthält mit $y \ne x$.k \item Das \emph{Innere von M} ist \[ M^\circ := \bigcup \left\{ U ∈ \T: U ⊂ M \right\} \] die größte offene Menge, die in $M$ enthalten ist. \item Der \emph{Abschluss von} M ist \[ \cl M := \bigcap \left\{ U ⊂ M: U \text{ abgeschlossen} \right\} \] die kleinste abgeschlossene Menge, die $M$ enthält. \item $M$ heißt \emph{kompakt}, falls jede offene Überdeckung von $M$ eine endliche Teilüberdeckung besitzt. \item $M$ heißt \emph{dicht}, falls $\cl M = X$. \item $M$ heißt \emph{nirgends dicht}, falls $(\cl M)^\circ = \emptyset$. \end{enumerate} \end{definition} \begin{bemerkung} \begin{enumerate} \item $M^\circ ⊂ M ⊂ \cl M$. \item $M^\circ$ ist die Menge der inneren Punkte von $M$. \item $M$ ist genau dann abgeschlossen, wenn $M = \cl M$. \end{enumerate} \end{bemerkung} %%%%% VORLESUNG VOM DONNERSTAG, 19. OKTOBER FEHLT \begin{definition}[Hausdorff-Raum] Sei $(X,\T)$ eine topologischer Raum. Für alle $x,y \in X$ mit $x \neq y$ existieren $U \in \U_x, V \in \U_x$ mit $U \cap V = \emptyset$. Dann heißt $(X,\T)$ Hausdorff-Raum bzw. genügt dem Trennungsaxiom. \end{definition} \begin{definition}[Konvergenz] Eine Folge $\{x_{n}\}_{n \in \N} \subset X$ heißt konvergent gegen $x_{0} \in X$, falls zu jeder Umgebung $U \in \U_{x_{0}}$ ein $n_{0} \in \N$ existiert, sodass $x_{n} \in U$ für alle $n \geq n_{0}$. \end{definition} \begin{bemerkung} Man überlegt sich leicht, dass der Grenzwert $x_{0}$ in der Regel nicht eindeutig ist. Bsp: In $\T=\{X,\emptyset\}$ konvergiert jede Folge gegen jeden Punkt. Ist $(X,\T)$ jedoch ein Hausdorff-Raum, so ist jeder Grenzwert eindeutig. \end{bemerkung} \begin{beweis} Seien $x_{0} \neq x'_{0}$ Grenzwerte von $(x_{n})_{n \in \N} \subset X$. Dann existieren disjunkte Umgebungen $U,U' ∈ \U_{x_0}$. Weiterhin gibt es ein $n_{0} \in \N$, so dass $x_{n} \in U$ für alle $n \geq n_{0}$ und $n_0' \in \N$, so dass $x_{n} \in U'$ für alle $n \geq n_0'$. Also gilt $x_{\max\{n_0,n'_0\}} \in U \cap U'$ Das ist ein Widerspruch zur Disjunktheit der Umgebungen. \end{beweis} \begin{definition}[Häufungspunkt] $x_{0} \in X$ heißt Häufungspunkt von $\{x_{n}\}_{n \in \N} \subset X$, falls zu jeder Umgebung $U \in \U_{x_{0}}$ und für alle $k \in \N$ ein $n \geq k \in \N$ existiert, sodass $x_{n} \in U$. \end{definition} \begin{beispiel} $\{x_{n}\}_{n \in \N} \subset \R$ mit natürlicher Topologie. $x_{n}=(-1)^n$ hat zwei HP $\pm 1$ Achtung: $M=\{x_{n}:n \in \N\}=\{-1,1\}$ hat als Menge keine HP. \end{beispiel} \begin{bemerkung} Für die indiskrete Topologie ist jeder Punkt in X HP jeder Folge. \end{bemerkung} \begin{definition}[Stetigkeit] $f : (X,\T_{X}) \rightarrow (Y,\T_{Y})$ heißt stetig, falls für alle $V \in \T_{Y}$ gilt, dass $f^{-1}(V) \in \T_{X}$. \end{definition} \begin{bemerkung} $f$ ist stetig $\Longleftrightarrow$ $f$ ist stetig in jedem Punkt \end{bemerkung} \begin{definition}[Homöomorphismus] Ist $f : (X,\T_{X}) \rightarrow (Y,\T_{Y})$ bijektiv und stetig, und $f^{-1} : (Y,\T_{Y}) \rightarrow (X,\T_{X})$ auch stetig, dann heißt $f$ Homöomorphismus. $X$ und $Y$ heißen homöomorph, falls so ein Homöomorphismus existiert. \end{definition} \begin{definition}[Basis von Topologien und Umgebungen] \begin{enumerate} \item Eine Familie $B \subset \T$ heißt Basis der Topologie in $(X,\T)$, falls $T={\cup M: M \subset B}$. \item Eine Familie $B \subset \U_{x}$ von $x \in X$ heißt Umgebungsbasis des Punktes $x$, falls für alle $U \in \T, x \in U$ existiert ein $V \in B$ mit $x \in V \in U$. \end{enumerate} \end{definition} \begin{beispiel} Für die natürliche Topologie auf $\R^n$ ist eine Basis der Topologie gegeben durch ${B_{\eps}(x): x \in X, \eps > 0}$ mit den offenen Kugeln $B_{\eps}(x)={y \in R^n : \norm{x-y}<\eps}$. Sei $x \in \R^n$ fest. Dann ist ${B_{1/n}(x):n \in \N}$ eine abzählbare Umgebungsbasis von x \end{beispiel} \begin{definition}[Relativtopologie oder Spurtopologie] $M \subset \T$ eines topologischen Raumes $(X,\T)$ lässt sich in natürlicher Weise zu einem topologischen Raum machen, nämlich mit $\T' := {M \cap V : V \in \T}$. \end{definition} \begin{bemerkung} $M = M \cap X \in \T'$ da $X \in \T$, d.h. $M$ ist offen in der Spurtopologie. Achtung: $M$ muss nicht offen in $X$ sein. \end{bemerkung} \begin{definition} Seien zwei Topologien $\T_{1},\T_{2}$ auf X gegeben. Wir sagen $\T_{1}$ ist feiner als $\T_{2}$, falls $\T_{1} \supset \T_{2}$. Wir sagen $\T_{1}$ ist gröber als $\T_{2}$, falls $\T_{1} \subset \T_{2}$. Wir sagen die Topologien sind gleich, falls $\T_{1}=\T_{2}$. \end{definition} \begin{bemerkung} Sei $\T_{1}$ feiner als $\T_{2}$. Die feinere Topologie $\T_{1}$ enthält mehr offene Mengen, und damit zu jedem Grenzwert $x_{0}$ weniger konvergte Folgen. Man zeigt leicht: $\T_{1}$ ist feiner als $\T_{2}$ $\Longleftrightarrow$ Für alle $x \in X$ gilt: Seien $B_{1} \subset T_{1},B_{2} \subset T_{2}$ Umgebungsbasen von $x$, dann gilt für alle $U \in B_{1}$, dass ein $V \in B_{2}$ existiert mit $V \subset U$. \end{bemerkung} \begin{beispiel} Folgende Topolgien auf $\R^n$ sind gleich. $\T_{1}$ sei die Topologie, die durch die Kugeln $B_{\eps}(x)={y \in R^n : \norm{x-y}<\eps}$ erzeugt wird. $\T_{2}$ sei die Topologie, die durch die Quader $B_{\eps}(x)={y \in R^n : \max_{1 \leq i \leq n} |y_{i}-x_{i}|<\eps}$ erzeugt wird. \end{beispiel} \begin{definition}[Produkttopologie] Seien $(X,\T_{X}),(Y,\T_{Y})$ topologische Räume. Dann sit die Familie von Mengen $\{U_{X} \times U_{Y} : U_{X} \in \T_{X}, U_{Y} \in \T_{Y} \} \subset 2^{X \times Y}$ eine Basis der Topologie $\T_{X \times Y}$ im kartesischen Produkt $X \times Y$. Bemerkung: Es genügt auch wenn $U_{X},U_{Y}$ über Basen von $\T_{X},\T_{Y}$ genommen werden. \end{definition} \section{Metrische Räume} \begin{lemma}[Eigenschaften metrischer Räume] Sei $(X,d)$ ein metrischer Raum. \begin{enumerate} \item Jeder Punkt $x ∈ X$ besitzt eine abzählbare Umgebungsbasis \[ \{ B_{1/n} (x), n ∈ ℕ\}. \] \item Es gilt \[ \lim_{n \to ∞} x_n = x \; \Longleftrightarrow \; \lim_{n→∞} d(x,x_n) = 0. \] \item Es ist $x_0 ∈ M$ genau dann ein innerer Punkt von $M ⊂ X$, wenn ein $ε > 0$ existiert mit $B_ε(x_0) ⊂ M$. \item $M$ ist nirgends dicht in $X$ genau dann, wenn es zu jeder Kugel $B_ε(x_0)$ mit $x_0 ∈ X, ε > 0$ eine Kugel $B_δ(x_1) ⊂ B_ε(x_0)$ mit $B_θ(x_1) ∩ M = \emptyset$ gibt. \item Seien $(X,d_X)$ und $(Y,d_Y)$ metrische Räume. Dann ist auch $(X×Y,d_{X×Y})$ ein metrischer Raum vermöge der Metrik \[ d_{X×Y}((x_1,y_1),(x_2,y_2)) := \max\{d_x(x_1,x_2),d_y(y_1,y_2)\} \] oder auch mit \[ d_{X×Y}((x_1,y_1),(x_2,y_2)) := \sqrt{d_x^2(x_1,x_2)+d_y^2(y_1,y_2)}. \] Tatsächlich induzieren diese beiden Metriken die gleiche Topologie (nämlich die Produkttopologie) \item Homöomorphismen $f: X → Y$ (für metrische Räume $X, Y$), die die Metrik respektieren, das heißt \[ d_X(x_1,x_2) = d_Y(f(x_1),f(x_2)) \quad ∀x_1, x_2 ∈ X \] heißen \emph{Isometrien}. \item Ein metrischer Raum muss im allgemeinen keine lineare Struktur haben. Man betrachte hierzu die Menge $X := \{1,2,3,4,5,6\}$ mit der diskreten Metrik. Diese kann keine Vektorraumstruktur haben, da $|X| = 6$ keine Primzahlpotenz ist. \end{enumerate} \end{lemma} \begin{proof} Der Beweis wird aufgrund seiner Trivialität den Lesern zur Übung überlassen, da er wirklich nur Einsetzen der Definitionen ist. \end{proof} Nun ein paar Charakterisierungen von kompakten Mengen in metrischen Räumen. \begin{satz} Im metrischen Raum $(X,d)$ sind äquivalent: \begin{enumerate} \item $K ⊂ X$ ist kompakt (überdeckungskompakt) \item Jede Folge in $K$ besitzt mindestens einen Häufungspunkt in $K$ (abzählbar kompakt) \item Jede Folge in $K$ besitzt eine konvergente Teilfolge mit Grenzwert in $K$ (folgenkompakt) \end{enumerate} \end{satz} \begin{bemerkung} Der Satz gilt so im allgemeinen Hausdorff-Raum \emph{nicht}. Für „$(b) \Rightarrow (a)$“ benötigt man zusätzlich das zweite Abzählbarkeitsaxiom, also die Existenz einer abzählbaren Basis der Topologie. Für „$(b) \Rightarrow (c)$“ benötigt man das erste Abzählbarkeitsaxiom, also die Existenz von abzählbaren Umgebungsbasen für jeden Punkt. \end{bemerkung} \section{Vollständigkeit in metrischen Räumen und der Satz von Baire} \begin{definition} Eine Folge $(x_n)_{n ∈ ℕ} ⊂ X$ in $(X,d)$ heißt \emph{Cauchy-Folge}, falls zu jedem $ε > 0$ ein $N = N(ε)$ existiert mit $d(x_m,x_n) < ε$ für alle $n,m \ge N$. \end{definition} \begin{lemma} Jede Konvergente Folge $(X_n)_{n ∈ ℕ} ⊂ X$ ist auch eine Cauchy-Folge. \end{lemma} \begin{definition} Der metrische Raum $(X,d)$ heißt \emph{vollständig}, falls jede Cauchy-Folge in $(X,d)$ konvergiert. \end{definition} Nicht jeder metrische Raum braucht vollständig zu sein (man betrachte hierfür z.B. $ℚ$ und die Folge der Partialsummen der Dezimalbruchentwicklung von $\sqrt 2$), jedoch lässt sich jeder metrische Raum zu einem vollständigen Erweitern. \begin{satz} Jeder metrische Raum $(X,d)$ lässt sich in einen bis auf Isometrie eindeutig bestimmten kleinsten vollständigen metrischen Raum $(\tilde X, \tilde d)$ einbetten. Dieser Raum $(\tilde X, \tilde d)$ heißt die Vervollständigung von $(X,d)$. \end{satz} \begin{proof} Zwei Cauchyfolgen $(x_n)_{n ∈ ℕ}$ und $(y_n)_{n ∈ ℕ}$ seien äquivalent, falls $d(x_n,y_n) \xrightarrow[n → ∞]{} 0$. Hierdurch ist eine Äquivalenzrelation definiiert. Sei $[(x_n)_{n ∈ ℕ}]$ die vom Repräsententaten $(x_n)_{n ∈ ℕ}$ erzeugte Klasse. Man setzt \[ \tilde X := \{ [ (x_n)_{n ∈ ℕ}] : (x_n)_{n ∈ ℕ} \text{ ist Cauchy-Folge in }(X,d)\} \] und \[ \tilde d([(x_n)_{n ∈ ℕ}],[(y_n)_{n ∈ ℕ}]) := \lim_{n → ∞} d(x_n,y_n). \] Dann ist $(d(x_n,y_n))_{n ∈ ℕ}$ eine Cauchy-Folge in $ℝ$, da \[ |d(x_n,x_m) - d(y_m,y_m) | \le \underbrace{d(x_n,x_m)}_{→ 0} + \underbrace{d(y_n,y_m)}_{→ 0}. \] Da $ℝ$ bekanntlich vollständig ist, existiert somit der Grenzwert. Ferner ist $\tilde d$ Repräsentatenunabhängig, also wohldefiniert: Seien $(\tilde x_n)$ und $(\tilde y_n)$ andere Repräsentaten. Dann ist \[ d(x_n,y_n) \le \underbrace{d(x_n,\tilde x_n)}_{→ 0} + d(\tilde x_n,\tilde y_n) + \underbrace{d(\tilde y_n, y_n)}_{→ 0}. \] Die umgekehrte Ungleichung ergibt sich aus Vertauschung der Rollen. Man rechnet leicht nach, dass $(\tilde X, \tilde d)$ ein vollständiger Raum ist. Wir können $(X,d)$ durch die entsprechenden konstanten Folgen isometrisch in $\tilde X$ einbetten. \end{proof} \begin{bemerkung-nn} Wendet man diese Technik auf $ℚ$ mit der natürlichen Metrik an, dann erhält man $(ℝ,d)$ als vollständige Hülle. \end{bemerkung-nn} \begin{satz}[Schachtelsatz]\label{schachtelsatz} Sei $(X,d)$ ein vollständiger metrischer Raum und seien $(x_n)_{n * ℕ} ⊂ X$ und $(r_n)_{n ∈ ℕ} ⊂ (0,∞) $ Folgen mit der Eigenschaft \begin{enumerate} \item $\cl B_{r_{n+1}}(x_{n+1}) ⊂ B_{r_n} (x_n)$ \item $\lim_{n \to ∞} r_n = 0$. \end{enumerate} Dann gibt es genau ein $x_0 ∈ X$ mit $x_0 ∈ \bigcap_{n ∈ ℕ \cl B_{r_n} (x_n)}$. \end{satz} \begin{proof} Für $p ∈ ℕ$ beliebig gilt \[ \cl B_{r_{n+p}} (x_{n+p}) ⊂ \cl B_{r_n} (x_n). \] Also \[ d(x_{n+p},x_n) \le r_n \xrightarrow[n → ∞]{} 0. \] Damit ist $(x_n){n ∈ ℕ}$ eine Cauchyfolge und damit konvergiert gegen ein $x_0 ∈ X$. Außerdem gilt \[ d(xp,x_n) \le \underbrace{d(x_0, x_{n+p})}_{→ 0 (p → ∞)} + \underbrace{d(x_{n+p},x_n)}_{ \le r_n}. \] Damit folgt für $p → ∞$ \[ d(x_0, x_n) \le r_n \quad ∀ n ∈ ℕ \] also $x_0 ∈ \bigcap_{n ∈ ℕ} \cl B_{r_n}(x_n)$. Für die Eindeutigkeit sei $\tilde x_0$ ebenfalls in $\bigcap_{n ∈ ℕ} \cl B_{r_n}(x_n)$. Dann folgt \[ d(x_0,\tilde x_0) \le \underbrace{d(x_0,x_n)}_{\le r_n} + \underbrace{d(x_n, \tilde x_0)}_{\le r_n} \le 2r_n \xrightarrow[n → ∞]{} 0. \] Doch damit war bereits $x_0 = \tilde x_0$. \end{proof} \begin{definition} Eine Teilmenge $M$ eines metrischen Raumes $(X,d)$ heißt \emph{von erster Kategorie} oder \emph{mager}, falls sie die Vereinigung abzählbar vieler in $X$ nirgends dichter Mengen ist. Andernfalls heißt $M$ \emph{von zweiter Kategorie}. \end{definition} Der folgende Satz wird beim Beweis mehrerer fundamentaler Sätze benötigt, z.B beim Prinzip der gleichmäßigen Beschränktheit oder dem Open-Mapping-Theorem. \begin{satz}[Baire]\label{baire} Jede nichtleere offene Menge eines vollständigen metrischen Raumes $(X,d)$ ist von zweiter Kategorie (insbesondere $X$ selbst) \end{satz} \begin{proof} Sei $ \emptyset \ne M ⊂ X$ offen. Wir nehmen umgekehrt an, $M$ wäre von erster Kategorie, das heißt \[ M ⊂ \bigcup_{n ∈ ℕ} M_n \] mit $M_n ⊂ X$ nirgends dicht. Wähle $x_0 ∈ M$. Da $M$ offen ist, gibt es ein $r = r_0 > 0$ mit $B_{r_0}(x_0) ⊂ M$. Da $M_1$ nirgends dicht ist, gibt es $r_1 > 0$ und $x_1 ∈ X$ mit \[ B_{r_1}(x_1) ⊂ B_{r_0/2} (x_0) \] und $B_{r_1}(x_1) ∩ M_1 = \emptyset$. Analog finden wir, da $M_2$ nirgends dicht ist, $r_2 > 0$ und $x_2 ∈ X$ mit \[ B_{r_2}(x_2) ⊂ B_{r_1/2} (x_1) \] und $B_{r_2}(x_2) ∩ M_2 = \emptyset$. Durch Fortsetzen dieses Schemas finden wir eine Folge $(x_n)_{n ∈ ℕ} ⊂ X$ und Radien $(r_n)_{n ∈ ℕ} ⊂ (0,∞)$ mit $r_n \le r/2^n \xrightarrow[n → ∞]{} 0$. Damit sind alle Voraussetzungen von \cref{schachtelsatz} erfüllt. Folglich existiert genau ein \[ \tilde x ∈ \bigcap_{n ∈ ℕ} B_{r_n} (x_n) ⊂ B_r(x_0) ⊂ M. \] Aber $\tilde x \not\in M_n$ für alle $n ∈ ℕ$ Folglich ist auch $\tilde x$ nicht in $\bigcup_{n ∈ ℕ} M_n = M$. Das ist ein Widerspruch. Also ist $M$ von zweiter Kategorie. \end{proof} % \begin{satz}[Satz von Baire]\label{44-baire} % Sei $(X,\T)$ ein vollständig metrisierbarer oder lokalkompakter Hausdorff\hyp{}Raum % \begin{enumerate} % \item % Sei $(U_n)_{n ∈ ℕ}$ eine Folge offener, dichter Teilmengen von $X$. % Dann ist auch $\bigcap_{n ∈ ℕ} U_n ⊂ X$ dicht. % \item % Sei $(A_n)_{n ∈ ℕ}$ eine Folge nirgends dichter Teilmengen. Dann ist % $\bigcup_{n ∈ ℕ} A_n \ne X$. % \item % Sei $(A_n)_{n ∈ ℕ}$ eine Folge abgeschlossener Teilmengen mit % $\bigcup_{n ∈ ℕ} A_n = X$. Dann gilt für mindestens ein $n ∈ ℕ$, dass $A_n^\circ % \ne \emptyset$. % \end{enumerate} % \end{satz} % \begin{proof} % \begin{enumerate} % \item % Sei $W ⊂ X$ offen und nichtleer. Zu zeigen: $\bigcap_{n ∈ ℕ} U_n ∩ W \ne % \emptyset$. Sei zunächst $X$ vollständig metrisierbar durch die Metrik % $d$. Da $U_1 ∩ W$ offen und nichtleer nach Annahme gibt es $x_1 ∈ U ∩ W$ % und $0 < r_1 < 1$ mit $B_{r_1}(x_1) ⊂ U_1 ∩ W$. Wir wählen nun induktiv % Punkte $x_n ∈ X$ und Zahlen $0 < r_n < 1$ (für $n \ge 2$) mit folgenden % Eigenschaften: % \begin{enumerate}[label=(\roman*)] % \item % $0 < r_n < \frac 1 n$ % \item % $\cl{B_{r_n}(x_n)} ⊂ U_n ∩ B_{r_{n-1}} (x_{n-1})$ % \end{enumerate} % Dazu beachte man, dass $U_n ∩ B_{r_{n-1}}(x_{n-1})$ nichtleer und offen % ist, also existiert $x_n$ und $\frac 1 n > ε > 0$ mit $B_ε(x_n) ⊂ U_n ∩ % B_{r_{n-1}} (x_{n-1})$ und $r_n = \frac ε 2$ ist wie gewünscht. Für $m % \ge n$ impliziert (ii), dass $x_m ∈ B_{r_n}(x_n)$ und aus (i) folgt, % dass die Folge $(x_n)_{n ∈ ℕ}$ damit eine Cauchyfolge ist. Damit % konvergiert $(x_n)_{n ∈ ℕ}$ gegen ein $x ∈X$. Sei nun $N ∈ ℕ$ und $m > % N$. Dann folgt aus $x_m ∈ B_{r_N}(x_N)$, dass % \begin{align*} % x &= \lim_{m → ∞} x_m ∈ \cl{B_{r_N}(x_n)} ⊂ U_N ∩ B_{r_{N-1}}(x_{N-1}) \\ % & ⊂ U_N ∩ B_{r_1}(x_1) ⊂ U_N ∩ W, % \end{align*} % also $x ∈ \bigcap_{n ∈ ℕ} U_N ∩ W$. % Sei Nun $X$ lokalkompakt. Da $U_1 ∩ W$ offen und nichtleer ist, gibt es % $x ∈ U_1 ∩ W$, und es ist $U_1 ∩ W ∈ \U_x$. Wähle $B_1 ∈ \U_x$ kompakt % mit $B_1 ⊂ U_1 ∩ W$. Wir konstruieren nun sukzessive kompakte Mengen % $B_k$ (zu $k \ge 2$) mit folgenden Eigenschaften: % \begin{enumerate}[label=(\roman*)] % \item % $B_k ⊂ B_{k-1}$ % \item % $\emptyset \ne B_k^\circ ⊂ B_k ⊂ U_k$. % \end{enumerate} % Ist $B_{k-1}$ gegeben, so ist wegen $B_{k-1}^\circ \ne \emptyset$ und % der Dichtheit von $U_k$ der Schnitt $B_{k-1}^\circ ∩ U_k$ offen und % nichtleer. Es gibt also ein $x ∈ B_{k-1}^\circ ∩ U_k$ und damit auch % eine kompakte $x$-Umgebung $B_k ⊂ U_k ∩ B_{k-1}$. % Die Familie $(B_k)_{k ∈ ℕ}$ nichtleerer Teilmengen der kompakten Menge % $B_1$ ist absteigend, besitzt also die endliche Durschnittseigenschaft. % Da $X$ hausdorffsch und die $B_k$ kompakt sind, ist zudem jedes $B_k$ % abgeschlossen, somit folgt % \[ % \emptyset \ne \bigcap_{k ∈ ℕ} B_k ⊂ \bigcap _{k ∈ ℕ}U_k % \] % sowie % \[ % \bigcap_{k ∈ ℕ} B_k ⊂ B_1 ⊂ W. % \] % Insgesamt also % \[ % \emptyset \ne \bigcap_{k ∈ ℕ} B_k ⊂ \bigcap_{k ∈ ℕ} U_k ∩ W. % \] % \item % Für $n ∈ ℕ$ Sei $U_n = \complement_X \cl{A_n}$. Dann ist $U_n$ offen und % dicht. Mit Teil (a) folgt, dass auch $\bigcap_{n ∈ ℕ U_n }$ dicht, und % somit insbesondere nicht leer, ist. Also ist $\bigcup_{n ∈ ℕ} A_n % ⊂ \bigcup_{n ∈ ℕ} \cl{A_n} = (\bigcap_{n ∈ ℕ} U_n)^\complement \ne X$. % \item % Das ist eine direkte Konsequenz aus (b). % \end{enumerate} % \end{proof} \chapter{Topologische lineare Räume} Erklärtes Ziel dieses Kapitels wird sein, die beiden Strukturen aus den vorherigen beiden Kapiteln, also die Topologie und den linearen Raum zusammenzuführen. \begin{definition} Ein linearer Raum $X$ über dem Körper $\K$ mit Topologie $\T$ heißt \emph{topologischer linearer Raum}, falls die Vektorraumoperationen ($+ : X×X → X$ und $\cdot: \K×X → X$) stetig sind. \end{definition} \begin{bemerkung-nn} Stetigkeit der Vektorraumoperationen sollte als minimales Kompatibilitätskriterium der beiden Strukturen gefordert werden. Tatsächlich ist es im Allgemeinen gar nicht erfüllt. Erst im normierten Raum bekommt man diese Stetigkeit geschenkt. \end{bemerkung-nn} \section{Normierte Räume} \begin{definition} Sei $X$ ein linearer Raum über $\K$. Die Abbildung $\norm\cdot: X → [0,∞)$ heißt \emph{Norm} auf $X$, falls für alle $x, y ∈ X, α ∈ K$ gilt: \begin{enumerate} \item $\norm x = 0 \Longleftrightarrow x = 0$ \item $\norm{αx} = |α| \norm x$ \item $\norm{x+y} \le \norm x + \norm y$ \end{enumerate} $(X,\norm\cdot)$ heißt dann \emph{normierter Raum}. \end{definition} \begin{bemerkung} Durch $d(x,y) := \norm{x-y}$ wird ein normierter Raum auch ein metrischer, also insbesondere auch ein topologischer Raum. Diese induzierte Topologie auf $(X, \norm\cdot)$ heißt \emph{Normtopologie}. Ohne die lineare Struktur macht der normierte Raum gar keinen Sinn, da für die Definition einiger der Normaxiome die Vektorraumoperationen verwendet werden. \end{bemerkung} \begin{beispiele} \begin{enumerate} \item Betrachte den $ℝ^n$ mit $\norm x _{p} := \left( \sum_{i=1}^n |x_i|^p \right)^{1/p}$ mit $1 \le p < ∞$ ist ein normierter Raum, genauso wie mit $\norm{x}_{∞} := \max_{1 \le i \le n} |x_i|$. Insbesondere gibt es im $ℝ^n$ überabzählbar viele verschiedene Normen. Wir werden jedoch später sehen, dass diese Normen alle die gleiche Topologie erzeugen. \item Der Raum aller stetigen Funktionen auf einem kompaktem Intervall $C[a,b]$ mit $\norm{x}_{∞} := \max_{t ∈ [a,b]} |x(t)|$ ist ein normierter Raum. Außerdem wird durch \[ \norm x := ∫_a^b |x(t)| dt \] ebenfalls eine Norm definiert. \item Sei $\Omega ⊂ ℝ^n$ offen und beschränkt. Dann wird $C(\cl{\Omega})$ mit \[ \norm{x}_{∞} := \max_{t ∈ \cl \Omega} |x(t)| \] auch zu einem normierten Raum. \item $L^p(\Omega) = \L^p(\Omega)/\mathcal N$, wobei $\mathcal N = \{ f: \Omega → \R, f(t) = 0 \text{ fast überall}\}$ ist mit \[ \norm x := \left(∫_{\Omega} |x(t)|^p dt \right)^{1/p} \] ein normierter Raum, wobei $1 \le p < ∞$. \item $\ell^p$ mit \[ \norm x _{p} := \left( \sum_{i=1}^n |x_i|^p \right)^{1/p} \] ist ebenfalls ein normierter Raum, wobei $1 \le p < ∞$. \end{enumerate} \end{beispiele} \begin{lemma} Sei $(X, \norm\cdot)$ ein normierter Raum. Dann sind die Abbildungen $+$, $\cdot$ und $\norm\cdot$ stetig. \end{lemma} \begin{proof} Für beliebige Folgen $(x_n)_{n ∈ ℕ},(y_n)_{n ∈ ℕ} ⊂ X, (α_n)_{n ∈ ℕ}$ mit $\lim x_n = x$, $\lim y_n = y$, $\lim α_n = α$ gelten \[ \norm{(x_n + y_n) - (x+y)} \le \norm{x-x_n} + \norm{y -y_n} \] sowie \[ \norm{α_nx_n - αx} \le |α_n| \norm{x_n-x} + \norm{x} |α_n - α| \] und \[ |\norm{x_n} - \norm{x}| \le \norm{x_n - x} \] nach der umgekehrten Dreiecksungleichung. Folglich sind die zu betrachtenden Abbildungen alle folgenstetig, und, da metrische Räume stets dem ersten Abzähhlbarkeitsaxiom genügen, auch stetig. \end{proof} \begin{korollar} Jeder normierte Raum versehen mit der Normtopologie ist ein topologischer linearer Raum. Deshalb ist auch keine Unterscheidung zwischen normierten Räumen und normierten linearen Räumen nötig. \end{korollar} \section{Topologische lineare Räume} \begin{bemerkung-nn} Hierbei sei stetis die Topologie von $X×X$ die Produktopologie, bei den Körpern $\K = \begin{cases} ℝ \\ ℂ \end{cases}$ die übliche Topologie. Wir schreiben im Folgenden für Mengen $M, M_1, M_2 ⊂ X$ und $α ⊂ \K$ nun \[ M_1 + M_2 := s(M_1,M_2) := \{x+y : x ∈ M_1, y ∈ M_2\}, \] \[ A \cdot M := m(A,M) := \{ αx: α ∈ A, x ∈ M\}. \] \end{bemerkung-nn} \begin{lemma} Hat der topologische Raum $(X,\T)$ auch eine lineare Struktur, so sind äquivalent: \begin{enumerate} \item Die Addition $s$ ist stetig. \item Für beliebiges $x, y ∈ X$ gilt: Zu jeder Umgebung $O_{x+y} ∈ \T$ existieren Umgebungen $O_x ∈ \T$ von $x$ und $O_y ∈ \T$ von $y$ mit $O_x + O_y ⊂ O_{x+y}$ \end{enumerate} \end{lemma} \begin{proof} $s$ ist stetig in $(x,y)$ genau dann, wenn zu jeder Umgebung $O_{x,y} ∈ \T_X$ von $(x,y)$ existiert eine Umgebung $U ⊂ \T_{X×X}$ von $(x,y)$ mit $s(U) ⊂ O_{x+y}$. Nach Definition der Produkttopologie existieren dann Umgebungen $O_x ∈ \U_x$ und $O_y ∈ \U_y$ mit $O_x × O_y ⊂ U$. Damit ist \[ O_x + O_y = s(O_x, O_y) = s(O_x × O_y) ⊂ s(U) ⊂ O_{x+y}. \] Analog zeigt man die entsprechende Aussage für die skalare Multiplikation: \end{proof} \begin{lemma} Hat der topologische Raum $(X,\T)$ auch eine lineare Struktur, so sind äquivalent: \begin{enumerate} \item Die Addition $m$ ist stetig. \item Für beliebiges $α ∈ \K, x ∈ X$ gilt: Zu jeder Umgebung $O_{αx} ∈ \T$ existieren Umgebungen $O_x ∈ \T$ von $x$ und $O_α ∈ \T$ von $y$ mit $O_α × O_x ⊂ O_{αx}$. \end{enumerate} \end{lemma} Betrachtet man insbesondere die Stetigkeit am Punke $α=0$ und $x ∈ X$ beliebig, dann gilt also: Für jede Umgebung $O_0 ∈ \U_0 ⊂ X$ existiert eine Umgebung $O_x ∈ \U_x$ und ein $r > 0$, so dass \[ ∀β: |β| 0 ∃ δ > 0 ∃ r> 0 ∀β ∈ \K ∀y ∈ X: \begin{rcases} |β - α| < r \\ d(x,y) < δ \end{rcases} \implies d(βy,αx) < ε \] \begin{lemma} \label{lemma-metrischer-linearer-raum-charak} Sei $(X,d)$ ein metrischer Raum mit linearer Struktur und mit einer translationinvarianten Metrik. Dann ist $X$ mit der von $d$ erzeugten Topologie ein \emph{metrischer linearer Raum} genau dann, wenn für alle $α ∈ \K, x ∈ X$ und beliebige Nullfolgen $(x_n)_{n ∈ ℕ} ⊂ X, (α_n)_{n ∈ ℕ) ⊂ \K}$ gilt \begin{gather*} αx_n \xrightarrow[n → ∞]{} 0 \\ αx_n \xrightarrow[n → ∞]{} 0 \\ α_nx_n \xrightarrow[n → ∞]{} 0 \end{gather*} \end{lemma} \begin{proof} „$⇒$”: Skalare Multiplikation ist im metrischen linearen Raum stetig, also folgen die Aussagen sofort. „$⇐$“: Wegen der Äquivalenz von Stetigkeit und Folgenstetigkeit ist zu zeigen \[ \begin{rcases} α_n \xrightarrow[n → ∞]{} α ∈ \K \\ x_n \xrightarrow[n → ∞]{} x ∈ X \end{rcases} \implies α_n x_n \xrightarrow[n → ∞]{} αx. \] Sei dazu $z_n := x_n - x ∈ X$, $γ_n := α_n - α ∈ \K$. Dann ist \[ γ_n z_n + γ_n x + α z_n = (α_n - α)(x_n-x) + (α_n-α) x + α(x_n-x) = α_n x_n - α×. \] Somit ist \begin{align*} d(α_nx_n,αx) &= d(αnx_n - αx,0) = d(γ_nz_n + γnx + αz_n, 0) \\ &\le \underbrace{d(γ_nz_n,0)}_{→ 0} + \underbrace{d(γ_nx, 0)}_{→ 0} + \underbrace{d(αz_n, 0)}_{→ 0} \xrightarrow{n → 0} 0. \end{align*} Da die Addition ohnehin immer stetig ist, sind wir fertig. \end{proof} \begin{definition} Eine Abbildung $|\cdot|: X → [0,∞)$ heißt \emph{Quasi-Norm} auf dem Linearen Raum $X$, falls gilt: \begin{enumerate}[label=(Q\arabic*)] \item $|x| \ge 0$ für alle $x ∈ X$ und $|x| = 0$ genau dann, wenn $x = 0$. \item $|-x| = |x|$ für alle $x ∈ X$ \item $|x+y| \le |x| + |y|$ für alle $x,y ∈ X$ \item $|αx_n| \xrightarrow[n → ∞]{} 0$ für $α ∈ \K$, falls $|x_n| → 0$ \item $|α_nx| \xrightarrow[n → ∞]{} 0$ für $x ∈ X$, falls $|α_n| → 0$ \item $|α_nx_n| \xrightarrow[n → ∞]{} 0$ falls $|x_n| → 0$ und $|α_nx_n| → 0$ \end{enumerate} $(X,|\cdot|)$ heißt dann \emph{quasi-normierter} Raum. \end{definition} \begin{bemerkung} Jeder normierte Raum ist auch ein quasi-normierter Raum. \end{bemerkung} \begin{satz} \begin{enumerate} \item Ist $|\cdot|$ eine Quasi-Norm auf $X$, so wird durch $d(x,y) := |x-y|$ eine translationsinvariante Metrik definiert, welche $X$ zu einem metrischen linearen Raum macht. \item Ist $(X,d)$ ein metrischer linearer Raum mit translationsinvarianter Metrik $d$, so ist $(X,|\cdot|)$ mit $|x| := d(x,0)$ ein quasi-normierter Raum. \end{enumerate} \end{satz} \begin{proof} Das folgt direkt aus den Axiomen und \cref{lemma-metrischer-linearer-raum-charak}. \end{proof} Speziell für die Anwendung sehr wichtige metrische lineare Räume werden von Semi-Normen erzeugt. \begin{definition} Sei $X$ ein linearer Raum. Eine Abbildung $p: X → ℝ$ heißt \emph{Semi-Norm} oder \emph{Halbnorm}, falls folgendes gilt: \begin{enumerate}[label=(S\arabic*)] \item $∀x ∈ X: p(x) ≥ 0$ \item $∀ x ∈ X, α ∈ \K: p(αx) = |α| p(x)$ \item $∀ x, y ∈ X: p(x+y) ≤ p(x) + p(y)$ \end{enumerate} $(X,p)$ heißt dann \emph{semi-normierter} Raum. \end{definition} \begin{beispiel-nn} $\L^p(\Omega)$ ist ein semi-normierter Raum. \end{beispiel-nn} \begin{bemerkung-nn} Jeeder semi-normierte Raum $(X,p)$ erzeugt einen normierten Raum $(X/N,p)$, wobei $N = \{ x ∈ X: p(x) = 0\}$ ein linearer Unterraum ist. \end{bemerkung-nn} \begin{satz} \label{satz-abzaehlbares-prod-seminormierter-raeume} Es seien $p_n: X → ℝ, n ∈ ℕ$ abzählbar viele Semi-Normen auf einem linearen Raum mit der Eigenschaft \begin{equation} p_n(x) = 0 \text{ für alle n ∈ ℕ } \implies x = 0. \label{eq:seminorm-folge-blub} \end{equation} Dann ist \[ d(x,yr) := \sum_{n = 1}^∞ 2^{-n} \frac{p_n(x-y)}{1+p_n(x-y)} \] eine translationsinvariante Metrik auf $X$, welche $X$ zum metrischen linearen Raum macht. \end{satz} \begin{bemerkung} $p_n: X → ℝ$ sind auf $(X,d)$ stetig. Das folgt aus (für $x_i → x_0$ in $X$) \[ |p_n(x_i) - p_n(x_0)| \le p_n(x_i-x_0) \xrightarrow{} 0 \] und einer Übungsaufgabe. \end{bemerkung} \begin{satz} \label{satz-umgebungsbasis-produkt-von-seminorm} Sei $(X,d)$ der in \cref{satz-abzaehlbares-prod-seminormierter-raeume} gegebene metrische lineare Raum (mit der von der Metrik erzeugten Topologie). Dann bilden die Mengen ($ε_n > 0$) \[ U (p_n,ε_n) := \bigcup B^{p_n}_{ε_n}(0) = \{ x ∈ X: p_n(x) < ε_n\} \] und deren endliche Durchschnitte eine Umgebungsbasis von $0 ∈ X$ \end{satz} \begin{bemerkung-nn} Nach dem Invarianzprinzip ist damit durch $\bigcup B^{p_n}_{ε_n}$ die ganze Topologie bestimmt. Mit anderen Worten: Die Topologie welche über die Metrik bestimmt ist, ist dieselbe wie die, welche von den $U(p_n,ε_n)$ und endlichen Schnitten davon erzeugt wird. \end{bemerkung-nn} \begin{proof}[\cref{satz-umgebungsbasis-produkt-von-seminorm}] Zunächst ist $U (p_n,ε_n) ∈ \T$: Sei $n ∈ ℕ$ und $ε_n > 0$ fest und $y ∈ U(p_n,ε_n)$ beliebig gegeben. Dann ist $p_n(y) < ε_n$. Dann wähle $ρ = ρ(y) > 0$, so dass $p_n(y) + ρ < ε_n$. Dann gilt für $r := 2^{-n} \frac{ρ}{1+ρ} > 0$: \[ x ∈ B_r(y) \implies p_n(x+r) < ρ. \] Dazu ist \[ \frac{p_n(x-y)}{1+p_n(x-y)} \le 2^n \underbrace{d(x,y)}_{< r} < 2^n r = \frac{ρ}{1+ρ}, \] also $p_n(x-y) < ρ$. Mit diesem $r$ gilt $B_r(y) ⊂ U(p_n,ε_n)$: Sei $x ∈ B_r(y)$. Dann gilt \[ p_n(x) \le \underbrace{p_n(x-y)}_{< ρ} + p_n(y) < p_n(y) + ρ = ε_n \] wie gewünscht. Sei $ B_r(0), r > 0$ gegeben. Wähle $n_0 ∈ ℕ$ mit \[ \sum_{n=n_0}^∞ 2^{-n} < \frac r 2. \] mit $ε := \frac r 2 $ gilt dann \[ \bigcap_{n=1}^{n_0} U(p_(,ε) ⊂ B_r(0). \] Sei dazu $x ∈ \bigcap_{n=1}^{n_0} U(p_n,ε)$ beliebig. Dann ist \[ d(x,0) \le \sum_{n=1}^{n_0} 2^{-n} \frac{p_n(x)}{1+p_n(x)} + \sum_{n=n_0}^∞ 2^{-n} < ε \sum_{n=1}^{n_0} 2^{-n} + \frac r 2 < ε + \frac r 2 = r, \] somit also $x ∈ B_r(0)$. \end{proof} \begin{bemerkung} Die Mengen $U(p_n,ε_n)$ und deren endlichen Schnitte sind konvexe Mengen, das heißt \[ x, y ∈ U(p_n,ε_n),α ∈ [0,1] \implies αx+(1-α)y ∈ U(p_n,ε_n) \] \end{bemerkung} \begin{proof} Es ist \[ p_n(αx + (1-α)y) \le |α| \underbrace{p_n(x)}_{< ε_n} + |1-α|\underbrace{p_n(y)}_{< ε_n} = ε_n. \] \end{proof} Also besitzt der in \cref{satz-abzaehlbares-prod-seminormierter-raeume} gewonne metrische lineare Raum $(X,d)$ eine Umgebungsbasis von $0$, die nur aus konvexen elementen besteht. \begin{definition} Ein topologischer linearer Raum $(X,\T)$, in dem jedes $x ∈ X$ eine Umgebungsbasis besitzt, die nur aus konvexen Mengen besteht, heißt \emph{lokalkonvex}. \end{definition} \begin{satz} Sei $X$ ein linearer Raum mit Semi-Normen $p_i, i ∈ I$, wobei $I$ eine beliebige Indexmenge ist, mit der Eigenschaft \[ p_i(x) = 0 \text { für alle } i ∈ I \implies x = 0. \] Dann sind die Mengen \[ U(p_i,ε_i) = \{ x ∈ X: p_{(x) < ε_i}\}, \quad ε_i > 0, i ∈ I \] und deren endliche Schnitte eine konvexe Umgebungsbasis von $0 ∈ X$. Die dadurch gewonne Topologie $\T$ macht $X$ zu einem \emph{lokalkonvexen Hausdorff-Raum}. \end{satz} \section{Beispiele} Wir werden die unten angegebenen Beispiele auch gleich auf Vollständigkeit untersuchen. \begin{definition} \begin{enumerate} \item Ein metrischer linearer Raum $(X,d)$ der vollständig ist, heißt \emph{Fréchet-Raum}. \item Ein normierter Raum $(X,\norm\cdot)$, der vollständig ist, heißt \emph{Banach-Raum}. \end{enumerate} \end{definition} \begin{beispiel-nn}[$\ell^p$-Räume] \begin{enumerate} \item $(\ell^p,\norm\cdot_p)$, $1 \le p < ∞$ ist normierter Raum mit \[ \norm x _p = \left( \sum_{i=1}^∞ |x_i|^p \right)^{1/p}. \] \item $(\ell^∞,\norm\cdot_∝)$, ist normierter Raum mit $\norm x _∞ = \sup_{i ∈ ℕ} |x_i|$. \item $(\ell^p,|\cdot|_p = \norm\cdot_p^p)$, $0 \le p < 1$ ist quasi-normierter Raum. \end{enumerate} \end{beispiel-nn} \begin{bemerkung} Für $0 < p < q \le ∞$ gilt $\ell^p ⊂ \ell^q ⊂ \ell^∞$. \end{bemerkung} \begin{beweis} Sei $x ∈ \ell^p$ mit $|x| = 1 = \sum_{i ∈ ℕ} |x_i|^p$. Dann ist für alle $i ∈ ℕ$ $|x_i|^p \le 1$, also auch $|x_i| < 1$. Dann folgt auch $\sum_{i ∈ ℕ} |x_i|^q < 1$, also $x ∈ \ell^q$ und $\sup_{i ∈ ℕ} |x_i| ≤ 1$, also $x ∈ \ell^∞$. \end{beweis} \begin{satz} Für $1 \le p \le ∞$ ist $(\ell^p,\norm\cdot_p)$ ein Banachraum. Für $0 < p < ∞$ ist $(\ell^p,|\cdot|_p)$ ein Fréchet-Raum. \end{satz} \begin{proof} Nur für $1 \le p < ∞$. Sei dazu $(x_n)_{n ∈ ℕ} ⊂ \ell^p$ eine Cauchy-Folge, also $x_n = (ξ_k^n)_{k ∈ ℕ}$ und für jedes $ε > 0$ gibt es ein $n_0$ mit \[ ∀n,m > n_0: \norm{x_n-xm}_p = \left( \sum_{k=1}^∞ |ξ_k^n-ξ_k^m|^p \right)^{1/p} < ε. \] Sei $k_0 ∈ ℕ$ beliebig. Dann ist $(ξ_k^n)_{n ∈ ℕ}$ eine Cauchy-Folge in $\K$, besitzt also einen Grenzwert $ξ_{k_0}$. Setze nun $x := (ξ_k)_{k ∈ ℕ} ∈ \K^∞ = s$. Wir vermuten $x$ als Grenzwert unserer Cauchy-Folge. Also müssen wir zeigen, dass $x ∈ \ell^p$, und dass unsere Folge tatsächlich gegen $x$ konvergiert. Es gilt \[ \norm{x_n}_! \le \underbrace{\norm{x_n-x_{n_0}}}_{< ε} + \norm{x_{n_0}} \quad \forall n \ge n_0 \] Deshalb existiert ein $M > 0$ mit $\norm{x_n}_p < M$ für alle $n ∈ ℕ$, also \[ \sum_{k=1}^N |ξ_k^n|p < \sum_{k =1}^∞ |ξ_k^n|^p \le M^p < ∞. \] Also haben wir \[ \sum_{k=1}^N |ξ_k^p| \le M^p \quad ∀ n ∈ ℕ, \] also durch Grenzwertbildung $N → ∞$ auch $\norm{x}_p^p ≤ M^p$ bzw. $x ∈ \ell^p$. Ferner haben wir \[ \sum_{k=1}^N |ξ_k^n-ξ_k^m|^p < ε^p \quad ∀ N ∈ ℕ, n, m ≥ n_0(ε). \] Für $n → ∞$ folgt \[ \sum_{k=1}^N |ξ_k-ξ_k^m|^p < ε^p \quad ∀N ∈ ℕ, m ≥ n_0, \] und mit $N → ∞$ \[ \sum_{k=1}^∞ |ξ_k-ξ_k^m|^p < ε^p \quad ∀m ≥ n_0, \] also die Konvergenz. \end{proof} \begin{beispiel-nn} Betrachte den Folgenraum $S = \K^∞ = \{x = (ξ_n)_{n ∈ ℕ}, ξ_n ∈ \K\}$. Dann ist \[ p_n(x) := |ξ_n|, \quad p_n: \K^∞ → ℝ \] eine abzählbare Familie von Halbnormen mit \[ p_n(x) = 0 ∀n ∈ ℕ \implies x = 0 ∈ \K^∞ \] Nach \cref{satz-abzaehlbares-prod-seminormierter-raeume} folgt, dass $(\K^∞, d)$ mit \[ d(x,y) := \sum_{n ∈ ℕ} 2^{-n} \frac{p_n(x-y)}{1+p_n(x-y)} \] ein metrischer linearer Raum ist. Der Konvergenzbegriff entspricht gerade der komponentenweisen Konvergenz, das heißt, für eine Folge $(x_k)_{k ∈ ℕ}$ mit $x_k = (ξ^k_n)_{n ∈ ℕ}$ gilt \[ x_k \xrightarrow[k→∞]{} 0 \; \Longleftrightarrow \; d(x_n,0) \xrightarrow[k→∞]{} 0 \; \Longleftrightarrow \; p_n(x_k) \xrightarrow[k→∞]{} ∀ n ∈ ℕ \; \Longleftrightarrow \; |ξ_n^k| \xrightarrow[k→∞] 0 ∀ n ∈ ℕ. \] Wir fragen uns nun, ob auf dem $\K^∞$ auch eine Topologie existiert, so dass der induzierte Konvergenzbegriff der der gleichmäßigen Konvergenz in allen Komponenten entspricht? Also \[ x_k \xrightarrow[k → ∞]{\text{glm}} 0 ∈ \K^∞ \gdw ∀ε > 0 ∃ k_0 ∈ ℕ: |ξ_n^k| < ε ∀ k \ge k_0 ∀n ∈ ℕ. \] Wenn $\K^∞$ ein topologischer linearer Raum sein soll, ist das nicht möglich. Notwendig wäre, dass für eine Folge $x  ∈ \K^∞$ \[ α_k \xrightarrow[k → ∞]{} 0 \text{ in } \K \implies α_k x \xrightarrow[k→∞]{} \text{ in } X = \K^∞. \] Wähle dazu die Nullfolge $(α_k)_{k ∈ ℕ} = (1/k)_{k ∈ ℕ} ⊂ ℝ$, $x= (n)_{n ∈ ℕ} ⊂ X$. Dann ist \[ α_k x = (n/k)_{n ∈ ℕ} ∈ \K^∞ \] zwar eine Nullfolge in $\K^∝$ ist, diese Konvergenz ist jedoch nicht gleichmäßig in $n$. Man kann zeigen, dass $\K^∞$ mit $d$ vollständig, also ein Fréchet-Raum, ist. Ist $\K^∞$ auch normierbar? Also gibt es auf $\K^∞$ eine Norm, welche die gleiche Topologie erzeugt wie die $d$? Auch das ist nicht möglich: \end{beispiel-nn} \begin{lemma} \label{lemma-s-metrikkugeln-enthalten-unterraeme} In $(\K^∞,d)$ gilt: \begin{enumerate} \item $B_1(0) = \K^∞$ \item Betrachte den linearen Unterraum $M_{n_0} := \{ x = (ξ_n)_{n ∈ ℕ}$ mit $ξ_n = 0$ für $n = 1,…,n_0 \}$. Dann gibt es für jeden Radius $r > 0$ ein $n_0 ∈ ℕ$, so dass $M_{n_0} ⊂ B_{r}(0)$. Das heißt, jede noch so kleine Metrikkugel enthält einen nichttrivialen Unterraum. \end{enumerate} \end{lemma} \begin{proof} \begin{enumerate} \item Das ist trivial. \item Sei $r > 0$ gegeben. Wähle nun $n_0$, so dass $\sum_{n=n_0+1}^∞ 2^{-n} < r$. Dann gilt \[ ∀ x ∈ M_{n_0}: d(x,0) = \sum_{n ∈ ℕ} 2^{-n} \frac{p_n(x)}{1+p_n(x)} = \sum_{n=n_0}^∞ 2^{-n} \frac{p_n(x)}{1+p_n(x)} \le \sum_{n=n_0}^∞ 2^{-n} < r. \] \end{enumerate} \end{proof} Wäre nun die Topologie auf $(\K^∞,d)$ nun auch von einer Norm erzeugt, dann wären die Normkugeln \[ B_r^{\norm\cdot}(0) = \{ x ∈ \K^∞: \norm x < \tilde r \} \] auch eine Umgebungsbasis der Null. Das heißt insbesondere würden wir zu jedem $\tilde r$ ein $r$ finden, so dass $0 ∈ B_r^d(0) ⊂ B_r^{\norm\cdot} (0)$. Mit \cref{lemma-s-metrikkugeln-enthalten-unterraeme} folgt also \[ M_{n_0} ⊂ B_r(0) ⊂ B_r^{\norm\cdot}(0) \] für ein geeignetes $n_0$. Sei nun ein $0 \ne x ∈ M_{n_0}$. Dann ist, da $M_{n_0}$ ein Unterraum ist, auch $αx ∈ M_{n_0}$ für alle $α ∈ \K$. Das heißt, \[ |α| \cdot \norm x = \norm{αx} < \tilde r \text{ für alle } α ∈ \K, \] was bereits $α = 0$ impliziert. Das ist ein Widerspruch. \begin{beispiel-nn}[Räume beschränkter Funktionen] Sei $S$ eine beliebige Menge und $B(S) := \{ f: S → \K, f(s)$ ist beschränkt $\}$. Dann wird $B(S)$ mit \[ \norm f _{B(S)} := \sup_{x ∈ S} |f(x)| < ∞, \] der $\sup$-Norm, zu einem Banachraum. Dabei ist offensichtlich, dass $\norm\cdot_{B(S)}$ tatsächlich eine Norm ist, und wir werden in einer Übung zeigen, dass die induzierte Metrik tatsächlich vollständig ist. \end{beispiel-nn} \begin{lemma-nn} \label{lemma-vollst-ubertragt-abgeschl-teilmengen} Sei $(X,d)$ ein metrischer Raum, $Y ⊂ X$. Es gilt \begin{enumerate} \item Wenn $(X,d)$ vollständig ist und $Y$ abgeschlossen, dann ist auch $(Y,d|_{Y×Y}$ vollständig. \item Wenn $(Y,d|_{Y×Y}$ vollständig ist, so ist $Y$ abgeschlossen in $(X,d)$. \end{enumerate} \end{lemma-nn} \begin{proof} Übungsaufgabe. \end{proof} \begin{beispiel-nn}[Räume stetiger Funktionen] Sei $K ⊂ ℝ^n$ kompakt, also nach Heine-Borel abgeschlossen und beschränkt. Dann ist \[ C(k) = \{ f: K → \K, f \text{ stetig} \} \] ein normierter Raum mit \[ \norm{f}_{C(K)} = \norm{f}_{∞} = \max_{t ∈ K} |f(t)|, \] der Maximumsnorm. Dieses Maximum wird tatsächlich immer angenommen, da $K$ kompakt ist (Satz von Minimum und Maximum). Insbesondere sind alle stetigen Funktionen auf $K$ beschränkt. Damit gilt offensichtlich $C(K) ⊂ B(K)$ und $\norm{f}_{C(K)} = \norm{f}_{B(K)}$ für alle $f ∈ C(K)$. Da jede stetige Funktion auf kompakten Teilmengen von metrischen Räumen auch gleichmäßig stetig ist, das heißt \[ ∀ ε > 0 ∃ δ > 0: \left( |t_1-t_2| < δ \implies |f(t_1)-f(t_2)| < ε \right) ∀ t_1,t_2 ∈ K \] \end{beispiel-nn} \begin{lemma} $C(K)$ ist ein abgeschlossener Unterraum von $(B(K), \norm\cdot_{B(K)})$ und somit insbesondere auch (mit \cref{lemma-vollst-ubertragt-abgeschl-teilmengen}) vollständig. \end{lemma} \begin{proof} Sei $(f_i)_{i ∈ ℕ}$ eine konvergente (in $(B(K),\norm\cdot_{B(K)})$) Folge in $C(K)$. Dann existiert ein $f ∈ B(K)$ mit $f_i \xrightarrow[i → ∞]{\norm{\cdot}_{B(K)}} f$. Wir müssen zeigen, dass $f$ bereits stetig ist. Für beliebige $t₁, t_2 ∈ K$ gilt \[ |f(t_1)-f(t_2) | \le \underbrace{|f_i(t_1)-f_i(t_2)|}_{< ε/3 \text{ für } |t_1-t_2| < δ^{(i)}(ε)} + 2 \underbrace{\norm{f_i - f}_{B(K)}}_{< ε/3 \text{ für } i > i_0} < ε. \] Damit ist $f$ auch gleichmäßig stetig, also insbesondere auch stetig und in $C(K)$. \end{proof} Das heißt, die Stetigkeit der Folgenglieder $(f_i)_{i ∈ ℕ} ⊂ C(K)$ überträgt sich auf die Grenzfunktion und Konvergenz in $(C(K),\norm\cdot_{∞})$ ist „gleichmäßig auf $K$“. Wegen dieser Eigenschaft ist die Maximumsnorm $\norm\cdot_∞$ auch die natürliche Norm auf $C(K)$. Andere mögliche Normen (und damit andere Topologien) auf $C(K)$ wären z.B. \[ \norm{f}_p = \left( \int_K |f(t)|^p dt \right)^{1/p}, \quad 1 \le p < ∞. \] Allerdings ist die Konvergenz in dieser Topologie impliziert keine Stetigkeit für die Grenzfunktion. \begin{beispiel-nn} Sei $\Omega ⊂ ℝ^n$ offen und analog \[ C(\Omega) := \{ f: \Omega → \K, f \text { stetig }\}. \] Hier können Funktionen aber auch unbeschränkt sein. Also braucht $\sup |f|$ nicht mehr zu existieren. \end{beispiel-nn} \begin{definition} Es sei $(K_m)_{m ∈ ℕ}$ eine \emph{Ausschöpfung} von $\Omega$ mit kompakten Mengen $K_= ⊂ \Omega$, das heißt, es gelte \[ \begin{cases} \Omega = \bigcup_{m ∈ ℕ} K_m, \quad K_m ⊂ K_{m+1}, \\ K ⊂ \Omega \text { kompakt } \implies K ⊂ K_m \text { f ür ein } m ∈ ℕ \end{cases} \] \end{definition} Man nehme z.B. \[ K_m = \{ x ∈ \Omega ⊂ ℝ^n: \norm{x} \le m, \operatorname{dist}(x,∂\Omega) \ge 1/m\}, \] wobei $\operatorname{dist}(x,∂\Omega) := \inf\{ \norm{x-y}: y ∈ ∂\Omega\}$ und $∂M = \cl \Omega \setminus \Omega$. Dann ist $C(\Omega)$ mit der Metrik \[ d(f,0) = \sum_{m ∈ ℕ} 2^{-m} \frac{\norm{f}_{C(K_m)}}{1+\norm{f}_{C(K_m)}} \] ein Fréchetraum, also ein metrisierbarer linearer Raum nach \cref{satz-abzaehlbares-prod-seminormierter-raeume}, da \[ \norm{f}_{C(K_m)} = 0 ∀ m ∈ ℕ \implies f = 0 ∈ C(\Omega). \] Es gilt in diesem Raum \[ d(f_i,f) \xrightarrow[i → ∞]{} 0 \gdw \norm{f_i-f}_{C(K_m)} \xrightarrow[i → ∞]{} ∀m ∈ ℕ, \] was ja gerade gleichmäßige Konvergenz auf jeder Kompakten Menge $K ⊂ \Omega$ bedeutet. Damit ist Stetigkeit der Folgenglieder $(f_i)_{i ∈ ℕ} ⊂ C(\Omega)$ impliziert Stetigkeit der Grenzfunktion $f ∈ C(\Omega)$, da Stetigkeit nur eine lokale Eigenschaft ist. Wir werden in der Übung sehen, dass $C(\Omega)$ mit dieser Metrik $d_{C(\Omega)}$ nicht normierbar ist. \begin{beispiel-nn}[Räume differenzierbarer Funktionen] \begin{enumerate} \item Betrachte die Menge $C^\ell(K) = \{ f: K → ℝ, D^α f$ existiert und ist stetig für$|α| < \ell \}$ der $\ell$-mal stetig differenzierbaren Funtktionen auf einer kompakten Menge $K ⊂ ℝ^n$ mit $\ell ∈ ℕ_0$ Dabei ist $α = (α_1,…,α_n) ∈ ℕ_0^n$ ein Multiindex, $|α| = \sum_{i=1}^n α_i$ und \[ D^α f = \frac{∂^{|α|} f}{∂x_1^{α_1}\cdots∂x_n^{α_n}}. \] Dann wird $C^\ell(K)$ mit der Norm \[ \norm{f}_{C^\ell(K)} = \max_{|α| \le l} \max_{x ∈ K} | D^α f(x)| \] zu einem Banachraum. Die meisten Eigenschaften sind klar, die Vollständigkeit folgt unmittelbar aus der Vollständigkeit von $C(K)$ Konvergenz in $C^\ell(K)$ bedeutet gerade gleichmäßige Konvergenz aller partiellen Ableitungen bis zur Ordnung $\ell$ auf ganz $K$. \item Sei $\Omega ⊂ ℝ^n$ offen und $\C^\ell(\Omega) = \{ f: \Omega → ℝ, D^α f$ existiert und ist stetig für$|α| < \ell \}$ der Raum der $\ell$-mal stetig differenzierbaren Funtktionen auf $\Omega$ mit $\ell ∈ ℕ_0$. $C^\ell(\Omega)$ wird mit der Metrik \[ d(f,g) := \sum_{m ∈ ℕ} 2^{-m} \frac{p_{m,l}(f-g)}{1+p_{m,l}(f-g)}, \quad p_{m,l}(f) = \max_{|α| \le \ell} \norm{D^α f}_{C(K_m)}, \] wobei die $K_m$ Ausschöpfungen von $\Omega$ mit kompakten Mengen sind, zu einem Fréchetraum. Konvergenz in $C^\ell(\Omega)$ bedeutet gerade gleichmäßige Konvergenz aller partiellen Ableitungen bis zur Ordnung $\ell$ auf jedem Kompaktum, das in $\Omega$ enthalten ist. Auch dieser Raum ist nicht normierbar mit einem analogem Argument wie bei den stetigen Funktionen auf $\Omega$. \item Wir betrachten nun einige Unterräume von $\C^\ell(\Omega)$: \begin{enumerate}[label=(\roman*)] \item $\C^\ell_B(\Omega) = \{ f: \Omega → ℝ, D^α f$ existiert, ist beschränkt und ist stetig für$|α| < \ell \}$ wird zum normierten Raum mit \[ \norm{f}_{C^\ell_B(\Omega)} = \max_{|α| \le l} \sup_{x ∈ \Omega} | D^α f(x)| \] Zwar gilt $C^\ell_B(\Omega) ⊂ C^\ell(\Omega)$ (als Mengen), jedoch besitzt $C^\ell_B(\Omega)$ nicht die Relativtopologie von $\C^\ell(\Omega)$, wie wir in einer Übung sehen werden. \begin{definition} \begin{enumerate} \item Für $\Omega ⊂ ℝ^n$ offen und $f: \Omega → ℝ$ heißt \[ \supp f := \cl{ \{ x ∈ \Omega, f(x) \ne 0 \}} \] der \emph{Träger} oder \emph{Support} von $f$. \item Wir sagen für eine Menge $M ⊂ \Omega$ \emph{$M$ liegt kompakt in $\Omega$}, wenn $\cl M $ kompakt ist und $\cl M ⊂ \Omega$. Wir schreiben dafür $M ⊂⊂ \Omega$. \end{enumerate} \end{definition} \item $C_0^\ell(\Omega) = \{ f ∈ C^\ell(\Omega) : \supp f ⊂⊂ M \}$ Funktionen mit $\supp f ⊂⊂ M $ haben Luft zum Rand von $\Omega$: \[ \operatorname{dist}(\supp(f), ∂\Omega) > 0, \] denn sowohl $\supp f$ als auch $∂\Omega$ sind abgeschlossen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Topologien für $C_0^\ell(\Omega)$ zu wählen: \begin{enumerate} \item $C_0^\ell(\Omega) ⊂ C^\ell(M)$ mit Spurtopologie von der Metrik. \item $C_0^\ell(\Omega) ⊂ C_B^\ell(M)$ mit Spurtopologie von der Norm. \end{enumerate} Diese Topologien sind jedoch nicht identisch. \end{enumerate} \item Sei $\Omega ⊂ ℝ^n$ offen und $C^∞(\Omega) = \{ f: \Omega → ℝ, D^αf $ existiert und ist stetig für alle $α ∈ ℕ_0^n \} = \bigcap_{\ell ∈ ℕ}C^\ell(\Omega)$. Wir definieren die Topologie wieder über eine Metrik durch Seminormen \[ d(f,g) := \sum_{m ∈ ℕ} 2^{-m} \frac{p_{m}(f-g)}{1+p_{m}(f-g)}, \quad p_{m}(f) = \max_{|α| \le m} \norm{D^α f}_{C(K_m)}. \] Mit dieser Metrik wird $C^\ell(\Omega)$ zum Fréchetraum. Konvergenz in $C^∞(\Omega)$ bedeutet gerade gleichmäßige Konvergenz aller partiellen Ableitungen auf jedem Kompaktum, das in $\Omega$ enthalten ist. Auch dieser Raum ist nicht normierbar mit einem analogem Argument wie bei den stetigen Funktionen auf $\Omega$. \item Sei $\Omega ⊂ ℝ^n$ offen und $C_0^∞(\Omega) = \{ f ∈ C^∞(\Omega) : \supp f ⊂⊂ M \}$ der \emph{Raum der Testfunktionen}. Ein Beispiel für so eine Funktion ist \[ f(x) = \begin{cases} c \exp \left( - \frac{1}{{1-|x|^2}} \right), & |x| < 1 \\ 0, & |x| \ge 1 \end{cases}, \] wobei $\Omega = B^{\norm\cdot_\infty}_2(0)$, $|\cdot| = \norm\cdot_2$ und $c ∈ ℝ$ konstant. Offensichtlich ist $C_0^∞(\Omega) ⊂ C^∞(\Omega)$. Wenn man auf $C_0^∞(\Omega)$ jedoch die Spurtopologie wählt, bekommt man später Probleme (bestimmte Funktionale auf $C_0^∞(\Omega)$ sind nicht mehr stetig, wie wir in einer Übungsaufgabe sehen werden. Man nennt Funktionale auf $C_0^∞(\Omega)$ auch Distributionen). Außerdem wäre der $C_0^∞(\Omega)$ mit dieser Metrik nicht vollständig -- der Träger der Grenzfunktion muss nicht mehr beschränkt sein. \begin{definition-nn} Sei $M ⊂ X$ und $X$ ein linearer Raum. Dann heißt \[ \conv (M) := \{ x: ∃α_i > 0, x_i ∈ M, i ∈ \{1,…,k\}: \sum_{i=1}^k α_i = 1, \sum_{i=1}^k α_i x_i = x \} \] die \emph{konvexe Hülle} von $M$. \end{definition-nn} Aus Gründen, die erst später zu verstehen sind, wählt man auf $C^∞_0(\Omega)$ folgende lokalkonvxe Topologie: Setze \[ p(\xi) := \sum_{k ∈ ℕ} 2^{-k} \frac{\norm \xi _{C^k(\Omega)}}{1 + \norm \xi _{C^k(\Omega)}}, \quad \xi ∈ C_0^∞(\Omega) \] Sei $(D_j)_{j ∈ ℕ}$ eine Ausschöpfung von $\Omega$ mit offenen Mengen, also $D_j ⊂ D_{j+1}, D_j ⊂⊂ \Omega, \bigcup_{j ∈ ℕ} D_j = \Omega$. Eine mögliche Wahl wäre beispielsweise $D_j = K_j^\circ$, wobei die $K_j$ wie oben sind. Für $ε = (ε_j)_{j ∈ ℕ} ∈ ℝ^∞, ε_j > 0$ für alle $ℕ$ definieren wir eine Umgebungsbasis der $0 ∈ C_0^∞(\Omega)$ durch alle Mengen \[ U_ε := \conv \left[ \bigcup_{j ∈ ℕ} \{ \xi ∈ C^∞_0 : p(\xi) < ε_j \} \right] ⊂ C_0^∞(\Omega). \] mit $ε = (ε_j)_{j ∈ ℕ} ∈ ℝ^∞, ε_j > 0$ und endliche Schnitte davon. Andere Umgebungen umgeben sich durch Translation. Die so definierte Topologie nennen wir $\T_\D$ und den Raum $C_1^∞(\Omega)$ auch $\D(\Omega)$. Es stellt sich heraus, dass diese Topologie tatsächlich unabhängig von der gewählten Ausschöpfung ist. Außerdem ist $(\D(\Omega),\T_\D)$ ein topologischer linearer Raum, das heißt, die Vektorraumoperationen sind stetig. \begin{lemma}[Charakterisierung offener Mengen in $\D(\Omega)$] Es gilt \[ O ∈ \T_\D \iff ∀ ξ ∈ O ∃ ε=(e_j)_{j ∈ ℕ} ∈ ℝ^∞, e_j > 0: e+U_ε ⊂ O. \] Das heißt, die Topologie $\T_\D$ und die Topologie \[ \tilde T_\D = \{ O ⊂ C_0^∞(\Omega): ∀ ξ ∈ O ∃ ε = (ε_j)_{j ∈ ℕ} ∈ ℝ^∞, ε_j > 0: ε+ U_ε ⊂ O \} \] sind gleich. \end{lemma} \begin{proof} Übung. \end{proof} \begin{korollar} Die Mengen $U_∈$ sind bereits eine Umgebungsbasis der Null. Nach Definition sind sie aber auch Konvex, das heißt $(\D(\Omega),\T_\D)$ ist ein lokalkonvexer Hausdorff-Raum. \end{korollar} \begin{satz} $ξ_m \xrightarrow[m → ∞]{} \iff$ \[ \begin{cases} (i), & \text{Es existiert $D$ offen mit $D ⊂⊂ \Omega$ und $ξ_= ∈ C_0^∞(D)$ für alle $m ∈ ℕ$} \\ (ii), & \text{Für jedes $k ∈ ℕ$ gilt: $\norm{ξ_m}_{C^k(\cl{\Omega})} \xrightarrow[m → ∞]{}$} \end{cases} \] \end{satz} \begin{proof} Zeige nur „$\Longleftarrow$“. Sei dazu $(ξ_m)_{m ∈ ℕ}$ eine Folge mit (i) und (ii). Wähle nun $D_j$ von oben mit $D ⊂ D_j$ ($j$ ist fest). Sei nun $ε=(ε_i)_{i ∈ ℕ}, ε_i > 0$ gegeben. Dann müssen wir zeigen, dass für alle $m > m_0$ schon $ξ_m ∈ U_ε$ gilt. Zunächst sind nach (i) $ξ_m ∈ C^∞_0(D_j)$ . Außerdem gilt \[ p(\xi_m) \le \underbrace{\sum_{k=1}^N 2^{-k} \frac{ \norm{\xi_m}_{C^k(\cl \Omega)} } {1+ \norm{\xi_m}_{C^k(\cl \Omega)} }}_{\text{wegen (i)} < ε_j/2 \text{ für $m \ge m_0(ε_j,N)$}} + \underbrace{\sum_{k=N+1} 2^{-k}}_{<ε_j/2 \text{ für $n$ groß genug}} < ε_j. \] \end{proof} \item Betrachten wir nun Lebesgue-integrierbare Funktionen. Bereits eingeführt wurden die Räume $\L^p(\Omega)$ und $L^p(\Omega)$, $0 < p < ∞$, wobei $\Omega ⊂ ℝ^n$ offen. Diese sind für $1 \le p < ∞$ normiert, und für $0 < p < 1$ quasi-normiert. Für $p = ∞$ setzen wir \[ \L^∞(\Omega) := \{ f: \Omega → ℝ ∪ \{ -∞, ∞ \}, f \text{ messbar und fast überall beschränkt} \}. \] Damit haben wir offenbar \[ C(\Omega) ∩ B(\Omega) ⊂ \L^∞(\omega). \] Sei \[ \norm f _{\L^∞(\Omega)} := \supess_{t ∈ \Omega} |f(t)| := \inf_{M ⊂ \Omega \text{ NM}} \sup_{t ∈ \Omega \setminus M} |f(t)|. \] Dann gilt für $f ∈ \L^∞(\Omega)$ \[ \norm f = 0 \gdw f = 0 \text{ fast überall} \] Mit $N := \{ f ∈ \L^∞(\Omega) : \norm f = 0 \}$ wird \[ L^∞(\Omega) := \left( \L^∞(\Omega)/N, \norm\cdot_{L^∞(\Omega)} \right) \] zu einem normiertem Raum. \end{enumerate} \end{beispiel-nn} { \LARGE Vorlesung vom Donnerstag, 9. November fehlt (genauso wie vermutlich alle weiteren Donnerstagsvorlesungen ab jetzt)} Seien $f_n → f ∈ L^p(\Omega), h ∈ C_0^∞(\Omega)$. Dann \[ \lim_{n → ∞} ∫_Ω f_n(t) h(t) dt = ∫_Ω f(t) h(t) dt, \] denn \begin{align*} ∫_Ω (f_n(t) - f(t)) h(t) dt &\le ∫_{\supp h} M |f_n(t) - f(t)| dt \\ & \stackrel{\mathclap{\text{Hölder}}}{\le} \; M [ \supp(h)]^{1/q} \norm{f_n-f}_{L^p(\Omega)} → 0. \end{align*} \section{Beschränkte und kompakte Mengen in metrischen linearen Räumen} Wir wissen bereits nach dem Satz von Heine-Borel, dass eine Teilmenge $K ⊂ ℝ^n$ genau dann kompakt ist, wenn sie abgeschlossen und beschränkt ist. Beschränktheit bedeutet hier in einer (beliebigen, da alle äquivalent) Norm. Nun wollen wir so ein Konzept für Beschränktheit auch in allgemeinen metrischen (topologischen) linearen Räumen finden. \begin{problem-nn} Die natürliche Übertragung $d(x,0) \le M$, $x ∈ B$ definiert \emph{keine} Beschränktheit. Gründe dafür sind: \begin{enumerate} \item In einigen metrischen Räumen gilt ohnehin $d(x,0) \le 1$ für alle $x ∈ X$. \item Ist $d$ eine Metrik auf $X$. Dann ist $\tilde d := \frac d {1+d} \le 1$ eine zu $d$ äquivalente Metrik auf $X$, wie wir in Topologie gesehen haben. \end{enumerate} \end{problem-nn} \begin{definition} Sei $(X,\T)$ ein topologischer linearer Raum, $B ⊂ X$ heißt \emph{beschränkt}, falls zu jeder offenen Umgebung $U$ von $0 ∈ X$ ein $α > 0$ existiert, so dass $B ⊂ αU = \{αu: u ∈ U\}$, das heißt jede Nullumgebung lässt sich so weit „aufblasen“, dass sie $B$ überdeckt. \end{definition} \begin{bemerkung-nn} Der Begriff „Beschränktheit“ hängt also von der Topologie ab. \end{bemerkung-nn} \begin{satz} Sei $(X,d)$ ein metrischer linearer Raum, dessen Metrik gemäß \cref{satz-abzaehlbares-prod-seminormierter-raeume} von abzählbar vielen Seminormen $(p_n)_{n ∈ ℕ}$ induziert ist. Dann ist eine Teilmenge $B ⊂ X$ genau dann beschränkt, wenn für jedes $k ∈ ℕ$ ein $M_k > 0$ existiert mit $p_k(x) \le M_k$ für alle $x ∈ B$. \end{satz} \begin{proof} „⇒“: Sei $k ∈ ℕ$ gegeben. Setze $r_k := \frac 1 {2^{k+1}}$ und $U := B_{r_k}(0)$. Da $B$ beschränkt ist, gibt es $α = α_k > 0$, dass \begin{align*} & B ⊂ αU = α B_{r_k}(0) \\ \iff & α^{-1} B ⊂ B_{r_k} (0) \\ \iff d(α^{-1} x, 0) < r_k ∀ x ∈ B \end{align*} Dann gilt schon $p_k(x) \le M_k := α_k$ für alle $x ∈ B$, denn \[ \frac 1 {2^{k+1}} = r_k > d(α_k^{-1} x, 0 \ge 2^k \frac {p_k(α_k^{-1}x)}{1+p_k(α_k^{-1} x)} = 2^{-k} \frac{α_k^{-1} p_k(x)}{1+α_k^{-1} p_k(x)}. \] Also mit $\eta := α_k^{-1} p_k(x)$ gilt $\frac 1 2 > \frac \eta {1+\eta}$, also $\eta < 1$ oder $p_k(x) \le M_k$ für alle $x ∈ B$. „⇐“: Sei also $p_k(x) \le M_k$ für alle $x ∈ B$ und $k ∈ ℕ$. Wir müssen nun zeigen, dass es für jedes $r > 0$ ein $α > 0$ gibt mit $B ⊂ αB_r(0)$, also $α^{-1} B ⊂ B_r(0)$. Sei also $r > 0$ gegeben. Wähle nun $m_0 ∈ ℕ$ mit $\sum_{n=m_0+1}^∞ 2^{-n} < r/2$. Wähle $α > 0$ mit $\sum_{n=1}^{m_0} 2^{-n} \frac{α^{-1} M_k}{1+α^{-1} M_k} < r/2$. Dann gilt für alle $x ∈ B$ \[ d(α^{-1} x, 0) = \sum_{n ∈ ℕ} 2^{-n} \frac{α^{-1} p_n(x)}{1+α^{-1} p_n(x)} \le \sum_{n=1}^{m_0} 2^{-n} \frac{α^{-1} p_n(x)}{1+α^{-1} p_n(x)} + \sum_{n=m_0+1}^∞ 2^{-n} < r/2 + r/2 = r. \] \end{proof} \begin{korollar} Sei $(X,\norm\cdot)$ ein normierter linearer Raum, Dann ist eine Teilmenge $B ⊂ X$ genau dann beschränkt, wenn $M > 0$ existiert mit $\norm{x} \le M$ für alle $x ∈ B$. \end{korollar} \begin{proof} Wähle $p_1(x) = \norm x$ und $p_k \equiv 0$ für $k \ge 2$ und verwende den vorherigen Satz. \end{proof} \begin{bemerkung} Kugeln $B_r(0)$ in $(X,d)$, wobei $d$ wie in \cref{satz-abzaehlbares-prod-seminormierter-raeume}, sinid also immer unbeschränkt, weil nichttriviale Unterräume $M_{n_0} ⊂ B_r(x)$ existieren. Insbesondere ist dies gültig in den Räumen $\K^∞, C(Ω), C^\ell(Ω)$ und $C^∞(Ω)$. \end{bemerkung} \begin{definition} Ein topologischer linearer Raum $(X,\T)$ heißt \emph{lokalbeschränkt}, falls $0 ∈ X$ eine beschränkte Umgebung besitzt. \end{definition} \begin{bemerkung} Normierte Räume sind lokalbeschränkt und lokalkonvex. Es gilt aber auch die Umkehrung: \end{bemerkung} \begin{satz}[Kolmogorov] Ein topologischer linearer Raum $(X, \T)$ ist genau dann normierbar, das heißt, die Topologie wird von einer Norm induziert, wenn $(X,\T)$ lokalkonvex und lokalbeschränkt ist. \end{satz} \begin{beispiel-nn} Die Räume $\K^∞, C(Ω), C^\ell(Ω)$ und $C^∞(Ω)$ sind nicht lokalbeschränkt, aber lokalkonvex. Somit sind sie auch nicht normierbar. Auch $L^p(0,1)$ mit $0 < p < 1$ ist nicht lokalkonvex, aber lokalbeschränkt, also nicht normierbar. \end{beispiel-nn} \begin{definition} Sei $(X,\T)$ ein topologischer linearer Raum. Eine Umgebung $U$ der Null heißt \emph{kreisförmig} oder \emph{balanced}, falls \[ t U ⊂ U, \quad |t| < 1 \] \end{definition} \begin{lemma} Sei $(X,\T)$ ein topologischer linearer Raum. Dann besitzt die Null eine Umgebungsbasis aus kreisförmigen Mengen. \end{lemma} \begin{proof} Übung. \end{proof} \begin{warnung-nn} Metrikkugeln müssen im Allgemeinen nicht kreisförmig sein (obwohl die uns bekannten Kugeln dies sind). Gegenbeispiel: $X = ℝ$, $d(x,y) := \left| ∫_x^y 1+\ind{ℝ_-}(s)\; ds \right|$. \end{warnung-nn} \begin{lemma} Sei $(X,\T)$ ein topologischer linearer Raum und $V ∈ \T$ eine Umgebung der 0. Dann gilt \[ X = \bigcup_{n ∈ ℕ} n V. \] \end{lemma} \begin{proof} „$\supset$“: klar. „⊂“: Sei $x ∈ X$. Setze $β_n = 1/n, n ∈ ℕ$. Dann gilt \[ β_n x \xrightarrow[n → ∞]{} 0, \] also $β_n ∈ V$ für $n \ge n_0$. Damit haben wir aber $x ∈ n_0 V$. \end{proof} \begin{satz} Sei $(X,\T)$ ein topologischer linearer $T_2$-Raum und $K ⊂ X$ kompakt. Dann ist $K$ abgeschlossen und beschränkt. \end{satz} \begin{definition-nn} Falls auch die Umkehrung gilt, dann besitzt $X$ die \emph{Heine"=Borel"=Eigenschaft}. \end{definition-nn} \begin{warnung-nn} Im Allgemeinen ist die Umkehrung falsch. \end{warnung-nn} \begin{proof} Nach einer Übungsaufgabe ist $K$ bereits abgeschlossen. Also müssen wir nur zeigen, dass $K$ auch beschränkt ist. Sei $V ∈ \T$ eine Nullumgebung. Sei $W ⊂ \T$ eine kreisförmige Umgebung der $0$, die ganz in $V$ enthalten ist. Da \[ K ⊂ X = \bigcup_{n ∈ ℕ} n W \] eine offene Überdeckung von $K$ ist, besitzt diese wegen $K$ kompakt eine endliche Teilüberdeckung \[ K ⊂ \bigcup_{i=1}^s n_i W \stackrel{(*)}= n_s W, \quad n_1 < n_2 < … < n_s, \] also folgt die Behauptung mit $α = n_s$. $(*)$ gilt wegen der Kreisförmigkeit und $\left|\frac {n_i}{n_s}\right| \le 1$. \end{proof} \begin{bemerkung-nn} Ohne die Hausdorff-Eigenschaft gilt dies nicht. Gegenbeispiel: $X = ℝ$ mit der Klumpentopologie. Dann ist jede Teilmenge von $ℝ$ kompakt, aber nur $\emptyset$ und $ℝ$ sind abgeschlossen. \end{bemerkung-nn} \begin{definition} \begin{enumerate} \item In einem topologischen Raum $(X,\T)$ heißt eine Menge $A ⊂ X$ \emph{relativ kompakt}, falls $\cl A$ kompakt ist. \item In einem metrischen Raum $(X,d)$ heißt eine Menge $A ⊂ X$ \emph{präkompakt}, falls für jedes $ε > 0$ die Menge $A$ von endlich vielen Bällen mit Radius $ε$ überdeckt werden kann. \end{enumerate} \end{definition} \begin{satz} Sei $(X,d)$ ein metrischer Raum, $\emptyset \ne A ⊂ X$. Dann sind äquivalent: \begin{enumerate} \item $A$ ist kompakt. \item $A$ ist folgenkompakt. \item $(A,d|_{A×A})$ ist vollständig und $A$ präkompakt. \end{enumerate} \end{satz} \begin{proof} $(a) \iff (b)$ wurde bereits gezeigt. Wir zeigen nur $(b) ⇒ (c)$: Sei $(x_n)_{n ∈ ℕ} ⊂ A$ eine Cauchy-Folge. Nach (b) besitzt $(x_n)_{n ∈ ℕ}$ einen Häufungspunkt $x^*$. Da $(x_n)_{n ∈ ℕ}$ Cauchy-Folge ist, konvergiert $(x_n)_{n ∈ ℕ}$ schon gegen $x^*$. Damit ist $A$ vollständig, Da $A$ nach Angenommen, $A$ wäre nicht präkompakt. Dann gibt es $ε > 0$, so dass $A$ keine endliche Überdeckung mit $ε$-Kugeln besitzt. Dadurch kann man eine Folge $(x_k)_{k ∈ K}$ definieren, mit $d(x_k,x_j) > ε$ für $k \ne j$. Dann besitzt $(x_k)_{k ∈ K}$ offensichtlich keine Cauchy-Teilfolge, also auch keinen Häufungspunkt. \end{proof} \end{document} %%% Local Variables: %%% mode: latex %%% TeX-master: "funkana" %%% End: