summaryrefslogtreecommitdiffstats
path: root/ch05-hahn-banach.tex
blob: ce92a843124e01f8f9a1a74b067a1031fc3ff83a (plain)
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
38
39
40
41
42
43
44
45
46
47
48
49
50
51
52
53
54
55
56
57
58
59
60
61
62
63
64
65
66
67
68
69
70
71
72
73
74
75
76
77
78
79
80
81
82
83
84
85
86
87
88
89
90
91
92
93
94
95
96
97
98
99
100
101
102
103
104
105
106
107
108
109
110
111
112
113
114
115
116
117
118
119
120
121
122
123
124
125
126
127
128
129
130
131
132
133
134
135
136
137
138
139
140
141
142
143
144
145
146
147
148
149
150
151
152
153
154
155
156
157
158
159
160
161
162
163
164
165
166
167
168
169
170
171
172
173
174
175
176
177
178
179
180
181
182
183
184
185
186
187
188
189
190
191
192
193
194
195
196
197
198
199
200
201
202
203
204
205
206
207
208
209
210
211
212
213
214
215
216
217
218
219
220
221
222
223
224
225
226
227
228
229
230
231
232
233
234
235
236
237
238
239
240
241
242
243
244
245
246
247
248
249
250
251
252
253
254
255
256
257
258
259
260
261
262
263
264
265
266
267
268
269
270
271
272
273
274
275
276
277
278
279
280
281
282
283
284
285
286
287
288
289
290
291
292
293
294
295
296
297
298
299
300
301
302
303
304
305
306
307
308
309
310
311
312
313
314
315
316
317
318
319
320
321
322
323
324
325
326
327
328
329
330
331
332
333
334
335
336
337
338
339
340
341
342
343
344
345
346
347
348
349
350
351
352
353
354
355
356
357
358
359
360
361
362
363
364
365
366
367
368
369
370
\chapter{Der Satz von Hahn-Banach und seine Konsequenzen}
\section{Fortsetzbarkeit linearer Funktionale}

Wir fragen uns, ob sich Abbildungen so erweitern, dass gewisse Eigenschaften (wie z.B. Linearität oder Stetigkeit) erhalten bleiben.

\begin{definition}
    Eine Abbildung $A: M → Y$ heißt eine Fortsetzung einer Abbildung $A_0: M_0 → X$, falls
    \begin{enumerate}
    \item $ M_0 ⊂ M$,
    \item $∀x ∈ M_0: A_0 x = Ax $.
    \end{enumerate}
    Wir schreiben dann $A = A|_{M_0}$.
\end{definition}

\begin{satz}
    Seien $(X,\norm-)$ und $(X_0,\norm-)$ normietre Räume, $X_0 ⊂ X$ dicht in $X$.
    Weiter sei $(Y, \norm-_{Y})$ ein Banachraum und $A_0 : X_0 → Y$ stetig und linear.
    Dann gibt es genau eine stetige lineare Fortsetzung $A : X → Y$ von $A_0$ auf $X$.
    Für diese gilt:
    \[
        \norm{A_0}_{\L(X_,Y)} = \norm{A}_{\L(X,Y)}.
    \]
\end{satz}
\begin{proof}
    Zeigen wir zunächst die Existenz der Fortsetzung.
    Da $X_0$ dicht in $X$ ist, existiert zu jedem $x ∈ X$ eine Folge $(x_n)_{n \ge1}$, die ganz in $X_0$ liegt und gegen $x$ konvergiert.
    Wir behaupten, dass $(A_0x_n)_{n ∈ ℕ}$ eine Cauchy-Folge in $Y$ ist.
    Dazu beachte, dass
    \[
        \norm{A_0 x_n - A_0 x_m}_{Y} \le \norm{A_0}_{\L(X_0,Y)} \norm{x_n-x_m} \xrightarrow[n,m → \infty ]{} 0.
    \]
    Da $Y$ ein Banachraum ist, ist $(A_0x_n)_{n\ge1}$ konvergiert, etwa gegen $y$.
    Wir setzen $Ax \coloneq y$.
    Zunächst ist $A$ wohldefiniert, denn wenn $(z_n)_{n \ge 1}$ eine weitere Folge mit $\lim_{n → \infty } z_n = x$ ist, dann gilt
    $z_n - x_n \xrightarrow[n→\infty ]{} 0$ und
    \begin{align*}
        \norm{A_0 z_n - y} &\le \norm{A_0 z_n - A_0 x_n} + \norm{A_0 x_n - y} \\
        & \le  
        \norm{A_0} \norm{z_n - x_n} + \norm{A_0 x_n - y} \xrightarrow[n→\infty ]{} 0.
    \end{align*}
    Offensichtlich ist $A$ eine Fortsetzung von $A_0$.
    Dass $A$ linear ist, ist ebenfalls klar.
    Zur Stetigkeit ist
    \begin{align*}
        \norm{Ax}_Y &= \norm{\lim_{n → \infty } A_0 x_n}_Y = \lim_{n → \infty } \norm{A_0 x_n}_{Y} \\
        &\le
        \lim_{n → \infty } \norm{A_0}_{\L(X_0,Y)} \norm{x_n}_X = \norm{A_0} \norm{x}.
    \end{align*}
    Damit ist $A$ beschränkt, also auch stetig.

    Es gilt $\norm{A_0}_{\L(X_0,Y)} = \norm{A}_{\L(X,Y)}$:
    „$\ge$“ ist aus dem Vorherigen klar. Für die andere Ungleichung ist
    \[
        \norm{A}_{L(X,Y)} =
        \sup_{\norm{x \le 1}, x ∈ X} \norm{Ax}_{Y}
        \ge
        \sup_{\norm{x \le 1}, x ∈ X_0} \norm{Ax}_{Y} = \norm{A_0}_{\L(X_0,Y)}.
    \]

    Für die Eindeutigkeit sei $B: X → Y$ eine weitere stetige, lineare Fortsetzung von $A_0$.
    Wie oben existiert zu jedem $x ∈ X$ eine Folge $(x_n)_{n ∈ ℕ} ⊂ X$ mit $\lim_{n → \infty } x_n = x$.
    Dann ist
    \[
        Ax_n = A_0 x_n = Bx_n \quad ∀ n ∈ ℕ
    \]
    und für $x ∈ X$
    \[
        \norm{B_x - A_x} \le \norm{B_x - Bx_n} + \norm{Bx_n - Ax_n} + \norm{Ax_n - Ax} \xrightarrow[n→\infty ]{} 0,
    \]
    da $A$ und $B$ stetig sind. Also $Bx = Ax$ für alle $x ∈ X$ und damit $B = A$.
\end{proof}

\begin{korollar}
    Ist $A ∈ \L(X,Y)$, $X, Y$ normiert sowie $Y$ vollständig und $M ⊂ X$ dicht, dann gilt:
    Falls $Ax = 0$ für alle $x ∈ M$, dann ist $A$ schon die Nullabbildung auf $X$.
\end{korollar}
\begin{proof}
    ~
\end{proof}

Ist $X_0$ nicht dicht in $X$, wird die Fortsetzung schwieriger.


\begin{satz}
    Auf dem linearen Raum $X$ über $ℝ$ gebe es eine Abbildung $p: X → ℝ$ mit:
    \begin{enumerate}[label=(\roman*)]
    \item
        $p(\alpha x) = \alpha p(x)$ für alle $\alpha  \ge 0, x ∈ X$ (positiv homogen)
    \item
        $p(x+y) \le p(x) + p(y)$ für alle $x, y ∈ X$ (subadditiv)
    \end{enumerate}

    Weiter seine $X_0$ ein linearer Teilraum von $X$ und $f_0 : X_0 → ℝ$ eine lineare Abbildung mit
    \[
        ∀x ∈ X_0 : f_0(x) \le p(x).
    \]
    Dann gibt es eine lineare Fortsetzung $f: X → ℝ$ von $f_0$, welche die Ungleichung respektiert, das heißt
    \[
        f|_{X_0} = f_0 \quad \text{und} \quad ∀x ∈ X: f(x) \le p(x).
    \]
\end{satz}
\begin{bemerkung-nn}
    Halbnormen  oder Normen $p$ Erfüllen die Voraussetzungen dieses Satzes.
\end{bemerkung-nn}
\begin{proof}
    Schritt 1.
    Wir setzen $f_0$ auf $X_1 \coloneq X_0 \oplus \lspan{x_1}$  für ein $x_1 \not\in X$ (existiert immer solange $X_0 \subsetneqq X$).
    Offenbar hat jedes $x ∈X_1$ eine eindeutig Darstellung als
    $ y = y + \alpha x_1 $,  mit $y ∈ X_0$, $\alpha  ∈ ℝ$.
    Dann ist mit $c ∈ ℝ$ beliebig
    \[
        f(x) = f(y + \alpha (x_1)) \coloneq f_0(y) + \alpha c
    \]
    eine lineare Abbildung $X_1 → ℝ$, die $f_0$ fortsetzt.
    Wir müssen $c$ so wählen, dass $f(x) \le p(x)$ für alle $x ∈ X_1$, also $f_0(y) + \alpha c \le p(y+\alpha x_1)$ für alle $y ∈ X_0, \alpha  ∈ ℝ$.
    Mit (i) ist diese Bedingung äquivalent zu zwei anderen Bedingungen:
    \begin{enumerate}
    \item
        Für $a > 0$: $f_0(y/\alpha ) + c \le p(y/\alpha  + x_1)$.
    \item
        Für $\alpha  < 0$: $f_0(-y/\alpha ) - c \le p(-y/\alpha  - x_1)$ 
    \end{enumerate}
    für alle $y ∈ X_0$. Der Fall $\alpha  = 0$ ist nach Annahme ohnehin klar.
    Um diese Bedingungen erfüllen zu können, muss $c ∈ ℝ$ so gewählt werden, dass
    \[
        ∀y_1, y_2 ∈ X_0: f_0(y_1) - p(y_1 - x_1) \le c \le p(y_2 + x_2) - f_0(y_2).
    \]
    Das ist möglich, da
    \[
        f_0(y_1) + f_0(y_2) = f_0(y_1+y_2) \le p(y_1 + y_2) = p(y_1 - x_1 + y_2 + x_1) \le p(y_1 - x_1)+p(y_2+x_1).
    \]
    Folglich gilt
    \[
        \sup_{y_1 ∈ X_0} f_0(y_1-p(y_1-x_1)) \le \inf{y_2 ∈ X_0} p(y_2+x_1)-f_0(y_2).
    \]


    Schritt 2.
    Finde eine maximale Fortsetzung mit dem Lemma von Zorn.
    Betrachte dazu
    \[
        \{: X \supset D_g \supset X_0 → ℝ\}: g|_{X_0} = f_0 ∧ ∀x ∈ D_g: g(x) \le p(x) \}.
    \]
    Diese Menge ordnen wir mit $\succeq$ definiert durch
    \[
        h \succeq g \gdw h \text{ ist Fortsetzung von $g$}.
    \]
    Nach dem Lemma von Zorn existiert eine maximale Fortsetzung $g^*$ von $f_0$ mit $g^*(x) \le p(x)$ für alle $x ∈ X$.
    Wäre $D_{g^*}$ nicht $X$, so verfahre wie in Schritt 1 im Widerspruch zur Maximalität.
    Damit hat $g^*$ die gewünschten Eigenschaften.
\end{proof}

\begin{bemerkung-nn}
    \begin{enumerate}
    \item 
    Ohne die Zusatzforderung $f(x) \le p(x)$ für alle $x ∈X$ ist die lineare Fortsetzbarkeit trivial.
    \item 
        Eine Fortsetzung für lineare Funktionale $f_0: X_0 → \K = ℂ$ ist analog möglich. % yos IV 4
    \end{enumerate}
\end{bemerkung-nn}

%% HIER FEHLT EINE VORLESUNG

\begin{satz}[5.3.1]
    Sei $(X,\norm\cdot)$ ein normierter Raum über $ℝ$, $M ⊂ X$ abgeschlossen und konvex und $0 ∈ M$.

    Dann existiert zu jedem $x_0 \not\in M$ ein $f ∈ X'$ mit
    \[
        f(x_0) > 1 ∧ ∀ x ∈ M: f(x) \le 1.
    \]
\end{satz}
Die Hyperebene $H = \{ x ∈ X: f(x) = 1 + \epsilon \}$ für $0 < \epsilon  < f(x_0) < 1$ trennt also $x_0$ und $M$.

\begin{proof}
    Setze $2r \coloneq \inf_{y ∈ M} \norm{y - x_0}$  (positiv, da $M$ abgeschlossen).
    Sei $N \coloneq \cl{M + \cl{B_r(0)}} = \cl{\{ z = y + u: y ∈ M, u ∈ \cl{B_r(0)}\}} ⊂ X$.
    Dann ist (i) $N$ abgeschlossen und (ii) $\cl{B_r(0)} ⊂ N$, da $0 ∈ M$, insbesondere ist $0 ∈ N^\circ$.
    (iii) ist $N$ konvex: Es genügt, zu zeigen, dass $A = M + B_r(0)$ konvex ist, denn dann ist auch $\cl A$ konvex.
    Sei $x _i = y_i + v_i, y_i ∈ M, v_i ∈ \cl{B_r(0)}, i=1,2$ und $\alpha  ∈ (0,1)$. Dann ist
    \[
        \alpha x_1 + (1-\alpha )x_2 = \underbrace{[\alpha y_1 + (1-\alpha )y_2]}_{∈ M} + \underbrace{[\alpha u_1+(1-\alpha )v_2]}_{\cl{B_r(0)}}.
    \]
    (iv) ist $x_0 \not\in N$.
    Angenommen, $x_0 ∈ N$. Dann existiert eine Folge $z_n = y_n + u_n$ in $A$ mit $z_n → x_0 (n→\infty )$.
    Dann ist für $n_0$ hinreichend groß
    \[
        \frac r 2 > \norm{z_{n_0} - x_0} = \norm{y_{n_0 - x_0} + u_{n_0}} \ge |\underbrace{\norm{y_{n_0-x_0}}}_{\ge 2r} - \underbrace{\norm{u_{n_0}}}_{\le r}| \ge r.
    \]

    Verwende nun das Minkowski-Funktional
    \[
        p_N(x) \coloneq \inf \{ρ > 0: ρ^{-1} x ∈ N\}, \quad x ∈ X.
    \]
    Dieses hat die Eigenschaften
    \begin{enumerate}
    \item
        $p_N(\alpha x) = \alpha p_n(x),\quad \alpha  \ge 0, x ∈ X$ (positiv homogen)
    \item
        $p_N(x+y) \le p_N(x) + p_N(y), \quad x, y ∈ X$ (subadditiv)
    \item
        $p_N(x) \le 1 \iff x ∈ N$
    \item
        Ist zusätzlich $\cl{B_r(0)} ⊂ N$, so gilt $p_nNx) \le r^{-1}\norm x$ für alle $x ∈ X$.
    \end{enumerate}
    Sei nun $X_0 \coloneq \lspan\{x_0\}$ und $f_0 : X_0 → ℝ$ linear definiert durch $f_0(x_0) \coloneq p_N(x_0)$.
    Wir behauptung, dass $f_0 (x) \le p_N(x)$ für alle $x  = \lambda x_0 ∈ X_0$.
    Falls $\lambda  \ge 0$, so ist $f_0(x) = f_0(\lambda x_0) = \lambda p_N(x_0) = p_N(\lambda x_0) = p_N(x)$.
    Falls $\lambda  < 0$, so ist wegen $p_n \ge 0$ ohnehin $f_0(\lambda x_0) = \lambda p_N(x_0) \le 0 \le p_N(\lambda x_0)$.
    Da $p_N$ die Bedingungen (i) und (ii) aus Hahn-Banach erfüllt,
    gibt es eine lineare Fortsetzung $f$ von $f_0$ mit $f(x) \le p_N(x)$ für alle $x ∈ X$.

    Nun ist $f$ stetig, also $f ∈ X'$, denn für alle $x ∈ X$ gilt
    \begin{multline*}
        |f(x) = \max\{f(x), -f(x)\}  = \max\{f(x),f(-x)\} \le \max\{p_N(x),p_N(-x)\}  \\
        \le \max\left\{\frac{\norm{x}}{r},\frac{\norm{-x}}{r}\right\} = \frac{\norm x}{r}.
    \end{multline*}

    Außerdem erfüllt $f$ die Gleichung 3.1 (?), denn
    \[
        f(x_0) = f_0(x_0) = p_n(x_0) > 1
    \]
    und für $x ∈ M ⊂ N$ gilt
    \[
        f(x) \le p_N(x) \le 1.
    \]
\end{proof}

\section{Einbettung von $X$ in seinen Bidualraum}
Zunächst zur Motivation: Sei $X$ ein normierter linearer Raum.
Dann existiert $X'$ und ist ein Banachraum.
Aber dann existiert auch $X'' \coloneq (X')'$ und ist ebenfalls ein Banachraum.
Unser Ziel wird es nun sein, $X$ in $X''$ einzubetten.

\begin{definition}
    Die kanonische Abbildung $J_0: X → X''$ ist definiert durch
    \[
        J_0(x) [x'] = \lAngle J_0(x), x' \rAngle_{X''×X'} \coloneq \lAngle x', x \rAngle_{X'×X} = x'[x]\K
    \]
    für $x ∈ X, x' ∈ X'$.

    Offensichtlich gilt für $x ∈ X$ fest $J_0(x): X' → \K$ linear, aber $J_0(x)$ ist auch stetig bzw beschränkt:
    Dazu ist
    \[
        |J_0(x)[x']| = | \langle  \langle x',x \rAngle \le \norm{x'}_{X'} \underbrace{\norm{x}_X}_{=: M}.
    \]
    Also ist $J_0(x) ∈ X''$, also insbesondere $J_0$ wohldefiniert.
    Wegen der linearität von $J_0$ in $x$ schreiben wir statt $J_0(x)$ auch $J_0 x$.
\end{definition}

\begin{satz}
    Die kanonische Abbildung $J_0: X → X''$ ist eine normerhaltende lineare Einbettung von $X$ in seinen Bidualraum $X''$.
\end{satz}

\begin{warnung-nn}
    $J_0$ ist in der Regel nicht surjektiv.
\end{warnung-nn}

\begin{proof}
    Zur Injektivität: Seien $x_1, x_2 ∈ X$ mit $J_0x_1 = J_0x_2$.
    Dann ist für jedes $x' ∈ X'$
    \[
        \lAngle x',x_1 \rAngle = J_0 x_1[x'] = J_0x_2[x'] = \lAngle x', x_2 \rAngle,
    \]
    also wegen Linearität von $x'$
    \[
        \lAngle x', x_1-x_2 \rAngle = 0.
    \]
    Mit Folgerung 2.3(1) folgt $x_1-x_2 = 0$.

    Zur Isometrieeigenschaft bleibt zu zeigen: $\norm{J_0x} = \norm{x}$ für alle $x ∈ X''$.
    „$\le$“: Aus (4.1) folgt bereits
    \[
        \norm{J_0(x)}_{X''} = \sup_{\norm{x'} \le 1} |J_0(x)[x'] \le \norm{x}_X.
    \]
    „$\ge$“: Zu $x_0 ∈ X$ existiert nach Korollar 2.1 ein $x_0' ∈ X'$ mit
    $\norm{x_0'}_{X'} = 1$ und $x_0'[x_0]= \norm{x_0}$.
    Also folgt
    \[
        \underbrace{|J_0x_0[x_0']|}_{\le \norm{J_0x_0}_{X''}} = \lAngle  x_0', x_0 \rAngle = \norm{x_0}.
    \]
    Da $x_0$ beliebig war, gilt $\norm{J_0x}_{X''} \ge \norm{x}$.
\end{proof}

\begin{definition}
    Ein Banachraum $X$ heißt \emph{reflexiv}, wenn $J_0$ surjektiv ist, also $X$ und $X''$ isomorph sind vermöge $J_0$.
\end{definition}

\begin{bemerkung-nn}
    Ein unvollständiger normierter Raum hätte offensichtlich keine Chance, reflexiv zu sein.
\end{bemerkung-nn}

\begin{warnung-nn}
    „vermöge $J_0$“ in der Definition ist wesentlich, denn es gibt Beispiele mit $X \cong X''$, aber $J_0$ ist nicht surjektiv. %% werner, I 4.7
\end{warnung-nn}

\begin{satz}
    Jeder Hilbertraum $H$ ist reflexiv
\end{satz}
\begin{proof}
    Übung.
\end{proof}

\begin{bemerkung-nn}
    Offensichtlich sind $H$ und $H''$ isometrisch isomorph:
    Denn $H$ und $H'$ sind bereits konjugiert linear isomorph via $J_H, X → X'$ (Kapitel IV, \S 5, aus Ries'schem Darstellungssatz).
    Mit dem gleichen Argument sind $H'$ und $H''$ konjugiert linear isomorph via $J_{H'}$, also $H$ und $H''$ linear isometrisch durch $J_{H'} \circ J_H$.
    Dies genügt aber nicht für den Nachweis der Reflexivität.
    Dafür müssen wir zu $x'' ∈ H''$ ein $x ∈ H$ finden mit $J_0x = x''$.
\end{bemerkung-nn}

\begin{bemerkung-nn}
    Wozu Reflexivität gut ist, werden wir später im Kapitel über schwache Topologien genauer sehen.
    Beispielsweise ist $\cl{B_1(0)}$ im reflexiven Banachraum $X$ schwach folgenkompakt, das heißt jede Folge in $\cl{B_1(0)}$ hat eine schwach konvergente Teilfolge mit Grenzwert in $\cl{B_1(0)}$.
    Dies ist zum Beispiel in der Variationsrechnung sehr wichtig.
\end{bemerkung-nn}

\begin{definition}
    Eine Folge  $(x_n)_{n ∈ ℕ}$ in einem normierten Raum $X$ heißt \emph{schwach konvergent} gegen $x ∈ X$ (in Zeichen: $x_n \xrightharpoonup[n → \infty ]{} x$), wenn
    \[
        \lim_{n → \infty } x'[x_n] = x'[x]
    \]
    für alle $x' ∈ X'$ gilt.
\end{definition}

\begin{bemerkung-nn}
    Der Grenzwert (so er denn existiert) ist eindeutig. Denn ist $x'[x] = x'[\tilde x]$ für alle $x' ∈ X'$, so folgt $x = \tilde x$ mit Folgerung 2.3 (2).
\end{bemerkung-nn}

\begin{beispiel-nn}
    Für $(\hat e_i)_{i ∈ ℕ}$ Hilbertraumbasis in einem separablem Hilbertraum $X$ gilt
    \[
        \hat e_i \rightharpoonup 0 ∈ X (i → \infty )
    \]
\end{beispiel-nn}

\begin{bemerkung-nn}
    $(\hat e_i)_{i ∈ ℕ}$ ist nicht konvergent in der Normtopologie, die Folge ist noch nicht mal Cauchy, insbesondere ist $\norm{\hat e_i - 0} \not\rightarrow 0 (i → \infty )$.
\end{bemerkung-nn}

\begin{proof}
    Der kanonische Isomorphismus $J_X: X  → X', y ↦ y'$ mit $y'[x] = \langle y,x \rangle$ für alle $x ∈ X$ liefert
    \[
        X' = \{ x' : x' ∈ X'\} = \{ J_X(y) : y ∈ X\}.
    \]
    Zu zeigen ist $\lim\limits_{i → \infty }x'[\hat e_i] = x'[0]$ für alle $x' ∈ X'$, also äquivalent
    $\lim\limits_{i → \infty } J_x(y)[\hat e_i] = J_x(y)[0]$ für alle $y ∈ X$ bzw. $\lim\limits_{i → \infty } \langle y, \hat e_i \rangle = \langle y, 0 \rangle$ für alle $y ∈ X$.

    Sei also $y ∈ X$ fest gewählt. Dann ist $y = \sum_{i=1}^\infty \alpha _i \hat e_i$ mit $\alpha _i = \langle  \hat e_i, y \rangle$.
    Es gilt $\sum_{i=1}^\infty  |\alpha _i|^2 < \infty $ (vgl Def 4.2.12).
    Damit folgt $\alpha _i = \langle  \hat e_i, y \rangle0 (i → \infty )$, weil $\alpha\ell^2$.
    Damit folgt die Schwache Konvergenz von $(\hat e_i)_{i ∈ ℕ}$.
\end{proof}


\begin{satz}
    Sei $M$ ein abgeschlossener Unterraum eines Banachraums $(X, \norm -)$.
    \begin{enumerate}
    \item
        Ist $X$ reflexiv, so ist auch $(M, \norm -)$ reflexiv.
    \item
        Ist $X$ ist reflexiv, so auch $X'$.
    \end{enumerate}

\end{satz}


%%% Local Variables:
%%% mode: latex
%%% TeX-master: "funkana-ebook"
%%% End: